Der Anruf, der Fuad Shukr in den Tod lockte

Das Appartementhaus, in dem Fuad Shukr getötet wurde. (© imago images/NurPhoto)
Das Appartementhaus, in dem Fuad Shukr getötet wurde. (© imago images/NurPhoto)

Am Wochenende wurden neue Details darüber bekannt, wie es Israel gelang, den Militärchef der Hisbollah Fuad Shukr zu eliminieren.

Nach der Tötung ihres Militärchefs begann in der libanesischen Terrorgruppe Hisbollah eine hektische Suche nach der Sicherheitslücke, die Fuad Shukr letztlich das Leben gekostet hat. Am Abend des 30. Juli schlug eine israelische Rakete in ein Appartementgebäude im Beiruter Vorort Dahieh ein, das als Hochburg der Hisbollah gilt. Bei dem Angriff wurden Shukr, seine Ehefrau und vier weitere Personen getötet; und nach Angaben der Hisbollah über siebzig Menschen verletzt.

Das Wall Street Journal brachte in einem am Wochenende veröffentlichten Artikel nun ein wenig Licht hinter die Frage, wie es der israelischen Armee gelungen war, ausgerechnet jenen Mann zu eliminieren, der nicht nur im Visier Israels stand: Für seine Beteiligung an den Selbstmordanschlägen auf die Quartiere amerikanischer und französischer Truppen in Beirut im Oktober 1983, bei denen zweihunderteinundvierzig US-Marines und achtundfünfzig französische Soldaten getötet wurden, hatte das amerikanische Außenministerium fünf Millionen Dollar Belohnung für Informationen ausgesetzt, die dazu beitragen würden, Shukr zur Verantwortung zu ziehen.

Laut Wall Street Journal, das sich auf einen Hisbollah-Vertreter beruft, hatte Shukr am frühen Abend einen Anruf erhalten, der ihn dazu brachte, in seine im siebenten Stockwerk des Hauses gelegene Wohnung zu gehen, wo gegen neunzehn Uhr die israelischen Raketen einschlugen. Anscheinend war er in die obere Etage gelockt worden, wo er inmitten der umliegenden Gebäude leichter zu treffen war.

Verstärkte Sicherheitsvorkehrungen

Seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 hält die Hisbollah einen beständigen Raketenbeschuss Israels aufrecht, den die israelischen Streitkräfte mit Angriffen auf Hisbollah-Kämpfer und Stellungen der Terrororganistaion beantworten. Dabei sollen im Laufe der Monate rund vierhundert teils hochrangige Hisbollah-Mitglieder getötet worden sein.

Um die eigenen Verluste zu reduzieren, ordnete Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah seinen Mannen und deren Familien im heurigen Februar an, keine Mobiltelefone mehr zu verwenden. »Gebt euer Telefon auf, deaktiviert es, vergrabt es, schließt es in eine Metallbox ein«, habe Nasrallahs Aufforderung gelautet. Auch in der internen Kommunikation soll nur mehr eine codierte Sprache verwendet worden sein, um den Israelis die Ortung der Hisbollah-Angehörigen zu verunmöglichen.

Die Sicherheitsvorkehrungen wurden laut Wall Street Journal noch einmal erhöht, nachdem am 27. Juli eine Hisbollah-Rakete auf einem Fußballplatz in der drusischen Stadt Majdal Shams am israelisch kontrollierten Golan eingeschlagen war und zwölf Kinder getötet hatte. In Erwartung einer militärischen Reaktion Israels forderte die Hisbollah noch am Morgen vor Shukrs Tod ihre hochrangigen Kommandeure auf, sich im Land zu zerstreuen und unterzutauchen.

Da die Terrorgruppe nicht wusste, ob Shukr dieser Anweisung nachgekommen war oder nicht, war nach dem israelischen Angriff am Abend zunächst unklar, ob er sich unter den Toten befand, die aus dem Schutt geborgen wurden. Es dauerte einige Zeit, bis auch seine Leiche gefunden wurde, die von der Explosion in ein Nachbargebäude geschleudert worden sein soll.

Tötungen effektiv

In Medienberichten wird immer wieder behauptet, die gezielte Tötung von hochrangigen Terroristen bringe nicht viel. »Die Tötung von Top-Terroristen hat realpolitisch wenig Wert«, behauptete unlängst beispielsweise der Standard-Journalist Eric Frey. Selbst wenn Terrorgruppen dadurch »vorübergehend geschwächt« würden, sei es »nur eine Frage der Zeit«, bis neue Terroristen an die Stelle der getöteten treten würden.

Einige Sicherheitsexperten schätzen das ganz anders ein: »Diese gezielten Tötungen haben eine kumulative Wirkung auf die Einsatzfähigkeit der Organisation«, zitiert das Journal etwa die israelische Hisbollah-Expertin Carmit Valensi vom Institute for National Security Studies in Tel Aviv.

Dem ist hinzuzufügen, dass solche Operationen umso effektiver sind, je wichtiger die ins Visier genommenen Personen sind. Fuad Shukr, die Nummer zwei der Hisbollah, der über Jahrzehnte hinweg den Terror- und Militärapparat der Gruppe maßgeblich mitaufgebaut hat, ist mit all seinem Wissen und seiner Erfahrung schlicht nicht ohne Weiteres ersetzbar.

Ähnliches galt für Qassem Soleimani, den Kommandeur der für Auslandseinsätze der iranischen Revolutionsgarde zuständigen Quds-Einheit, der Anfang 2020 beim Flughafen von Bagdad bei einem amerikanischen Drohnenangriff getötet wurde. Kaum jemand dürfte ernsthaft bezweifeln, dass die Tötung Soleimanis ein schwerer Schlag für die Revolutionsgarde war und es ihnen bis heute nicht gelungen ist, einen adäquaten Ersatz zu finden.

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