Israel wird das iranische Atomprogramm voraussichtlich nicht angreifen, sondern sich auf verschiedene Arten von Militärstützpunkten und Geheimdienststandorten konzentrieren.
Wie es in einem Bericht der New York Times (NYT) heißt, ist allerdings davon auszugehen, dass Israels Reaktion auf den iranischen Angriff vom 1. Oktober dennoch viel umfangreicher sein wird als die Vergeltungsmaßnahme vom 19. April, als das iranische S-300-Flugabwehr-Raketensystem nahe der Nuklearanlage Isfahan angegriffen und beschädigt wurde.
Obwohl der aktuelle Kontext von Befürwortern eines Angriffs auf die Nuklearanlagen als wohl einmalige Gelegenheit bezeichnet wird, deuteten Quellen darauf hin, dass ein solcher Schlag nicht unbedingt mit den vom Sicherheitskabinett festgelegten aktuellen Kriegszielen vereinbar wäre, heißt es in einem Artikel der Jerusalem Post (JP).
Neben der Befreiung der Geiseln, dem Sieg über die Hamas und der sicheren Rückkehr der evakuierten Bewohner des israelischen Nordens in ihre Heimat nahe der libanesischen Grenze besteht ein weiteres formelles Ziel darin, in einen regionalen Krieg nicht hineingezogen zu werden, insbesondere nicht mit dem Iran.
Sollte Israel die iranischen Nuklearanlagen angreifen, könnte dies jedoch dazu führen, so die Befürchtung des israelischen Sicherheitskabinetts und der Streitkräfte, was die Möglichkeit Jerusalems erheblich beeinträchtigen könnte, die Hamas zu besiegen und eine sicherere Situation im Kampf mit der Hisbollah im Libanon zu erreichen. Der iranische Angriff sei nach Ansicht dieser Beamten keine Kriegsdrohung gewesen, sondern der Versuch Teherans, die Abschreckung gegenüber Israel wiederherzustellen, nachdem es dem israelischen Militär gelungen ist, die beiden größten »Versicherungspolizzen« des Irans, die Hisbollah und die Hamas, weitgehend auszuschalten.
Verschiebung der Aufmerksamkeit?
Sollte Israel die Gelegenheit, dass der Iran das Land zum zweiten Mal innerhalb von sechs Monaten direkt angreift, nicht dazu nutzen, Teherans Atomprogramm endgültig zu zerschlagen, widerspräche dies allerdings den jahrzehntelangen Aussagen einiger führender israelischer Politiker. So haben Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant beide die Beseitigung der iranischen nuklearen Bedrohung als eines der wichtigsten Ziele ihrer Amtszeit bezeichnet.
Haben diese Politiker und andere Mitglieder des Verteidigungsapparats von einer solchen Option zugunsten eines Angriffs auf iranische Militär- und Geheimdienststützpunkte Abstand genommen, würde dies eine Verschiebung bedeuten, bei der Gaza und der Libanon direkt als größere Sicherheitsprobleme als der Iran hervorgehoben werden, hält Yonah Jeremy Bob in seiner JP-Analyse fest.
Obwohl die israelischen Kriegsziele solch eine Verschiebung seit Beginn des Gaza-Kriegs impliziert hatten, waren viele Beobachter der Ansicht, dass Teherans Angriff auf Israel am 1. Oktober den Iran wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt hat, wie dies vor dem 7. Oktober 2023 der Fall war.
Amerikanische und westliche Beamte erklärten in der Vergangenheit, dass Israel das iranische Atomprogramm nicht allein und nicht ohne amerikanische Hilfe zerstören kann, da Jerusalem über keine bunkerbrechende Bomben von jener Kraft verfügt, die nötig wäre, um die unterirdischen Nuklearanlagen der Islamischen Republik in Fordo und Natanz zu zerstören. Allerdings gibt es die Überlegung, dass mehrere kleinere Bomben wiederholt in demselben Gebiet abgeworfen werden könnten, um einen unterirdischen Einsturz zu verursachen, was konzeptionell nicht unähnlich jenem Einsatz wäre, mit dem Israel unter der Verwendung von 85 Bomben den Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah am 27. September in seinem tiefliegenden Bunker getötet hat.
Obwohl die Anlagen in Fordo viel tiefer unter der Erde liegen als Nasrallahs Versteck, könnte ein solcher Einsturz den nuklearen Fortschritt des Irans stark verlangsamen und beschädigen. Außerdem befinden sich andere wichtige Nuklearanlagen, darunter in Natanz, Isfahan, Arak und anderswo, auch über der Erde.