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Antisemitische Geiselnahmen und Entführungen (Teil 2)

Passagiere des von Terroristen entführten Schiffes Achille Lauro während ihrer Ankunft in Tel Aviv
Passagiere des von Terroristen entführten Schiffes Achille Lauro während ihrer Ankunft in Tel Aviv (© Imago Images / Dieter Bauer)

Nicht nur unlängst in einer texanischen Synagoge kam es zu einer expliziten Geiselnahme von Juden, auch die Entführung des Kreuzfahrtschiffs Achille Lauro im Jahr 1985 war antisemitisch motiviert.

Der gestern veröffentlichte erste Teil der dreiteiligen Reihe befasste sich im Anschluss an die Geiselnahme in einer texanischen Synagoge – bei der der mit einer Pistole bewaffnete Täter während des Sabbat-Gottesdienstes den Rabbiner und drei weitere Menschen unter Gewaltandrohung festhielt, um eine Judenhasserin freizupressen – mit den Flugzeugentführungen der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) und dem Angriff auf das israelische Olympia-Team in München durch Jassir Arafats Fatah/Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO).

Doch waren dies bei Weitem nicht die letzten antisemitisch motivierten Entführungen und Geiselnahmen.

1976: Entführung nach Entebbe

Am 27. Juni 1976 entführt ein vierköpfiges Kommando Air-France-Flug 139 aus Tel Aviv mit 248 Passagieren an Bord. Die Täter: Mitglieder der Volksfront zur Befreiung Palästinas – Auswärtige Operationen (Popular Front for the Liberation of Palestine – External Operations, PFLP-EO) und zwei Mitglieder der westdeutschen linksextremistischen Terrororganisation Revolutionäre Zellen (RZ), Brigitte Kuhlmann und Winfried Böse.

Die Entführer fordern die Freilassung der von Israel festgehaltenen palästinensischen Gefangenen und der in Europa inhaftierten Terroristen. Nach Zwischenlandungen in Athen und Bengasi (Libyen) landet das Flugzeug in Entebbe, wo der ugandische Diktator Idi Amin die Entführer herzlich willkommen heißt.

Die Israelis und nicht-israelischen Juden wurden von den anderen Passagieren getrennt und in einem alten Terminal festgehalten, in dem Wissen, dass sie jederzeit sterben könnten.

Als sie erfährt, dass die Entführer Juden und Nichtjuden voneinander trennen, beschließt die israelische Regierung eine waghalsige Befreiungsaktion, 3.500 Kilometer von Israel entfernt. Am 3. Juli um 23 Uhr landen vier israelische C-130-Hercules-Transportflugzeuge auf dem Flughafen Entebbe. Kämpfer der Eliteeinheiten stürmen das Terminal und befreien die Geiseln. Oberstleutnant Jonathan (Yoni) Netanjahu, Kommandant der Eliteeinheit (Sayeret Matkal), wird im Einsatz getötet.

Eine Geisel, Sara Guter Davidson, erinnerte sich später:

»Für mich, weil ich von meinen Großeltern und Tanten und Onkeln wusste – sie wurden alle in [dem Nazi-Vernichtungslager] Treblinka umgebracht –, war es ein schreckliches Gefühl, aber unter den Passagieren waren auch Holocaust-Überlebende, die noch [die von den Nazis eintätowierten] Nummern auf ihren Armen hatten.«

Eine andere Geisel, Moshe Peretz, gab an, die Aufteilung der Gruppe habe sich angefühlt »wie eine Exekution«. Als eine der israelischen Geiseln, Yitzhak David, dem deutschen Entführer Böse die in Auschwitz auf seinen Arm tätowierte Nummer zeigte und sagte, er habe geglaubt, dass es ein neues Deutschland gebe, antwortete Böse, er sei kein Nazi, er versuche nur, den Palästinensern zu helfen.

Michel Bacos, der Kapitän von Air France Flug 139, beschrieb die Trennung der Geiseln folgendermaßen:

»Ich wusste genau, was das bedeutet. Ich hatte mich im Juni 1943 den freien französischen Streitkräften von de Gaulle angeschlossen. Zur Zeit von Entebbe war ich 51 Jahre alt und hatte den Krieg miterlebt.

Ich wusste also genau, worum es im Faschismus ging. Ich wusste ganz genau, was die Separation bedeutete und wozu sie führen würde. Ich war ein Drei-Streifen-Marineoffizier mit einer Pilotenausbildung. Ich wollte nicht abhauen und meine Passagiere ihrem Schicksal überlassen, auch wenn man mir sagte, ich könne gehen.«

Bacos und seine Crew beschlossen, die jüdischen Passagiere nicht im Stich zu lassen, selbst wenn sie selbst freikommen könnten:

»Wir würden auf jeden Fall bei den Geiseln bleiben und mit ihnen nach Frankreich zurückkehren. Für mich war das nicht nur eine Frage des Rechts – es hatte mit grundlegenden Werten von Anstand und menschlichem Verhalten zu tun. Es war, einfach ausgedrückt, das Richtige.«

