Latest News

US-Botschafter verärgert Frankreich mit Kritik an mangelnder Antisemitismusbekämpfung

Der US-Botschafter verärgert Paris mit seiner Kritik an der mangelnden Bekämpfung des Antisemitismus
Der US-Botschafter verärgert Paris mit seiner Kritik an der mangelnden Bekämpfung des Antisemitismus (© Imago Images / Bestimage)

Frankreichs Regierung behauptet immer wieder, der Kampf gegen Antisemitismus habe höchste Priorität, doch Erfolge gibt es keine, ganz im Gegenteil: Die Zahl der antisemitischen Straftaten steigt und steigt.

Die Zahl der in Frankreich registrierten antisemitischen Straftaten ist auf einem Höchststand. Immer wieder werden Juden auf offener Straße überfallen, bespuckt, beschimpft oder verprügelt. Nicht selten filmen sich die Täter dabei, um ihre Attacken in den sozialen Medien zu veröffentlichen. Ihre Angst vor Strafverfolgung ist offenbar gering. Nun aber macht Frankreichs Regierung Ernst, allerdings im Kampf gegen Kritik aus dem Ausland.

Verhasste Kritik

Der neue amerikanische Botschafter in Frankreich, Charles Kushner, wurde vergangene Woche ins Außenministerium zitiert, nachdem er Frankreichs Präsident Emmanuel Macron »mangelnde Maßnahmen« gegen Antisemitismus attestiert hatte. Diese Vorwürfe waren für das Ministerium am Quai d’Orsay »inakzeptabel«, weswegen Kushner umgehend zur Rechenschaft gezogen wurde.

In einem im Wall Street Journal veröffentlichten Beitrag mit dem Titel Ein Brief an Emmanuel Macron hatte Kushner »seine tiefe Besorgnis über den Anstieg des Antisemitismus in Frankreich und die mangelnden Maßnahmen seiner Regierung zu dessen Bekämpfung« ausgedrückt. Er erinnerte daran, dass Antisemitismus zwar »schon lange« das Leben in Frankreich präge, doch seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 habe dieser »explosionsartig zugenommen«.

»Seitdem führen Hamas-freundliche Extremisten und radikale Aktivisten in ganz Europa eine Kampagne der Einschüchterung und Gewalt. In Frankreich vergeht kein Tag, ohne dass Juden auf offener Straße angegriffen, Synagogen und Schulen beschmiert oder jüdische Geschäfte verwüstet werden. Ihr eigenes Innenministerium meldet antisemitische Vorfälle sogar in Vorschulen.«

Öffentliche Äußerungen gegen Israel und Andeutungen einer Anerkennung eines palästinensischen Staates, so Kushner, ermutigten Extremisten, schürten Gewalt und gefährdeten jüdisches Leben in Frankreich. »In der heutigen Welt ist Antizionismus schlicht und einfach Antisemitismus.« Viele französische Juden befürchteten, dass sich die Geschichte in Europa wiederholen könnte: »Eltern ermutigen ihre Kinder zur Auswanderung. Umfragen zeigen, dass die meisten Franzosen glauben, dass es in Europa zu einem erneuten Holocaust kommen könnte. Fast die Hälfte der französischen Jugendlichen gibt an, noch nie vom Holocaust gehört zu haben.«

Der Botschafter appellierte an den französischen Präsidenten, entschlossen zu handeln: »Setzen Sie die Gesetze gegen Hassverbrechen ausnahmslos durch; gewährleisten Sie die Sicherheit jüdischer Schulen, Synagogen und Unternehmen, verfolgen Sie Täter mit aller Härte und verzichten Sie auf Maßnahmen, die der Hamas und deren Verbündeten Legitimität verleihen.«

Das brachte Frankreichs Regierung in Rage. Das Außenministerium bestellte Charles Kushner ein und ließ ihn wissen, dass die Vorwürfe »inakzeptabel« seien: »Sie verstoßen gegen das Völkerrecht, insbesondere gegen die Pflicht, sich nicht in die inneren Angelegenheiten von Staaten einzumischen.«

Dieser Appell ist interessant. Fast im Wochentakt verurteilt Frankreichs Regierung Israel. Wo bleibt da die »Pflicht, sich nicht in die inneren Angelegenheiten von Staaten einzumischen«? Ist das Völkerrecht für die französische Regierung am Ende nur ein Vehikel, um ihre Politik einer französisch-arabischen Entente durchzusetzen und gleichzeitig zu verhindern, dass über die täglichen Angriffe auf Juden in Frankreich gesprochen wird?

