Dass die Hisbollah versucht, den Waffenstillstand mit Israel als glorreichen Sieg zu verkaufen, kommt bei vielen Arabern nicht gut an.
Bassam Tawil
Nach dem jüngsten Waffenstillstandsabkommen mit Israel verkündeten die Anhänger der vom Iran unterstützten libanesischen Terrorgruppe Hisbollah den »Sieg«. Einige feierten den angeblichen Triumph, indem sie in die Luft schossen und das Victory-Zeichen zeigten. Viele Araber weisen jedoch darauf hin, dass die Hisbollah Hunderte ihrer Mitglieder (darunter auch ihre führenden Köpfe) verloren und erhebliche Schäden an libanesischen Häusern und der Wirtschaft des Landes angerichtet haben – und verspotten die Terrorgruppe.
Ein Sieg sieht anders aus
Die hastige Siegeserklärung der Hisbollah ähnelt jener der Hamas, dem palästinensischen Terror-Stellvertreter des Irans im Gazastreifen. Das Muster ist aus früheren Runden der Auseinandersetzung bekannt: Nach Kämpfen mit Israel, bei denen die zivile und militärische Infrastruktur des Gazastreifens schwer beschädigt wurde, tauchten typischerweise Hamas-Kommandeure aus den Trümmern auf und verkündeten den »Sieg«.
Sie wurden für ihre fantasierten Siege von vielen Palästinensern und Arabern genauso verspottet wie jetzt die Hisbollah. Selbst jetzt gibt die Hamas noch vor, den Krieg zu gewinnen, der begann, als die Terrorgruppe am 7. Oktober 2023 Israel überfiel und 1.200 Israelis ermordete, von denen viele gefoltert, bei lebendigem Leib verbrannt oder enthauptet wurden. Unzählige andere wurden vergewaltigt und 240 in den Gazastreifen entführt, wo 101, von denen viele tot sind, immer noch gefangen gehalten werden.
Der ägyptische Politologe Abdul Latif Al-Manawi schrieb in einem Kommentar zur Hamas-Siegeserklärung:
»Ich war nicht überrascht, als [Hamas-Führer] Khaled Mashal den Sieg der Hamas im Gaza-Krieg verkündete. Er sagte: ›Unsere Verluste sind taktischer Natur, die Verluste unseres Feindes sind strategischer Natur, und der Sieg wird kommen.‹ Fasst Mashal auf diese Weise ein ganzes Jahr der Verwüstung zusammen, das dem palästinensischen Volk zugefügt wurde?
Wenn Mashal meint, was er sagt, müssen wir ihn fragen: Gehören zu den taktischen Verlusten, auf die er sich bezieht, die Kriegsopfer, die sich auf mehr als 42.000 Palästinenser belaufen? Gehören dazu mehr als 80.000, die verletzt wurden? Gehören dazu mehr als 90 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens, die ihre Häuser verlassen mussten und deren Viertel dem Erdboden gleichgemacht wurden?
Ein Sieg, Khaled Mashal, sieht anders aus. Ein Sieg bedeutet, das Ausmaß seiner Macht zu erkennen und sie zur richtigen Zeit und auf die richtige Weise einzusetzen. Ein Sieg bedeutet nicht, die Ära der illusorischen Reden und falschen Siege fortzusetzen.«
Nach dem Vorbild der Hamas
Die Hisbollah stieg am Tag nach den von Hamas-Terroristen am 7. Oktober begangenen Gräueltaten und Tausenden von »gewöhnlichen« Palästinensern gegen Israelis, die in der Nähe der Grenze zum Gazastreifen leben, in den Krieg ein. Die Hisbollah-Führer sagten damals, ihre Raketen- und Drohnenangriffe gegen Israel erst einzustellen, wenn das Land den Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen beende. Sie kündigten auch an, ihre Terroristen nicht nördlich des Litani-Flusses im Südlibanon zurückzuziehen.
Das am 27. November geschlossene Abkommen über einen Waffenstillstand sieht vor, dass die Hisbollah oder andere bewaffnete Gruppen im Libanon keine Offensivaktionen gegen Israel durchführen werden, unabhängig von der Situation im Gazastreifen. Es verlangt außerdem, dass sich die Hisbollah-Terroristen in den Norden hinter den Litani-Fluss zurückziehen. Mit anderen Worten hat die Hisbollah zugestimmt, sich aus dem Krieg im Gazastreifen herauszuhalten und ihre Männer von der Grenze zu Israel abzuziehen.
Diese Kehrtwende ist genau der Grund, warum viele Araber den »Siegesanspruch« der Hisbollah nicht verstehen können, insbesondere angesichts der Eliminierung der meisten ihrer politischen und militärischen Anführer, darunter Hassan Nasrallah, der im vergangenen September bei einem israelischen Luftangriff auf seinen Bunker in Beirut getötet wurde.
Was kostete der »Sieg«?
Der bekannte libanesische Journalist Nabil Bou Monsef spottete über den imaginierten »Sieg« der Hisbollah und wies darauf hin, dass der Krieg, den die Gruppe dem Libanon beschert hat, einzig und allein schreckliche Zerstörung gebracht habe. Er warf der Hisbollah vor, sich in Selbsttäuschung zu üben, indem sie den Libanon mit regionalen Schauplätzen (dem Gazastreifen) in Verbindung bringt und »ein katastrophales Massaker« beschert habe.
