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Der arabische Sklavenhandel war für Afrika verheerender als jener der Europäer

Denkmal für die Opfer des Sklavenhandels auf Sansibar. (© imago images/Joerg Boethling)
Denkmal für die Opfer des Sklavenhandels auf Sansibar. (© imago images/Joerg Boethling)

17 Millionen Afrikaner wurden von Arabern zu Sklaven gemacht. Der Historiker Tidiane N’Diaye über eine Geschichte, über die meist geschwiegen wird.

Tidiane N’Diaye/Jungle World

Die Arabomuslime haben die schwarzen Völker Afrikas vom 7. bis zum 20. Jahrhundert überfallen. Fast 1.000 Jahre lang waren sie die einzige fremde Macht, die diesen grauenhaften Handel betrieb, und sie haben über zehn Millionen Afrikaner deportiert, bevor die Europäer auf der Bildfläche auftauchten. Insgesamt 17 Millionen Menschen wurden versklavt, von denen die meisten aufgrund von Massenkastrationen keine Nachkommen hinterließen. (…)

Obwohl man Leiden nur schwer gegeneinander aufrechnen kann und es kein Monopol auf Grausamkeit gibt, lässt sich mit Sicherheit sagen, dass der Sklavenhandel und die kriegerischen Expeditionen der Arabomuslime für Schwarzafrika über die Jahrhunderte gesehen weit verheerender waren als der transatlantische Sklavenhandel. Die Islamisierung der Schwarzafrikaner und die jihadistischen Kriege, die dies zur Folge hatte, waren eine Quelle vieler gesellschaftlicher Implosionen. (…)

Während es im Westen Organisationen gab, die sich für die Abschaffung des transatlantischen und später des transsaharischen Sklavenhandels einsetzten, finden sich keine Spuren von ähnlichen Initiativen in der arabomuslimischen Welt – geschweige denn eine spätere Reue. Da die Sklaverei durch den Islam befürwortet und institutionalisiert wurde, wäre es für viele Muslime unfromm gewesen, diese Praxis in Frage zu stellen. Der Historiker Bernard Lewis schrieb einmal: ‚Die Sklaverei im Land des ­Islam bleibt ein finsteres und hochsensibles Thema. Ihre bloße Erwähnung wird oft als ein Zeichen feindseliger Absichten verstanden.‘ Diese Schande, die Afrika auferlegt wurde, haben arabische Intellektuelle noch immer nicht thematisiert. (…)

Hinter dem Rücken des Westens hat man es sich mit dem ‚Stockholm-Syndrom des Afrikaners‘ schön eingerichtet. Es scheint, als wären die Nachfahren der Opfer zu Schuldnern, Freunden und Unterstützern der Nachfahren der Täter geworden, über die man nichts Schlechtes sagen möchte. Man hat einen unausgesprochenen Pakt geschlossen, der in einer Leugnung dieser Gräuel resultiert. Dieses selektive Schweigen über die Verbrechen an den Schwarzen und ihre Relativierung, um sich einzig auf den transatlantischen Sklavenhandel zu konzentrieren, zementiert die Erzählung von der vermeintlich ‚arabisch-afrikanischen Solidarität der Opfer‘ des westlichen Kolonialismus.“

(Aus dem Interview „‚Der Schrecken der Sklaverei setzt sich bis heute fort‘“, das Marcus Latton für die Jungle World mit dem senegalesischen Historiker Tidiane N’Diaye geführt hat. N’Diaye ist der Autor des leider vergriffenen Buches „Der verschleierte Völkermord: Die Geschichte des muslimischen Sklavenhandels in Afrika“.)

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