„Während wegen des neuerlichen mutmaßlichen Chemiewaffenangriffs in Syrien weiter ermittelt wird, ist eine Gruppe einflussreicher Onlineaktivisten fleißig dabei, ihre Version der Ereignisse zu verbreiten. (…) Obgleich der Hergang in Douma noch nicht abschließend aufgeklärt worden ist, ist sich eine Ansammlung einflussreicher Aktivisten in den sozialen Medien sicher, dass sie genau wissen, was sich am 7. April zugetragen hat. Sie haben eine Theorie aufgegriffen, die russische Regierungsvertreter und Staatsmedien zunächst lancierten. Demnach seien die Angriffe entweder ‚inszeniert’ worden, oder es habe sich um eine Operation unter falscher Flagge gehandelt, die von Dschihadisten oder Spionen ausgeführt worden sei, um der Assad-Regierung die Schuld zuschieben und eine westliche Intervention rechtfertigen zu können. Zu dieser Gruppe gehören Aktivisten und Menschen, die sich selbst als ‚unabhängige Journalisten’ bezeichnen. Mehrere von ihnen haben auf Twitter zehn- oder hunderttausende Anhänger.
Die Aktivisten bezeichnen sich als Kriegsgegner. Da sie das militärische Vorgehen der syrischen Regierung gegen die Aufständischen, die Assad stürzen wollen, und die russischen Luftschläge, die sie dabei unterstützen, im allgemeinen gutheißen, sollten sie sich allerdings eher als ‚Gegner einer westlichen Intervention’ oder ‚Unterstützer der syrischen Regierung’ bezeichnen. Ihrem Narrativ zufolge stecken die internationalen Medien über das gesamte politischen Spektrum hinweg sowie die Menschenrechtsorganisationen irgendwie heimlich mit den westlichen Regierungen, Saudi-Arabien, dem Islamischen Staat und Al-Qaeda unter einer Decke. Sie alle seien an einer klandestinen Verschwörung zur Übernahme Syriens beteiligt. (…)
Die Schwierigkeiten bei der Berichterstattung aus Syrien selbst hätten ein Informationsvakuum geschaffen, das zum Teil von höchst tendenziösen Quellen gefüllt werde, so Scott Lucas, ein Professor für Internationale Politik an der University of Birmingham, der den Nachrichten- und Analysedienst EA Worldview betreibt. ‚Mit Journalismus hat das nichts zu tun, es beruht nicht auf verlässlicher unabhängiger Berichterstattung’, so Lucas. ‚Es ist absolut richtig, sämtliche Angaben zu den Ereignissen kritisch zu hinterfragen, auch die offiziellen’, erklärt er. ‚Entscheidend ist aber, dass man nicht bereits mit einer bestimmten Version beginnt, sondern anhand der Fakten ermittelt, was unwahr sein könnte oder wo man es womöglich sogar mit Desinformation zu tun hat.’ ‚Im Moment besteht die Gefahr darin, dass unzuverlässige Informationen immer häufiger auch von etablierten Medien, die wir für zuverlässig halten, aufgegriffen werden’, so Lucas.“ (Bericht auf BBC Trending: „Syria war: The online activists pushing conspiracy theories“)