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Ansaar International: Harmlose Brunnenbauer oder Terrorhelfer?

Ansaar International (Quelle: Trending Topics 2019,CC BY 2.0)

Der Verfassungsschutz NRW stuft die Organisation als salafistisch ein und vermutet Hamas-Unterstützung – dagegen wollte der Verein klagen, scheiterte aber zumindest vorerst.

Laut Eigenbeschreibung ist der „Ansaar International e. V.“ eine gemeinnützige Organisation, die Projekte in 46 Ländern unterstützt oder selbst durchführt, dabei viel Gutes tut, z. B. Waisenhäuser und Brunnen bauen. Als alles andere als harmlos stuft sie indes das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Nordrhein-Westfalen (NRW) ein. Dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2018 zufolge ist die Organisation dem salafistischen Spektrum zuzuordnen und soll die Lücke gefüllt haben, die nach dem Verbot der Koran-Verteilaktion „Lies“, bzw. der dahinterstehenden  Organisation „Die wahre Religion“ (DwR), entstanden sei.

Das Bundesinnenministerium (BMI) ermittelt derzeit gegen „Ansaar International“ wegen des Verdachts, die Terrororganisation Hamas zu unterstützen. Deshalb wurden im April 2019 bundesweit 90 Objekte durchsucht, es gab Beschlagnahmungen und die Konten wurden gesperrt. Ein Ergebnis dieser Ermittlungen liegt derzeit noch nicht vor, die Organisation bestreitet allerdings alle Vorwürfe. Gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht wollte der Verein den Klageweg beschreiten, das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage am vergangenen Mittwoch jedoch zurück.

„Um Allahs Wohlgefallen Gutes tun“

Auf der Webseite von „Ansaar International“ ist von mehr als 100 Projekt-Kategorien die Rede:

Wir bauen Krankenhäuser, Waisenhäuser, Witwenheime und Brunnen, leisten Nothilfe für Witwen und Flüchtlinge weltweit, Verletzte, Hungernde, Frierende und Hilfelose, haben hunderte Waisenkinder in Patenschaften, führen Waisenschulen und Fördern die Bildung und Ausbildung, bauen Moscheen und Qur’anschulen, Wasserwerke, betreuen Altersheime, Kriegsopfer und mehrere Waisenhäuser. Wir betreiben aktive Nothilfe für Menschen in Kriegsgebieten und liefern dort hin alles, was nötig ist – vom Krankenwagen bis zur Medizin und Lebensmitteln. Neuerdings sind wir auch im Bereich ‚Entwicklungshilfe‘ und ‚Katastrophenschutz‘ tätig geworden.“

Klar, wer so viel Gutes tut, kann natürlich auf Allahs Hilfe nicht verzichten – und möchte diese auch an die Empfänger der Spenden weitergeben, weshalb der Bau von Moscheen und Koranschulen im Repertoire nicht fehlen darf.

Im Bericht des Verfassungsschutzes ist hingegen nicht von Brunnen und Waisenhäusern die Rede, sondern von Salafismus:

„In den Fokus des Verfassungsschutzes NRW ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Verein WWR-Help. WorldWide Resistance-Help e. V. (WWR-Help e. V.) gerückt. Dieser im August 2014 gegründete Verein mit Sitz in Neuss bezeichnet sich als Hilfsverein zur Unterstützung und Förderung von Kriegsopfern, Kriegshinterbliebenen, Kriegsgefangenen sowie hilfsbedürftigen und notleidenden Menschen in Kriegs- und Krisengebieten. Im Vordergrund seiner Aktivitäten steht die Hilfe für Menschen im Gazastreifen. Der Verein führt seine Spendenkampagnen hauptsächlich auf seinem eigenen Internetauftritt (www.wwr-help.org) und über Social Media-Plattformen durch.

Es besteht eine enge Verbindung des Vereins zu Ansaar International. So sind verwandtschaftliche und organisatorische Verknüpfungen zwischen den beiden Vereinen erkennbar. Aufgrund der engen Verknüpfungen wird WWR-Help e. V. als Teilorganisation von Ansaar International bewertet. Auch wenn Ansaar öffentliche Veranstaltungen mit bekannten extremistischen Salafisten vermeidet, ist keine Abkehr des Vereins von extremistisch-salafistischen Bestrebungen zu erkennen, da weiterhin eine intensive Zusammenarbeit mit Personen aus der Szene erfolgt.

