Augenzeugen sprechen davon, noch nie erlebt zu haben, dass die Sicherheitskräfte mit derartig tödlicher Gewalt auf Demonstranten losgehen.
Omid Rezaee, Die Welt
Tausende ziehen durch die Straßen, Autos brennen, Straßen werden blockiert. Die islamische Führung versucht, das Aufbegehren mit allen Mitteln zu unterdrücken. Das Internet ist komplett gesperrt. Es gibt mittlerweile viele Verletzte und Tote. Die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International spricht von mindestens 106 Todesfällen. Bei den Protesten geht es inzwischen längst nicht mehr nur um Benzin. Es geht um ein System, das den Menschen über Nacht das Leben noch schwerer macht.
In der südwestlichen Provinz Chuzestan ging es los. Am Tag darauf verbreiteten sich die Proteste wie ein Lauffeuer. In Teheran blockierten die Menschen mit Autos und Lastwagen Autobahnen. Dann kam es zu Unruhen in Schiras im Süden des Landes. Es folgten kurdische Gebiete, aserbaidschanische Städte im Nordwesten, die für die Islamische Republik heilige Stadt Maschhad, Yazd, die als Hauptstadt der Reformer bezeichnet wird, und die Metropole Karadsch.
Die 28-jährige Ana, deren Name aus Sicherheitsgründen geändert wurde, hat schon viele politische Protestbewegungen miterlebt. (…) Aber dieses Mal, so erzählt sie am Telefon, sei alles ganz anders als sonst. „Die Stadt ist voller Polizei und sogenannter Spezialeinsatzkräfte“, sagt sie am Tag nach den Protesten. „Auch auf Straßen und Kreuzungen, wo selten etwas los ist, stehen Polizisten und Zivilpolizisten bereit.“ Die Millionenstadt erinnere an eine Geisterstadt. „Als ob nur Polizisten in Täbris leben würden.“ (…)
In einem sicheren Telefongespräch sagt [Negar aus Teheran, die ihren echten Namen nicht nenne möchte]: „Seit zehn Jahren bin ich bei allen Protesten dabei. Was heute passiert, habe ich noch nie erlebt. Ich kenne persönlich zwei Personen, deren Bekannte getötet worden sind.“ Inzwischen sei es in den zentralen und westlichen Bezirken von Teheran ruhig, aber in ärmeren Orten im Osten der Hauptstadt und der Umgebung, wo Pendler wohnen, herrsche noch der Ausnahmezustand, so Negar [. „Die Intensität der Gewalt ist ohnegleichen. Die Polizei schießt direkt auf die Bevölkerung. Ich habe das persönlich miterlebt. Und Leute wehren sich härter, wie auch immer sie können.“