Dringend notwendig

Rabbi Abraham Cooper, Direktor für globale soziale Aktionen am Simon Wiesenthal Center, ist »absolut dankbar« für Kushners Kommentar, wie er der Nachrichtenagentur Jewish News Syndicate mitteilte. »Die jüdische Gemeinde in Frankreich befindet sich weiterhin in einer Zwickmühle, und es gibt keinen Spielraum – weder politisch noch sicherheitstechnisch.« Das französische Justizsystem »nimmt Antisemitismus grundsätzlich nicht ernst« und »lässt Mörder laufen«, klagte Cooper.

Emmanuel Macron, der jüngst angekündigt hatte, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, sehe sich selbst als globalen Anführer, aber »man führt nicht, indem man Terrorismus belohnt«, so Cooper weiter. »Vielleicht ist das die Art, wie man in Frankreich führt, aber auf der Weltbühne führt man nicht, indem man den Hamasniks nachgibt.«

Für das American Jewish Committee unterstreicht Kushners Brief die dringende Notwendigkeit entschlossenen Handelns zum Schutz jüdischer Gemeinden. Frankreich und die Vereinigten Staaten müssten nicht nur zusammenarbeiten, sondern im Kampf gegen den zunehmenden Antisemitismus eine führende Rolle übernehmen.

Der gewalttätige Antisemitismus hat im heurigen Sommer in ganz Europa stark zugenommen. Von Januar bis Juni seien allein in Frankreich 646 Fälle von Judenhass registriert worden, darunter Angriffe auf Rabbiner, Vandalismus in Synagogen, Gewaltandrohungen und Angriffe auf Kinder und Erwachsene, listet das Committee auf. Kushners Bemühungen im Kampf gegen den Judenhass seien ein Beispiel für die »Klarheit und Entschlossenheit, die in dieser Zeit erforderlich« seien, so die gemeinnützige Organisation.

Lippenbekenntnisse

Vergleicht man das politische Manövrieren der französischen Regierung angesichts des Antisemitismus im Jahr 2004 mit heute, zeigen sich einige Gemeinsamkeiten, denn damals wie heute ist die Außenpolitik von klarer Parteinahme für die Feinde Israels geprägt. Antisemitische Vorfälle werden stets verurteilt, gleichzeitig aber verbittet man sich, dass auch das Ausland von dem Problem Notiz nimmt.

Ariel Sharon, der damalige israelische Ministerpräsident, warnte schon im Jahr 2004 vor dem fortschreitenden Antisemitismus in Frankreich, wofür er vom französischen Establishment rüde abgekanzelt wurde: »Müsste ich unseren Brüdern in Frankreich einen Rat geben, würde ich ihnen eines sagen: Zieht so schnell wie möglich nach Israel. Das sage ich den Juden auf der ganzen Welt, aber dort halte ich es für ein Muss, und sie müssen sofort umziehen.»

Die Empörung im politischen und journalistischen Frankreich war damals groß. Sharon habe »eine gute Gelegenheit verpasst, den Mund zu halten», reagierte etwa Jean-Louis Debré, damaliger Präsident der Nationalversammlung. »Diese Worte sind unzulässig, inakzeptabel und zudem unverantwortlich.»

In einem Leitartikel der Tageszeitung Le Monde hieß es, Sharons Äußerung sei vom Wunsch motiviert gewesen, Frankreich zu »diskreditieren« und Europa aus einer Lösung der Nahostkrise herauszuhalten. Zeitgleich reiste Außenminister Michel Barnier nach Ramallah zu PLO-Chef Jassir Arafat, dessen Fatah in den Monaten zuvor bei Selbstmordanschlägen in Israel 35 Menschen getötet und über 150 verletzt hatte.

Frankreichs Staatsführung setzte also schon damals auf reine Lippenbekenntnisse. Heute ist es nicht anders: »Antisemitismus und Antizionismus sind die Feinde der Republik«, erklärte Präsident Macron im Jahr 2022. Doch wo sind die Taten?

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir reden Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!