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Arabische Intellektuelle und ihr Freibrief für den Hass auf Israel

Auf den Punkt gebracht, worum es den arabischen Intelektuellen geht: Reinwaschung von BDs
Auf den Punkt gebracht, worum es den arabischen Intelektuellen geht: Immunisierung von BDS gegen Kritik (© Imago Images / i Images)

Mehr als 120 arabische Intellektuelle kritisieren in einem offenen Brief die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance. Mit ihr werde einer „Instrumentalisierung“ des Kampfes gegen den Judenhass Vorschub geleistet und Israel für sakrosankt erklärt. Das Statement ist nicht zuletzt der Versuch, der antisemitischen BDS-Bewegung einen Persilschein auszustellen.

Dass sich arabische Intellektuelle öffentlich zum Antisemitismus äußern, kommt eher selten vor. Schon deshalb verdient der jüngste offene Brief zu diesem Thema, den über 120 palästinensische und arabische Professoren, Schriftsteller und Künstler unterzeichnet haben, einen genaueren Blick. Zuerst erschienen ist er vor wenigen Tagen in der linken britischen Tageszeitung Guardian, die taz hat eine deutsche Übersetzung veröffentlicht.

Was ist es, das diese Stellungnahme motiviert hat, und worum genau geht es? „Wir drücken mit dieser Erklärung unsere Sicht auf die Definition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) aus und auf die Art und Weise, wie diese Definition in mehreren Ländern Europas und in Nordamerika verstanden und umgesetzt wird“, heißt es zu Beginn.

Diese Arbeitsdefinition, die es in ihrer jetzigen Form seit Mai 2016 gibt und die auf der Website der IHRA nachzulesen ist, haben sich zahlreiche Regierungen, Einrichtungen und Organisationen zu eigen gemacht, in Deutschland beispielsweise die Bundesregierung, die Hochschulrektorenkonferenz und der Fußballklub Borussia Dortmund. Sie umfasst eine begriffliche Bestimmung sowie Beispiele für Antisemitismus etwa im öffentlichen Leben, in den Medien, in den Schulen und am Arbeitsplatz.

Die arabischen Intellektuellen haben jedoch ein Problem mit der Definition: Die dort genannten Beispiele der IHRA „setzen Judentum mit Zionismus gleich“, schreiben sie. „Diese Definition suggeriert, dass alle Juden und Jüdinnen zionistisch seien und der Staat Israel in seiner aktuellen Form die nationale Selbstbestimmung aller Juden und Jüdinnen verkörpere. Dem widersprechen wir zutiefst.“

Falsche Behauptungen über die IHRA-Definition

Das ist aus mehreren Gründen falsch. Die behauptete Gleichsetzung findet nicht statt und wird auch nicht suggeriert. Vielmehr heißt es in der Definition der IHRA beispielsweise: „Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten.“ Die passivische Formulierung ist eindeutig auf diejenigen gemünzt, die in antisemitischer Absicht eine Gleichsetzung von Juden und Israel vornehmen, um kollektiv alle Juden für das Handeln des Staates Israel und seiner Regierung in Haftung zu nehmen.

Auch an anderer Stelle in der IHRA-Definition werden Judentum und Zionismus nicht gleichgesetzt. Das zeigt sich etwa, wenn als Beispiel für Antisemitismus der Vorwurf genannt wird, Juden fühlten sich „dem Staat Israel oder angeblich bestehenden weltweiten jüdischen Interessen stärker verpflichtet als den Interessen ihrer jeweiligen Heimatländer“.

Dass der Staat Israel die nationale Selbstbestimmung der Juden als jüdisches Volk verkörpert, ist gleichwohl wiederum eine nicht zu bestreitende Tatsache. Er ist der Ausdruck jüdischer Souveränität, und dazu gehört auch, dass jede Jüdin und jeder Jude das Recht auf Einwanderung nach Israel und die israelische Staatsbürgerschaft hat. All das gilt auch dann, wenn man diesen Staat persönlich „in seiner aktuellen Form“ oder gar prinzipiell ablehnt oder das besagte Recht nicht in Anspruch nehmen möchte.

Doch hier wird bereits deutlich, was die arabischen Intellektuellen so stört: Sie wollen nicht, dass man die Ablehnung des jüdischen Staates und des Zionismus überhaupt mit Antisemitismus in Verbindung bringen kann. Das eine soll mit dem anderen rein gar nichts zu tun haben. Die falsche Behauptung, die IHRA setze Judentum und Zionismus gleich, erfüllt zudem einen Zweck: So, wie die Intellektuellen diese Gleichsetzung zurückweisen, delegitimieren sie auch die Sympathien der weitaus meisten Juden für den Zionismus und für Israel.

Worum es den Verfassern und Unterzeichnern wirklich geht

Wer beidem verbunden ist und in deren Dämonisierung auch einen Angriff auf das Judentum sieht, für das der Staat Israel als Ausdruck nationaler Selbstbestimmung eine zentrale Bedeutung hat, wird damit für diese Intellektuellen ebenfalls zum Gegner. Dadurch erweisen sich auch deren Forderung, Antisemitismus müsse „erkannt, benannt und bekämpft“ und Hass gegen Juden dürfe „nirgendwo auf der Welt toleriert werden“, lediglich als pflichtschuldiges Lippenbekenntnis.

