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Britischer Gesundheitsstaatssekretär wegen Antisemitismus und Rassismus entlassen

Der nun wegen Antisemitismus und Rassismus entlassene Andrew Gwynne (re.) mit Ex-Labour-Chef Jeremy Corbyn
Der nun wegen Antisemitismus und Rassismus entlassene Gwynne (re.) mit Ex-Labour-Chef Corbyn (Sophie Brown / CC BY-SA 4.0)

Der britische Staatssekretär Andrew Gwynne verbreitete in einer WhatsApp-Gruppe antisemitische und rassistische Äußerungen.

Der britische Premierminister Keir Starmer hat seinen Staatssekratär für öffentliche Gesundheit und Vorbeugung Andrew Gwynne entlassen, nachdem bekannt geworden war, dass er in einer WhatsApp-Gruppe beleidigende Kommentare veröffentlicht hatte, darunter antisemitische und rassistische Äußerungen. Gwynne wurde zudem von der Labour-Partei suspendiert. Das berichteten britische und israelische Zeitungen.

Als ein Mitglied der Whatsapp-Gruppe den Psychologen Marshall Rosenberg erwähnte, den 2015 verstorbenen Begründer des Konzepts der »Gewaltfreien Kommunikation«, soll Gwynne geschrieben haben, dessen Name klinge »militaristisch und zu jüdisch. Ist er beim Mossad?» Der Labour-Staatssekretär soll sich auch darüber lustig gemacht haben, dass Parteifreunde sich Sorgen wegen Antisemitismus machten. Er schrieb: »Geoffry die Giraffe sagt, wir sollen nicht gemein zu den Juden sein.«

In anderen Texten verspottete Gwynne offenbar Bürger, die sich mit Bitten an Labour-Politiker gewandt hatten, wobei er sich vorstelle, wie eine solche Person von einem Müllwagen »niedergemäht« werde. Wie die Tageszeitung The Guardian berichtete, äußerte Gwynne in einem Kommentar die Hoffnung, dass eine 72-Jährige, die ihm geschrieben hatte, bald sterben werde. Die Frau hatte geschrieben: »Da Sie wiedergewählt wurden, dachte ich, es wäre ein guter Zeitpunkt, Sie bezüglich der Müllabfuhr zu kontaktieren.« In einer fiktiven Antwort, die Gwynne in der WhatsApp-Gruppe veröffentlichte, heißt es: »Lieber Bürgerin, scheiß auf deine Mülltonnen. Ich bin wiedergewählt und zwar ohne deine Stimme. Scheiß auf dich. PS: Hoffentlich krepierst du bald.«

Rassismus und Verhöhnung

Als seine Labour-Kollegin Dianne Abbot im Oktober 2019 die erste Schwarze war, die bei der Befragung des Premierministers im Unterhaus (Prime Minister’s Questions, PMQ) ihre Partei vertrat, soll Gwynne gespottet haben, ihr Auftritt sei »ein Witz« gewesen und sie sei wohl nur deshalb für diese Aufgabe gewählt worden, weil gerade Black History Month sei. Der Black History Month ist ein jährlich begangener Gedenkmonat, der seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten hat, wo er auch als African-American History Month bekannt ist. Dabei soll wichtigen Personen und Ereignissen in der Geschichte der Schwarzen gedacht werden. In Großbritannien wird der Black History Month seit 1987 jedes Jahr im Oktober begangen.

Die WhatsApp-Gruppe mit dem Namen »Trigger me Timber« soll zwischen 2019 und 2022 bestanden und zwanzig bis dreißig Mitglieder umfasst haben, die offenbar allesamt Labour-Politiker sind. Nach seinem Hinauswurf sagte Gwynne, er bedaure seine »völlig unüberlegten Kommentare zutiefst« und entschuldige sich »für jede Beleidigung, die ich verursacht habe. Ich verstehe die Entscheidungen des Premierministers und der Partei vollkommen und werde sie, obwohl ich sehr traurig über meine Suspendierung bin, auf jede mir mögliche Weise unterstützen.»

