Armut im Iran binnen eines Jahres verdoppelt

Armut nimmt rasant zu: Obdachloser Iraner in Shiraz
Armut nimmt rasant zu: Obdachloser Iraner in Shiraz (© Imago Images / ZUMA Wire)

Das Ministerium für Genossenschaften, Arbeit und soziale Wohlfahrt der Islamischen Republik warnte kürzlich vor dem steigenden Absturz der iranischen Mittelschicht in die Armut. 

Einem von der Iranian Labor News Agency (ILNA) am Montag veröffentlichten Bericht zufolge lebt mittlerweile ein Drittel der iranischen Bevölkerung in extremer Armut, nachdem sich die Zahl innerhalb eines Jahres von 2020 bis 2021 fast verdoppelt hat. Das monatliche Mindesteinkommen, das eine vierköpfige Teheraner Familie im vergangenen – am 21. März beginnenden – Jahr iranischer Zeitrechnung benötigte, um über der Armutsgrenze leben zu können, lag bei schätzungsweise 147 Mio. Rial (damals etwa 500 Dollar). Der landesweite Durchschnitt für eine Familie betrug etwa 77 Mio. (etwa 250 Dollar), während der Durchschnitt für eine Person bei 16,8 Mio. Rial (etwa 55 Dollar) lag. 

Die von der ILNA gemeldeten Daten markieren einen fünfzigprozentigen Anstieg im Vergleich zum Jahr davor, was bedeutet, dass die Inflation im Iran auf fast fünfzig Prozent gestiegen ist und die Landeswährung um etwa die Hälfte an Wert verloren hat. Dem aktuellen ILNA-Bericht zufolge gingen im iranischen Jahr 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie etwa eine Million Arbeitsplätze verloren, die jedoch im darauffolgenden Jahr wiederhergestellt werden konnten. 

Der Iran beabsichtigt, den monatlichen Mindestlohn für das nächste iranische Jahr, das wiederum am 21. März beginnt, auf 56 Mio. Rial festzusetzen, was nach heutigem Wechselkurs etwa 140 Dollar entspricht. Die Islamische Republik hat einen der niedrigsten Mindestlöhne der Welt, die Löhne stiegen jedoch von 2000 bis 2010, als der Mindestlohn 2010 ein Rekordhoch von etwa 275 Dollar erreichte, bevor der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen begann, Sanktionen gegen das Land zu verhängen, um Teheran zur Rücknahme seines Atomprogramms zu zwingen.

Inflation bei Lebensmitteln besonders hoch

Darüber hinaus ist die durchschnittliche tägliche Pro-Kopf-Kalorienzufuhr – einer der Armutsindizes – aufgrund der hohen Inflationsrate, insbesondere bei Lebensmitteln, von 2.700 kcal im Jahr 2011 auf unter 2.200 kcal im Jahr 2021 gesunken. 

Einem aktuellen Bericht der Website EcoIran zufolge stiegen die Lebensmittelpreise im April 2022, als die Regierung die Einfuhrsubventionen für lebenswichtige Güter aufhob, um durchschnittlich 67,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In zwölf Provinzen liegt die Inflation für Lebensmittel bei über 70 Prozent, womit diese Provinzen in die Kategorie »rot« fallen, was einen sehr kritischen Zustand bedeutet.

Im Dezember erklärte der Abgeordnete und Mitglied des Haushaltsausschusses des Parlaments, Behruz Mohebbi-Najmabadi, etwa zwanzig Millionen Iraner hätten mit extremer Armut zu kämpfen, was bedeuten würde, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung mittellos ist. Als Hauptgrund nannte er das seit mehr als einem Jahrzehnt ausbleibende Wirtschaftswachstum. Offiziellen Zahlen des Innenministeriums zufolge leben insgesamt etwa 60 Prozent der 84 Millionen Iraner unter der relativen Armutsgrenze, von denen wiederum 20 bis 30 Millionen in »absoluter Armut«vegetieren. Im Jahr 2010 beispielsweise lag die Zahl derer, die unter der absoluten Armutsgrenze lebten, laut Regierungsstatistik noch bei rund zehn Millionen.

Das wirtschaftliche Versagen des Regimes lässt sich auch angesichts der US-Sanktionen immer schwieriger rechtfertigen. »Der Hauptgrund für die [wirtschaftlichen] Probleme [der letzten zehn Jahre] sind nicht nur die Sanktionen. Ein großer Teil davon wurde durch falsche Entscheidungen und Ineffizienz verursacht«, räumte selbst der Oberste Führer Ali Khamenei in einer Rede im vergangenen Jahr ein.

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