Beim aktiven Personenkreis gibt es mittlerweile einige Überschneidungen zwischen Ansaar und dem im Jahr 2016 verbotenen Netzwerk Die Wahre Religion / Lies! Dies deutet darauf hin, dass Ansaar International in der extremistischen Szene ein Vakuum füllen könnte, das durch den Wegfall von Lies! entstanden ist.

Gegen den Verein wurden am 10.04.2019 umfangreiche vereinsrechtliche Ermittlungsmaßnahmen durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durchgeführt. Hierzu wurden mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen zahlreiche dem Verein des Landes Nordrhein-Westfalen 2018 zuzurechnende Objekte durchsucht und Asservate gesichert. Grund für das Verfahren sind Hinweise auf Verstöße gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere durch die Weiterleitung von Spendengeldern an die Hamas-Organisation im Gazastreifen.“

Rekrutierung von Jugendlichen für den IS?

Dieser Eintrag im Verfassungsschutzbericht 2018 für das Land NRW und ähnliche Einschätzungen in den Vorjahren gefallen dem Verein nicht, weshalb er den Klageweg beschritt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage am vergangenen Mittwoch ab.

Unter Anderem wird  die Nähe zum salafistischen Spektrum von den Behörden daran festgemacht, dass die damals 15jährige Konstanzerin Sarah O. sich nach dem Besuch einer Benefiz-Veranstaltung von „Ansaar International „zur Ausreise nach Syrien in IS-Gebiet entschlossen haben soll. Das würde ins Bild der Koran-Verteilaktion „Lies“ passen, die – zusammen mit der dafür verantwortliche Organisation „Die wahre Religion“ (DWR) – ebenfalls verboten wurde, weil ein Zusammenhang zwischen deren Dawa (Missionierung) und der gezielten Anwerbung von Jungendlichen und Jungerwachsenen zum IS dem Gericht seinerzeit gegeben schien. Der Berliner Menschenrechtsanwalt Hans-Eberhard Schulz versuchte damals, das Verbot zu verhindern. Damit scheiterte er jedoch bzw. wurde die Klage zurückgezogen, womöglich, weil „Lies“-Initiator und DwR-Gründer Abou Nagie sich ins Ausland abgesetzt hatte.

Auch Syrien-Rückkehrerin Omaima A., die kürzlich in Hamburg verhaftete Witwe von Deso Dog, unterhielt Kontakte zu „Ansaar International“. Das ist durch die libanesische Journalistin Jenan Moussa bekannt geworden, der das Handy der inzwischen als selbstständige Eventmanagerin in Hamburg lebende Omaima A. in die Hände fiel. So hatte Jenan Moussa auch Zugriff auf den Facebook-Account von Omaima A. Die Journalistin stellte fest, dass die IS-Witwe auf der Facebook-Seite der Organisation „Ansaar International“ kommentiert hatte: Vier Tage nachdem es bei dem bundesweit agierenden Verein eine Großrazzia gab, fragte sie nach, wann das Hamburger Spendenlager geöffnet sei. Der Beitrag wurde inzwischen gelöscht.

Selbstverständlich hat der Verein keinen Einfluss darauf, wer ihm Spenden zukommen lässt. Aber die Durchführung von Benefiz-Veranstaltungen liegt in der eigenen Verantwortung. Wenn anschließend Jugendliche in den Dschihad aufbrechen, wirft das Fragen auf. Nicht nur das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), sondern auch das Düsseldorfer Verwaltungsgericht ist offenbar von davon überzeugt, dass es einen Zusammenhang zwischen den Veranstaltungen und der Ausreise von Jugendlichen zum IS gibt; weshalb „Ansaar International“ vermutlich auch im nächsten Jahresbericht des LfV NRW zu lesen sein wird.

Ob sich der Vorwurf der Hamas-Unterstützung erhärtet, werden die Ermittlungen des Bundesinnenministeriums ergeben.

Mehr zum Thema auf Mena-Watch: Rote Karte für den Salafistenfreund

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