Ein Labour-Sprecher kommentierte: »Andrew Gwynne wurde administrativ als Mitglied der Labour-Partei suspendiert. Wir untersuchen Kommentare, die in dieser WhatsApp-Gruppe abgegeben wurden, gemäß den Regeln und Verfahren der Labour-Partei. Wenn festgestellt wird, dass Einzelpersonen gegen die hohen Standards verstoßen haben, die von ihnen als Labour-Parteimitgliedern erwartet werden, werden rasch Maßnahmen ergriffen.»

Kurz darauf wurde auch der Labour-Abgeordnete Oliver Ryan suspendiert, der ebenfalls Teil der WhatsApp-Gruppe war. Die Daily Mail meldete: »Herr Ryan beteiligte sich mit anderen an offensichtlich homophoben Wortgefechten, als sie Witze darüber machten, dass ein Labour-Abgeordneter schwul sei.« In einer Reihe von Posts habe Ryan auch nicht näher bezeichnete »grausame Bemerkungen« über einen Labour-Kommunalpolitiker gemacht, der zudem als »lebenslanger Schülerlotse« verhöhnt worden sei.

Antisemitismus als Labour-Kultur

Während der Amtszeit des früheren Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn war die Partei zeitweise zu einer Bastion des Judenhasses geworden, in der manche Mitglieder keine Hemmungen hatten, auch die schlimmsten Stereotype des klassischen Antisemitismus zu äußern, wie etwa dem von den Juden als angeblichen Drahtziehern der amerikanischen Sklaverei, jüdischen Kapitalisten, die den Tod von Arbeitern in Kauf nähmen oder jüdischen Parlamentsabgeordneten, die »auf Israels Lohnliste« stünden.

Corbyn musste im Juli 2019 zugeben: »Die Beweise sind klar genug.« Unter den »schlimmsten Fällen von Antisemitismus« in der Partei, so Corbyn, seien »Holocaustleugnung, krude Stereotypen über jüdische Bankiers, Verschwörungstheorien, die Israel für 9/11 oder die Rothschild-Familie für jeden Krieg verantwortlich machen und sogar ein Mitglied, das zu glauben schien, Hitler sei missverstanden worden.» Corbyn selbst – der die Hamas und die Hisbollah einmal als seine »Freunde« bezeichnete – machte deutlich, dass britische Juden für ihn keine echten Briten sind, als er sagte, diese »Zionisten« verstünden »keine englische Ironie«, obwohl sie doch schon »sehr lange, wahrscheinlich ihr ganzes Leben, in diesem Land gelebt haben«.

Zahlreiche Antisemiten wurden aus der Partei ausgeschlossen, darunter auch Corbyn selbst. Im Oktober 2020 stellte ein Bericht der britischen Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission (EHRC) fest, dass Labour während Jeremy Corbyns viereinhalb Jahren als Parteivorsitzender für »rechtswidrige« Belästigungen und Diskriminierungen gegen Juden verantwortlich sei. In dem Dokument heißt es: »Die Analyse der Gleichstellungsstelle weist auf eine Kultur innerhalb der Partei hin, die im besten Fall nicht genug getan hat, um Antisemitismus zu verhindern und im schlimmsten Fall als eine Kultur angesehen werden könnte, die ihn akzeptiert.»

Keir Starmer, der seit 2020 Labour-Vorsitzender und seit 2024 Premierminister ist und die Bekämpfung des Antisemitismus in der Partei zur Priorität gemacht hat, sagte, die Veröffentlichung des Berichts sei »ein Tag der Schande« für die Partei gewesen und entschuldigte sich bei der jüdischen Gemeinde. Man müsse »ehrlich« sagen, dass Antisemitismus ein »kulturelles Problem« von Labour sei. Jeder, der das Problem des Antisemitismus als übertrieben abtue, sei »Teil des Problems« und sollte »nicht in der Nähe der Labour-Partei sein«.

Bei den Parlamentswahlen am 4. Juli 2024 stimmte laut Umfragen rund die Hälfte der jüdischen Briten für die Labour-Partei; während der Amtszeit von Corbyn war dieser Wert zeitweilig auf 19 Prozent gesunken.

Hinweis: In einer früheren Fassung hatte es geheißen, Andrew Gwynne sei Gesundheitsminister gewesen und nicht Staatssekretär für öffentliche Gesundheit und Vorbeugung. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.

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