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Antisemitische Anschlagsserie in Australien geht weiter

Beschmiert und angezündet: wieder wurde eine Synagoge in Australien zum Ziel eines antisemitischen Anschlags
Beschmiert und angezündet: wieder wurde eine Synagoge in Australien zum Ziel eines antisemitischen Anschlags (Quelle: Twitter)

Der Brandanschlag auf eine Kindertagesstätte ist der jüngste Akt in einer Serie von rasch aufeinanderfolgenden antisemitischen Anschlägen im australischen Sidney.

In der australischen Metropole Sydney wurde am frühen Dienstagmorgen eine Kindertagesstätte, die neben einer Synagoge und einer jüdischen Schule liegt, in Brand gesteckt. Die Wände der Einrichtung wurden mit antisemitischen Parolen besprüht. Das Gebäude erlitt erheblichen Schaden, es gab jedoch keine Berichte über Verletzte.

Dies ist der jüngste Akt in einer Serie von rasch aufeinanderfolgenden antisemitischen Anschlägen in der Stadt. Tage zuvor hatte es Brandanschläge auf die Synagogen von Sydneys innerstädtischem Viertel Newtown und auf die Southern Sydney Synagogue im Vorort Allawah gegeben. Das Muster ist immer das gleiche: Brandstiftung, verbunden mit dem Sprühen von antisemitischen Parolen oder Hakenkreuzen.

Premierminister Anthony Albanese von der sozialdemokratischen Laborpartei bezeichnete den jüngsten Vorfall als »bösartiges Verbrechen«. Albaneses Parteifreund, der Premierminister von New South Wales, Chris Minns, bezeichnete den Angriff während einer Pressekonferenz als »völlig widerlich«. Er kündigte an, dass »diese Bastarde von der Polizei von New South Wales festgenommen werden. Wir werden jeden Stein umdrehen, um den grassierenden Antisemitismus und die Gewalt in unserer Gemeinschaft zu bekämpfen. Das wird niemals toleriert werden.«

Albanese muss sich voraussichtlich im Mai Wahlen stellen; die Opposition kritisiert ihn als »schwach«, weil er gegen die Serie antisemitischer Verbrechen nicht genügend unternehme, um Hassverbrechen gegen Juden zu verhindern. Als Reaktion auf die Welle des Antisemitismus hat die Polizei letzten Monat eine Task Force eingerichtet, um bei Drohungen und Gewalt gegen die jüdische Gemeinde zu ermitteln.

Nun kann sie offenbar erste Erfolge präsentieren. Die Behörden gaben am Mittwoch die Festnahme eines 33-jährigen Mannes bekannt, dem vorgeworfen wird, Anfang des Monats eine Synagoge in Sydney verwüstet und versucht zu haben, sie in Brand zu stecken.

Monatelang hatte Albanese Forderungen nach einer gemeinsamen Sondersitzung von Bundes- und Staatsregierungen (Nationalkabinett), die sich mit den antisemitischen Anschlägen befasst, zurückgewiesen. Nach dem Anschlag auf die Kindertagesstätte kam er ihnen dann am Dienstag doch nach und organisierte eine Onlinekonferenz, bei der Bundespolizeikommissar Reece Kershaw die Teilnehmer über die neuesten polizeilichen Erkenntnisse informierte.

Seitdem die Operation Avalite der australischen Bundespolizei (AFP) von Premierminister Albanese ins Leben gerufen wurde, erhielt sie 166 Hinweise, von denen fünfzehn untersucht werden. Bisher wurde eine Person festgenommen. Im Rahmen der von Premierminister Minns gegründeten Strike Force Pearl von New South Wales wurden 36 Personen wegen antisemitischer Straftaten angeklagt. Der von Premierminister Allan im Bundesstaat Victoria ins Leben gerufenen Operation Park gelangen siebzig Festnahme im Zuge ihrer Ermittlungen.

Verschärfte Maßnahmen

Das Kabinett beschloss nun, eine nationale Datenbank zur Verfolgung antisemitischer Straftaten und anderer antisemitischer Vorfälle einzurichten. Der Zweck eines nationalen Meldesystems besteht darin, die Reaktionen auf antisemitische Vorfälle besser zu koordinieren. Auch sollen die Generalstaatsanwälte des Commonwealth, der Bundesstaaten und der Territorien daran arbeiten, »bewährte Verfahren« zwischen den Gerichtsbarkeiten auszutauschen.