Als Michel Bacos 2019 in Nizza starb, würdigte ihn Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi als »Helden« und schrieb:

»Indem er sich mutig weigerte, Antisemitismus und Barbarei nachzugeben, ehrte er Frankreich.«

1978: Das Küstenstraßenmassaker

Am 11. März 1978 dringt ein elfköpfiges Terrorkommando der Fatah unter Führung von Dalal Mughrabi vom Libanon aus per Boot in Israel ein. Am Strand ermorden die Terroristen die amerikanische Fotografin Gail Rubin. Dann entführen sie auf der Küstenstraße einen Bus. Die Terroristen sprengen den Bus in die Luft und schießen auf die Passagiere, die zu fliehen versuchen. Bei einem Schusswechsel werden Mughrabi und andere Angehörige des Kommandos getötet.

Um die Anführerin des Terrorkommandos macht die Palästinensische Autonomiebehörde heutzutage einen Heldenkult. Zahlreiche Mädchenschulen und Einrichtungen für Frauen sind nach Mughrabi benannt. In einem Schulbuch der Palästinensischen Autonomiebehörde, das dem Verfasser vorliegt, wird sie den Schülern als Vorbild ans Herz gelegt.

1985: Entführung der Achille Lauro

Am 7. Oktober 1985 entführen vier Terroristen der zur PLO gehörenden Palästinensischen Befreiungsfront (PLF) unter dem Kommando von Abu Abbas das Kreuzfahrtschiff Achille Lauro, das zu einer zwölftägigen Mittelmeerkreuzfahrt ausgelaufen war und sich gerade mit 680 Passagieren und etwa 350 Besatzungsmitgliedern an Bord auf der Fahrt von Alexandria nach Port Said im Nordosten Ägyptens befindet.

Ursprünglich hatten sie geplant, beim Einlaufen im israelischen Hafen Aschdod das Feuer auf Israelis zu eröffnen, doch ändern sie ihren Plan, nachdem ihre Tarnung als Touristen aufgeflogen ist: Eine Stewardess, die ihnen hatte Obst bringen wollen, hatte sie in ihrer Kabine beim Reinigen ihrer Waffen überrascht. Zum Zeitpunkt der Geiselnahme sind etwa 650 der 748 Passagiere nicht an Bord, da sie an einem Tagesausflug zu den Pyramiden von Gizeh teilnahmen.

Die Terroristen drohen damit, die an Bord befindlichen Passagiere einen nach dem anderen zu töten, falls Israel nicht umgehend 50 inhaftierte Terroristen freilässt. Namentlich genannt wird der Hisbollahterrorist und Mehrfachmörder Samir Kuntar. Zudem verlangen die Täter die Freilassung des in Frankreich inhaftierten deutschen Neonazis und Stasi-Mitarbeiters Odfried Hepp, der unter dem Kampfnamen Omar Saad Tariq auch die PLF unterstützt hat.

Sollte jemand versuchen, die Passagiere zu retten oder die Geiselnehmer anzugreifen, würden sie das Schiff in die Luft sprengen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, erschießen sie den nach einem zweifachen Schlaganfall an den Rollstuhl gebundenen 69-jährigen jüdischen Amerikaner Leon Klinghoffer.

Einer der Entführer, Magid al-Molqi, schießt zweimal auf Klinghoffer, einmal in den Kopf, dann in die Brust. Dann weist er den Kellner und den Schiffsfriseur an, die Leiche ins Meer zu werfen. Danach den Rollstuhl. Der mit Klinghoffers Blut bespritzte Molqui sagt zu seinen Komplizen: »Ich habe den Amerikaner getötet.«

Er und ein zweiter Entführer, Bassam al-Ashker, gehen dann auf die Brücke. Molqui gibt Kapitän De Rosa Klinghoffers Reisepass und sagt: »Bumm bumm.« Dann übergibt er ihm den Reisepass einer amerikanischen Passagierin und sagt: »Das wird die zweite sein.«

Dazu kommt es nicht. In Port Said dürfen die Terroristen heimlich von Bord gehen. Die Öffentlichkeit glaubt zu diesem Zeitpunkt, es habe kein Blutvergießen gegeben, weil Kapitän De Rosa es wider besseres Wissen so mitgeteilt hat. Klinghoffers Mörder Molqui wird später sagen:

»Ich wählte Klinghoffer, einen Behinderten, damit sie wissen, dass wir kein Mitleid mit irgendjemandem haben, so, wie die Amerikaner, die Israel bewaffnen, nicht in Betracht ziehen, dass Israel Frauen, Kinder und unser Volk tötet.«

Oktober 2000: Entführung und Lynchmord von Ramallah

Die Armeereservisten Vadim Nurzhitz und Yosef »Yossi« Avraham sind an diesem Tag mit einem privaten Fahrzeug unterwegs zu ihrer Einheit, biegen an einer Kreuzung im Westjordanland jedoch falsch ab und steuern dadurch geradewegs auf das Zentrum von Ramallah zu.