Zumal klar wird, dass die Verfasser und Unterzeichner des offenen Briefes weniger der Kampf gegen den Antisemitismus antreibt als vielmehr die angebliche Instrumentalisierung dieses Kampfes durch die israelische Regierung, „um die Anliegen der Palästinenser*innen zu delegitimieren und jene, die sich für ihre Rechte einsetzen, zum Schweigen zu bringen“, wie es im Statement heißt. Die Bekämpfung des Hasses gegen Juden, so ist dort weiter zu lesen, werde als „Manöver“ benutzt, um den Palästinensern „ihre Rechte zu verweigern und ihr Land weiterhin zu besetzen“.

Außerdem führe diese Instrumentalisierung dazu, die Kritik des Antisemitismus „zu entwerten, zu diskreditieren und abzuschwächen“. Diese Sorge ist allerdings nicht ernst gemeint, sie dient bloß der moralischen Salvierung der „Israelkritik“ durch die Beteuerung, gegen „wirklichen“ und „echten“ Antisemitismus sei man schließlich selbst.

Wenn die arabischen Intellektuellen dann noch schreiben, man müsse „aus dem Holocaust wie auch aus anderen Genoziden der Moderne“ seine Lehren ziehen – womit die Shoa kein Menschheitsverbrechen sui generis mehr ist, sondern ein Völkermord unter vielen –, klingen sie endgültig wie ihre postkolonialistischen Pendants in Europa.

Nach dieser Vorrede führen die Verfasser des offenen Briefes sieben „Prinzipien“ an, die sie für wesentlich halten. Deren Kernaussage lautet: Israel ist ein Unrechtsstaat, der die Palästinenser entwurzelt und unterdrückt und dabei von der IHRA gedeckt wird, die mit ihrer Arbeitsdefinition jegliche Kritik als antisemitisch brandmarkt. Diese Definition richte sich „vor allem gegen linke Gruppen und Menschenrechtsorganisationen“, die die BDS-Kampagne unterstützen, die „grundsätzlich eine legitime und gewaltfreie Kampagne für die Rechte der Palästinenser*innen“ sei.

Der Versuch eines Freibriefs für die BDS-Bewegung

Einmal abgesehen davon, dass es sich bei BDS um eine Bewegung handelt, der es nicht um das Wohlergehen des Palästinenser geht, sondern um die Zerstörung Israels: Die „Prinzipien“ der arabischen Intellektuellen, die für den offenen Brief verantwortlich zeichnen, stellen genau jene Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staates dar, die von der IHRA völlig zu Recht als Formen des (israelbezogenen) Antisemitismus angesehen werden.

„Ethnisch exklusiver und expansionistischer Staat“, „ethnische Säuberungen“, „institutionelle und konstitutionelle Diskriminierung“ – es mangelt nicht an monströsen Vorwürfen gegenüber Israel, die nichts mit legitimer Kritik zu tun haben, dafür aber viel mit einer Verteufelung und einer Negierung des Existenzrechtes des jüdischen Staates.

Wenig überraschend kommen die Palästinenser in der Erklärung nur als Opfer vor, so, als gäbe es keine Organisationen wie die Hamas oder den Islamischen Jihad, deren Ziel die Vernichtung Israels ist und zu deren Mitteln etwa Raketenangriffe, Bombenanschläge, Selbstmordattentate und Messerattacken gehören. Auch vom Antisemitismus in seiner islamistischen Variante, der sich bekanntlich längst nicht „nur“ israelbezogen äußert, ist mit keinem Wort die Rede. Ein weiterer Beleg dafür, dass es bei den Urhebern und Unterzeichnern mit dem Kampf gegen den Hass auf Juden in allen seinen Formen dann doch nicht so weit her ist.

Zu den Intellektuellen, die den Brief unterzeichnet haben, gehören solch schillernde Figuren wie die BDS-Aktivisten Elias Khoury, Rashid Khalidi und Lila Abu-Lughod; die beiden Erstgenannten waren auch für die PLO tätig. Dass man gerade in der BDS-Bewegung die IHRA ablehnt, ist nur folgerichtig, denn deren Antisemitismus-Definition bildet eine zentrale Grundlage beispielsweise für die Parlamente, die BDS als antisemitisch verurteilt haben. Insofern ist das Statement nicht zuletzt der Versuch, der Bewegung einen Freibrief auszustellen.

Neu sind die dazu vorgetragenen Argumente allesamt nicht, überzeugend erst recht nicht. Der offene Brief bestätigt vielmehr die IHRA-Definition ganz besonders dort, wo er sie zu widerlegen glaubt. Und ganz sicher stellt er keinen Beitrag zum Kampf gegen den Antisemitismus dar, sondern vielmehr die Verharmlosung von dessen israelbezogener und islamistischer Variante.

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