Wo ist der Sieg?«, fragte Bou Monsef,
»wie viel hat er gekostet? Welche Niederlage ist schrecklicher als solche Verluste? Wie kann man angesichts eines Massakers, das jegliche Logik des Widerstands zunichte gemacht hat, einen Sieg verkünden? Es ist noch nicht zu spät, die Hisbollah aufzufordern, ihre einseitige und tödliche Entscheidung zu erklären, im Auftrag des Iran die Konfrontation [mit Israel] zu eröffnen.«
Mosef war nicht der einzige Araber, der sich mit bissigen Worten zum angeblichen »Sieg« der Hisbollah äußerte. Der tunesische Philosoph Khaled Mansour schrieb:
»Die Behauptung der Hisbollah, sie habe Israel besiegt, ist eine Farce und eine Verhöhnung der libanesischen Bevölkerung und eine ›politische Schamlosigkeit‹, die sowohl lächerlich als auch abstoßend ist!«
Die libanesische Studentin Lina al-Bayati bemerkte:
»Hisbollah sagt: Wir haben den Feind besiegt. Die Partei wurde mitsamt der Wurzel ausgerissen, keiner von ihnen ist übriggeblieben. Wo ist der Sieg? Niemand weiß es.«
Der libanesische Anwalt Omar El-Yafi schrieb über das Waffenstillstandsabkommen:
»Dies ist der Text der Kapitulation der Hisbollah, dem der libanesische Staat zugestimmt hat. Darin wurde festgelegt, dass es auf libanesischem Gebiet keine Waffen geben darf, außer in den Händen der libanesischen Armee, zusätzlich zu anderen Bedingungen, einschließlich des Rückzugs von Hisbollah-Elementen in den Norden des Litani-Flusses. Wo ist der göttliche Sieg, den diese Sieger feiern?«
Der ägyptische Politologe Subhi Ibrahim:
»Die schlimmste Niederlage für die Hisbollah-Milizen in einer dunklen Geschichte von Zerstörung und Tausenden von Toten, und dennoch schwenken einige ihrer Anhänger mit aller Unverfrorenheit Fahnen und zeigen das Victory-Zeichen!!! Wo seid ihr, ihr schamlosen Leute???«
Der libanesische Social-Media-Aktivist Fouad Tarabay:
»Trotz der Tötung von [Hassan] Nasrallah und der meisten Anführer der Hisbollah, 3.500 Toten, 20 Milliarden an materiellen Verlusten, 1,5 Millionen Vertriebenen und 46.000 zerstörten Wohneinheiten sagen sie (die Hisbollah) immer noch: ›Wir haben gewonnen.‹ Sie schießen zur Feier des Tages mit ihren Waffen und machen das Victory-Zeichen, nachdem das demütigende Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet wurde. Was für eine komplette Farce und Täuschung.«
Der saudische Schriftsteller Imad al-Rimal:
»Die Hisbollah feiert ihren Sieg genauso wie Saddam Hussein seinen Sieg in Kuwait [1990]. Die Hisbollah wird im Libanon eine Siegesdemonstration abhalten, die Beerdigung von Hassan Nasrallah inklusive. Es spielt keine Rolle, wie viele getötet wurden, was zerstört wurde oder dass es eine vernichtende Niederlage gab. Wichtig ist, dass die Hirten der Schafherden, die der Hisbollah folgen, die Realität weiterhin leugnen.«
Social-Media-Nutzer Abu Al-Ahrar:
»Von welchem Sieg redet ihr? Dies wird als Niederlage angesehen. Die Hisbollah hat sich für den Gazastreifen eingesetzt und gesagt, sie werde nicht aufhören, bis die Belagerung aufgehoben ist. Wie kann das ein Sieg sein, wenn Israel die gesamte Führung der Hisbollah ausgeschaltet hat? Das nennt man nicht Sieg, sondern Niederlage.«
Die irakische politische Aktivistin Tamara Alkhazarji:
»Nach der Kapitulation: Hisbollah-Anhänger ziehen durch die Straßen und zeigen Bilder von Hassan Nasrallah, um ihrer Freude über den Sieg Ausdruck zu verleihen, wie sie glauben. Das ist typisch für totalitäre Parteien im Nahen Osten, die versuchen, jede Niederlage als vernichtenden und historischen Sieg für sich darzustellen.«
Der jemenitische Politiker Ali Albukhaiti:
»Die Hisbollah hat sich ergeben, und dennoch gibt es Leute, die das einen Sieg nennen! Vielmehr wurde [der Waffenstillstand] zu Israels Bedingungen geschlossen, nicht zu denen der Hisbollah:
-) Rückzug der Hisbollah in den Norden des Litani-Flusses,
-) Abkoppelung vom Gazastreifen,
-) internationale Überwachung südlich des Litani-Flusses,
-) Kontrolle der Grenze durch die libanesische Armee.
Waren das die Bedingungen der Hisbollah oder die der Israelis? Was passiert ist, war fast eine Kapitulation der Hisbollah, die nur versucht, ihr Gesicht zu wahren.«
Es ist offensichtlich, dass sich viele Araber nicht mehr von den Lügen und der Propaganda der iranischen Terrorstellvertreter im Nahen Osten täuschen lassen. In den letzten vierzehn Monaten haben die Hamas und die Hisbollah die Palästinenser und Libanesen in Kriege hineingezogen, die Tausende von Menschen das Leben gekostet haben – alles, um ihren Gönnern im Iran zu dienen.
Anstatt ihre Niederlage sowohl im Gazastreifen als auch im Libanon einzugestehen, verkaufen die Terroristen auf Geheiß der iranischen Mullahs den Arabern weiterhin imaginäre Siege, um sie zum Dschihad gegen Israel zu ermutigen. Die gute Nachricht ist, dass viele Araber sich der Lügen und Täuschungen von Hamas und Hisbollah offenbar bewusst sind.
(Bassam Tawil ist muslimischer Araber mit Wohnsitz im Nahen Osten. Der Text ist auf Englisch vom Gatestone Institute veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl.)