An einer palästinensischen Straßensperre werden sie angehalten, zum Aussteigen gezwungen und zur Polizeistation gebracht. Dort werden sie von einer Mob gelyncht. Einer der Täter zeigt am Fenster der begeisterten Bevölkerung seine blutigen Hände, woraufhin frenetischer Jubel ausbricht. Einer der Leichname wird aus dem Fenster geworfen, wo er von der Menge weiter geschändet wird; manche reißen Stücke von Fleisch heraus und halten sie wie Trophäen in die Höhe.

2001: Die Entführung und Ermordung von Ofir Rahum

Am 17. Januar 2001 wird der 16-jährige israelische Schüler Ofir Rahum von der 24-jährigen Palästinenserin Mona Jaud Awana aus Bir Nabala entführt und von Terroristen der von Jassir Arafat gegründeten und von Marwan Barghouti geführten Tanzim-Brigade ermordet.

Nach vielen Wochen, in denen Mona über das Instant-Messenger-Programm ICQ lange private Gespräche auf Englisch mit Rahum führte und sich dabei als jüdische Immigrantin aus Marokko namens Sally ausgab, gelingt es ihr, Ofirs Vertrauen zu gewinnen und ihn dazu zu bringen, sich mit ihr in Jerusalem zu treffen, angeblich aus romantischen Gründen.

Als er zu dem Treffen kommt, fährt sie ihn durch die Grenzkontrolle in das von den Palästinensern kontrollierte Gebiet zu einem abgelegenen Gelände am Stadtrand von Ramallah, wo palästinensische Terroristen aus nächster Nähe auf ihn schießen, während Mona daneben steht und zusieht.

2002: Die Entführung und Ermordung von Daniel Pearl

Am 23. Januar 2002 ist der amerikanische Wall-Street-Journal-Journalist Daniel Pearl auf dem Weg zu einem Interviewtermin in der Nähe der pakistanischen Metropole Karachi, als er von einer Terrorgruppe entführt wird, die sich Nationale Bewegung für die Wiederherstellung der pakistanischen Souveränität nennt. Sie verlangt von der US-Regierung die Freilassung aller wegen Terrorverdachts inhaftierten Pakistaner und den Stopp von Rüstungslieferungen an Pakistan.

Am 1. Februar 2002 wird Pearl ermordet und enthauptet. Anschließend veröffentlicht die Gruppe ein Video, in dem Pearle zu sehen ist, wie er sagt:

»Mein Name ist Daniel Pearl. Ich bin ein jüdischer Amerikaner aus Encino, Kalifornien, USA. Ich komme aus, äh, väterlicherseits ist die Familie zionistisch. Mein Vater ist Jude, meine Mutter ist Jüdin, ich bin Jude. Meine Familie folgt dem Judaismus. Wir haben zahlreiche Familienbesuche in Israel gemacht.«

Einer der Täter, Khalid Scheich Mohammed, gesteht später vor Gericht:

»Ich habe in der Stadt Karachi, Pakistan, mit meiner gesegneten rechten Hand den Kopf des amerikanischen Juden Daniel Pearl abgetrennt.«

2006: Die Entführung von Regev und Goldwasser

Am 2. Juli 2006 dringen Hisbollah-Kämpfer aus dem Libanon in israelisches Territorium ein. Sie überfallen zwei israelische Militärfahrzeuge aus dem Hinterhalt, töten drei Soldaten und entführen zwei weitere: Eldad Regev und Ehud Goldwasser.

Der Angriff löst den zweiten Libanonkrieg aus, den der damalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert mit dem Ziel führt, Regev und Goldwasser zu befreien.

Zwei Jahre später, als Olmert zustimmt, den in Israel inhaftierten Hisbollah-Terroristen und Kindermörder Samir Kuntar im Austausch gegen Regev und Goldwasser freizulassen, erhalten Regevs und Goldwassers Angehörige nur zwei Särge zurück; die beiden waren an den Verletzungen gestorben, die sie bei dem Hisbollah-Überfall erlitten hatten.

2006: Die Entführung und Ermordung von Ilan Halimi

Ilan Halimi, ein französischer Jude aus Paris, wird am 21. Januar 2006 von einer Gruppe entführt, die sich »Barbarenbande« nennt. Die Entführer, die glauben, dass alle Juden reich seien, kontaktieren wiederholt die in bescheidenen Verhältnissen lebende Familie des Opfers und fordern sehr hohe Geldsummen. Ilan Halimi wird 24 Tage lang gefangen gehalten. Die Täter foltern ihn mit Messern, Säure und brennenden Flüssigkeiten und laden dazu ihre Freunde ein, ehe sie Halimi töten.

Im hier erschienen ersten Teil geht es u. a. um die Flugzeugentführerin Leila Khaled von der Terrororganisation PFLP, die zu einer Ikone der Israelboykottbwegung BDS geworden ist. Der dritte Teil handelt von der Frage, was antisemitische Geiselnehmer antreibt, Juden als Gefangene nehmen und so viele wie möglich töten zu wollen, bevor sie selbst als »Märtyrer« sterben?

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