Zu den bereits früher beschlossenen Maßnahmen gehören unter anderen:

  • die Ernennung einer Sondergesandten Australiens zur Bekämpfung von Antisemitismus,
  • Kriminalisierung von Doxxing – der böswilligen Veröffentlichung persönlicher Informationen,
  • die Bereitstellung von 25 Mio. Dollar für mehr Sicherheit an jüdischen Einrichtungen im ganzen Land einschließlich Schulen,
  • zusätzliche 32,5 Mio. Dollar für Sicherheitsmaßnahmen in Schulen und Synagogen,
  • 250.000 Dollar für den Ersatz und die Restaurierung der Thorarollen in der einem Brandanschlag zum Opfer gefallenen Adass Israel Synagoge,
  • Einführung eines Gesetzes zur Kriminalisierung von Aufforderung zur oder Androhung von Gewalt gegen Einzelpersonen oder Gruppen aufgrund ihrer Identität oder ihres Glaubens,
  • Untersuchung des Antisemitismus an Universitäten im Gemeinsamen Parlamentarischen Ausschuss für Menschenrechte.

Die Regierung hat außerdem einen Notstand für die zerstörte Kindertagesstätte erklärt, wodurch während eines festgesetzten Zeitraums finanzielle Unterstützung durch den Commonwealth garantiert wird. Die Regierungen von Australien und New South Wales haben sich außerdem bereit erklärt, alle Kosten für den Wiederaufbau der Kindertagesstätte, die nicht von der Versicherung gedeckt werden, zu gleichen Teilen zu übernehmen.

Spur ins Ausland?

Überraschend teilte Bundespolizeikommissar Reece Kershaw diese Woche mit, die Ermittler untersuchten, ob die Anschläge mit Geld aus dem Ausland finanziert worden seien: »Wir untersuchen, ob ausländische Akteure oder Einzelpersonen örtliche Kriminelle in Australien bezahlt haben, um einige dieser Verbrechen in unseren Vororten zu begehen. Teil unserer Ermittlungen ist: Wer bezahlt diese Kriminellen, wo sind diese Leute, sind sie in Australien oder im Ausland und was ihre Motivation ist.«

Denkbar sei, so hieß es weiter, dass Kryptogeld wie der Bitcoin dafür benutzt würden, um Spuren zu verwischen. Weder Albanese noch die Polizei nannten Einzelheiten darüber, welche Beweise zum aktuellen Verdacht einer ausländischen Beteiligung geführt haben. Es erinnert an Spekulationen in Frankreich, über die Mena-Watch im Mai vergangenen Jahres berichtet hatte. Damals hieß es in französischen Medien unter Berufung auf anonyme Quellen in Sicherheitskreisen, eine Serie antisemitischer Schmierereien in Paris sei womöglich von Russland in Auftrag gegeben und finanziert worden, um »Frankreich zu destabilisieren«.

In beiden Fällen sollte man Theorien über eine ausländische Beteiligung skeptisch gegenüberstehen, solange der Öffentlichkeit keinerlei Belege dafür vorliegen. Solche Spekulationen können geeignet sein, die Größe des Antisemitismus-Problems herunterzuspielen und sie von einer gesellschaftlichen Krise zu einer Geheimdienstintrige herunterzustufen. Im schlimmsten Fall spielen sie gar jenen in die Hände, die hinter den Gewalttaten in aller Welt den israelischen Geheimdienst vermuten.

Australiens Rat der jüdischen Gemeinden (Executive Council of Australian Jewry) registrierte im Zwölfmonatszeitraum vom 1. Oktober 2023 bis zum 30. September 2024 2.062 antijüdische Vorfälle. Eine solche Welle des Antisemitismus lässt sich nicht damit erklären, dass jemand im Ausland ein paar – womöglich unpolitischen – Kriminellen Geld gibt, um sie zu solchen Taten anzustiften. Die Hypothese ist nahe an einer Verschwörungstheorie angesiedelt, zumal sich der Antisemitismus ja auch auf die australischen Grünen erstreckt.

Vielmehr ist anzunehmen, dass es ebenso wie in Europa auch in Australien unter den autochthonen Israelhassern oder Einwanderern aus islamischen Ländern manche gibt, die nur allzu bereit sind, Gewalt gegen Juden zu verüben, ohne dass sie durch Zahlungen extra motiviert werden müsste. Es dürfte das gleiche Milieu sein, das am 12. Januar in Melbourne gegen Israel demonstrierte. Dabei wurden proisraelische Gegendemonstranten mit Geldstücken beworfen – im Geist des bekannten antisemitischen Stereotyps – und ihnen zugerufen: »Geht zurück nach Deutschland! Geht zurück nach Polen!«

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