Im Mena-Talk sprechen Noam Petri und Franziska Sittig mit Jasmin Arémi über die Universitäten als Schauplätze ideologischer Kämpfe, die zunehmend zu einer intellektuellen Selbstzerstörung führen.
Im Gespräch mit den Autoren Noam Petri und Franziska Sittig zu ihrem Buch Die intellektuelle Selbstzerstörung steht die These im Mittelpunkt, dass westliche Eliten und akademische Institutionen zunehmend die Grundlagen ihrer eigenen Zivilisation untergraben. Dies zeigt sich beispielsweise im Wissenschaftsbetrieb, an Universitäten und in den Medien durch eine Hinwendung zu politisch motiviertem Aktivismus, der kritische Forschung und aufgeklärte Debatten verdrängt.
Der Titel des Buchs, an dem sich das Gespräch orientiert, ist Ausdruck eines kollektiven Prozesses. Erst findet eine intellektuelle Selbstzerstörung statt, danach, so die Autoren, folgt die reale Selbstzerstörung auf gesellschaftlicher und ökonomischer Ebene.
Ideologische Kämpfe
Noam Petri beschreibt die intellektuelle Selbstzerstörung als Übernahme von Narrativen, die auf Selbsthass und Delegitimierung des Westens beruhen. »Mit intellektueller Selbstzerstörung meinen wir, dass die westliche Zivilisation, insbesondere ihre intellektuellen Eliten, ihre eigenen Grundlagen untergraben. Statt Freiheit, Pluralismus, Vernunft und Rationalität zu verteidigen, übernehmen sie Narrative, die auf Selbsthass und Delegitimierung des Westens beruhen.«
Diese Ideologien sind, ob islamistisch, kommunistisch oder postkolonial geprägt, darauf ausgerichtet, Bildungsinstitutionen und Medienpolitik zu unterwandern und stellen die Werte westlicher Gesellschaften infrage. Gerade die akademischen Räume, die eigentlich für kritische Debatten und Aufklärung stehen, werden zu Orten ideologischer Einseitigkeit und Radikalisierung. Beispielhaft nennt Petri die Besetzungen Berliner Universitäten, die Unterstützung gewaltbereiter Gruppierungen durch Akademiker sowie die mangelnde Bereitschaft, diese Entwicklung öffentlich zu kritisieren.
Franziska Sittig berichtet von ihrer Zeit am Campus der Columbia University in New York: »Als mir bei Columbia verboten wurde, meine Masterarbeit über Islamismus in Deutschland zu schreiben, während andere Studenten mit Pro-Hamas-Plakaten auf dem Campus frei agieren durften, war mir klar, dass das dokumentiert werden muss.«
Sie beschreibt, wie sich die in den USA beobachteten Herausforderungen innerhalb kürzester Zeit nach Europa, insbesondere nach Deutschland, übertragen haben. Diese Entwicklungen seien von Universitätsleitungen und Stiftungen sowie von vermeintlich progressiven Eliten mindestens geduldet, oft sogar direkt gefördert worden. Antisemitismusbeauftragte und andere Kontrollinstanzen hätten ihrer Meinung nach nur wenig konstruktiven Einfluss, da sie Teil desselben universitären Systems seien, das sie überwachen sollen.
Petri wiederum beobachtete in Berlin, wie linke und islamistische Gruppen Universitäten besetzen, Gewalt anwenden und von Teilen des Lehrpersonals gedeckt werden.
Die »woke-islamistische Allianz«
Ein zentraler Punkt im Interview und im Buch ist die sogenannte »woke-islamistische Allianz«, welche die Autoren als paradoxe, aber wirkungsmächtige Verbindung beschreiben. Radikale Strömungen der identitätspolitischen Linken und Islamisten seien im Hass auf den Westen verbündet, obwohl man ihnen ideologisch kaum Gemeinsamkeiten nachsagen kann. An Universitäten, in Medien und auf Demonstrationen finden sich Vertreter beider Ideologien oft Seite an Seite. Ein Schulterschluss, der darauf abzielt, die demokratische Grundordnung zu delegitimieren.
Petri und Sittig machen zudem deutlich, dass Universitäten inzwischen von milliardenschweren Zahlungen aus autoritären Regimen wie Saudi-Arabien, China oder dem Iran profitieren – und mit steigendem Anteil solcher Gelder auch Antisemitismus und ideologische Einseitigkeit zunehmen.
Im Gespräch werden die soziologischen Prozesse hinter dieser Allianz erläutert. Es gebe nicht »die eine Elite«, sondern eine Vielzahl einflussreicher Akteure aus den Bereichen Wissenschaft, Medien, Politik und Kultur, die jeweils die Leitideen ihres Milieus weitergeben und damit Diskussionskultur und Politik prägen.
Ein Ergebnis dieses Prozesses ist unter anderem die Marginalisierung oder gar Unterdrückung abweichender Meinungen – unter Berufung auf den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus. So werde Israel in der akademischen Sprache vielfach als »Kolonialstaat« stigmatisiert und dadurch zum Feindbild westlicher Werte erklärt: »Antisemitismus ist schon immer unter progressiven und gerade unter sozialistischen Intellektuellen verbreitet gewesen, weil sie sich unter anderem am Narrativ des Judenstaats stören, an der Idee, dass Juden einen eigenen Staat haben«, erläutert Petri.
Postkoloniale und dekoloniale Ansätze verstärken diesen Bezug, indem sie Selbsthass fördern und westliche Errungenschaften delegitimieren, so Sittig: »Die postkolonialen Theorien sind im Grunde genommen die akademische Form des westlichen Selbsthasses. Sie profitieren vom westlichen System, verurteilen es aber und möchten es nicht verbessern, sondern zerstören.« Ganze Studentengenerationen seien dadurch bereits geprägt worden.
Notwendigkeit einer Gegenbewegung
Petri und Sittig betonen, wie wichtig eine demokratische Gegenbewegung sei. Es müssten neue intellektuelle Eliten gefördert und aufgebaut werden, die eigene, konstruktive Ideen entwickeln, um eine Abkehr von dogmatischer Radikalisierung und vom Hass auf den Westen zu ermöglichen.
Universitäten spielen dabei eine zentrale Rolle, denn sie bilden die Führungskräfte der nächsten Generation aus, an denen sich die Zukunft des Westens entscheide. Eine Reform des akademischen Systems sowie eine Neubewertung der Einflussnahme von Medien und Stiftungen sei laut den Autoren dringend nötig. Universitäten hätten, so Petri und Sittig, versäumt, konsequent gegen radikale Gruppen vorzugehen.
Antiwestliche Linksextreme und islamistische Netzwerke können weitgehend unbehelligt agieren. Gruppen wie Masar Badil oder Students for Palestine operieren international vernetzt und würden durch externe Aktivisten unterstützt und gestärkt. Sittig: »Die Entscheidungsträger – Universitätsleitungen, Stiftungen – tragen Verantwortung für diesen Zustand. Antisemitismusbeauftragte werden von denselben Universitäten angestellt, die sie kritisieren müssten – das kann nicht funktionieren.«
Aber wie könnte eine positive Entwicklung aussehen? Nicht die Politik allein, sondern engagierte Bürger, Vereine und Bewegungen müssten das intellektuelle Fundament für eine neue Aufklärung legen. Es brauche eine Zivilgesellschaft, die den Mut fasst, westliche Errungenschaften selbstbewusst zu verteidigen. Denn der kollektive Glaube an die eigenen Werte ist, so die Autoren, Voraussetzung für das Überleben und die Innovationsfähigkeit westlicher Gesellschaften.






