Amnesty International dämonisiert wieder einmal Israel (Teil 1)

Amnesty International (AI) hat ein Dossier gegen Israel veröffentlicht, mit dem es zeigen will, dass arabische Abgeordnete des israelischen Parlaments – aber auch arabische Israelis im Allgemeinen – diskriminiert würden und Opfer von vielerlei Schikanen seien. In Wahrheit beweist die Organisation einmal mehr, dass Objektivität, Wahrheit und Wissenschaftlichkeit für sie keine Rolle spielen, wenn es um Israel geht.

Der Titel des im September veröffentlichten Dokuments, das man auf der Website von AI findet, lautet: „Gewählt, doch eingeschränkt. Schrumpfender Raum für palästinensische Parlamentarier in Israels Knesset.“ Bereits die Überschrift wirft Fragen auf: Warum werden die arabisch-israelischen Parlamentsabgeordneten als „Palästinenser“ bezeichnet? „Palästinensisch“ ist für Amnesty offenkundig eine Staatsangehörigkeit. Wenn das so ist, warum sitzen sie dann im israelischen Parlament? Die arabischen Abgeordneten, um die es geht, können nur deshalb in die Knesset gewählt werden, weil sie Israelis sind. Doch das ist eine Tatsache, die AI nur beiläufig an einer anderen Stelle erwähnt. Der Text beginnt mit dem Satz, „palästinensische Mitglieder der Knesset“ sähen sich „wachsenden Bedrohungen ihrer Meinungsfreiheit ausgesetzt“. Auch in der Folge ist immer von den „palästinensischen Abgeordneten“ die Rede.

Warum wurde dieser ungewöhnliche Sprachgebrauch gewählt? Der Verdacht steht im Raum, dass es Amnesty darum ging, in den Köpfen das Bild von den von Israel angeblich unterdrückten „Palästinensern“ wachzurufen. Wenn die Leser erfahren, dass die angeblich Unterdrückten ebenfalls Israelis sind, könnte sie das verwirren.

Amnestys Bild von der Knesset

Es ist auch interessant, welches Titelfoto Amnesty ausgesucht hat, um die Botschaft rüberzubringen, dass „palästinensische Abgeordnete“ in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt würden: Es zeigt arabische Abgeordnete, die am 22. Januar 2018 die Rede des amerikanischen Vizepräsidenten Mike Pence störten, indem sie Plakate mit arabischen Parolen hochhielten. Sie wurden umgehend von Saaldienern hinausbegleitet, worin AI offenbar eine Einschränkung der Meinungsfreiheit sieht.

Doch dies entspricht den üblichen Regeln in einem Parlament; im Deutschen Bundestag gab es 2002 einen ähnlichen Fall: Mehrere Abgeordnete der PDS (die Partei, die vormals die ostdeutsche Staatspartei SED war und heute Die Linke heißt) entrollten während einer Rede von US-Präsident George Bush ein Transparent mit den Worten „Mr. Bush + Mr. Schröder: Stop your wars!“ Auch diese Aktion wurde von den Saaldienern des Deutschen Bundestages sofort beendet; der PDS-Fraktionsvorsitzende Roland Claus entschuldigte sich später bei Präsident Bush.

Wie hätte Amnesty International das damals kommentiert? Mit der Behauptung, dass die Partei der Ostdeutschen (denn als solche wurde die PDS damals weithin gesehen) im Deutschen Bundestag in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt werde? Man muss betonen, dass ein Titelbild – noch dazu das eines politisch wichtigen Berichts – nicht leichtfertig oder gar zufällig ausgesucht wird. Wenn die Macher des Amnesty-Berichts solch ein Foto wählen, dann deshalb, weil sie überzeugt sind, dass es die These, wonach „palästinensische Abgeordnete“ im israelischen Parlament unterdrückt würden, besonders gut vor Augen führt.

Worüber Amnesty nicht berichtet

Tatsächlich besteht der eigentliche Symbolgehalt des Bildes darin, dass es zeigt, wie Amnesty krampfhaft versucht, Menschenrechtsverletzungen zu finden, wo keine sind. Dass überhaupt arabische Abgeordnete in der Knesset sitzen, scheint Amnesty dabei überhaupt nicht bemerkenswert zu finden, sondern für selbstverständlich zu nehmen. Es ist ja in der israelischen Gesellschaft tatsächlich selbstverständlich – eben deshalb, weil diese ganz anders ist als das Zerrbild, das Organisationen wie Amnesty von ihr zeichnen.

Wenn Amnesty schon von den „Palästinensern“ in der Knesset spricht, könnte man einen Hinweis auf die erstaunliche Tatsache erwarten, dass Israel neben Jordanien das einzige Land der Region ist, in dem Palästinenser ins Parlament gewählt werden können: In den Palästinensischen Autonomiegebieten gab es seit 2006 keine Wahlen mehr, im Libanon und in Syrien haben die palästinensischen „Flüchtlinge“ nicht einmal staatsbürgerliche Rechte.

Ein Schauprozess

Doch das Problem des Berichts ist nicht allein, dass die israelische Demokratie und die in Israel praktizierte Repräsentanz ethnischer und religiöser Minderheiten abschätzig dargestellt werden; der ganze Bericht gehorcht der Logik, dass jeder Vorwurf, der gegen Israel erhoben wird, im selben Augenblick schon als belegt gilt. Amnesty veranstaltet einen Schauprozess, in dem Ankläger und Richter dieselbe Instanz sind.

Sehr deutlich wird das, wenn Amnesty die angebliche Diskriminierung arabischer Israelis beklagt und dafür nicht – wie zu erwarten wäre – Beispiele und Belege anführt, sondern lediglich in einer Fußnote auf den Link zur Website einer notorisch antiisraelischen Organisation hinweist. So heißt es auf Seite 8, in dem Kapitel mit der Überschrift „Diskriminierung gegen Palästinenser“:

„Palästinensische Bürger machen etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung aus und ihre Rechte auf politische Beteiligung und Vertretung sind wie die aller anderen israelischen Bürger vom israelischen Gesetz anerkannt. Jedoch betreibt israelische Gesetzgebung auf vielen Gebieten direkte und indirekte Diskriminierung gegen Palästinenser und andere nichtjüdische Bürger, wie etwa beim Staatsbürgerrecht, Land und Planung, Wohnungen, Bildung und Gesundheit.“

Der Vorwurf ist gleichermaßen schwerwiegend wie vage; wie und wo genau werden die arabischen Israelis diskriminiert? Anstelle von Belegen gibt es lediglich eine Fußnote – nicht etwa eine Fußnote zu einem Text, in dem Amnesty die Anschuldigungen konkretisieren und belegen würde. Nein: eine Fußnote, die einen Link zu einer von der der Organisation Adalah erstellten „Datenbank diskriminierender Gesetze“ enthält. Amnesty, so muss man das deuten, macht sich den Inhalt der „Datenbank“ in seiner Gesamtheit zueigen. Der Leser wiederum ist gehalten, entweder auf der Website von Adalah die Belege für die angebliche Diskriminierung arabischer Israelis selbst zu suchen oder die Behauptung ungeprüft für bare Münze zu nehmen.

Wer ist die Organisation, auf die Amnesty sich beruft?

Amnesty International dämonisiert wieder einmal Israel (Teil 1)
Adalah-Hauptquartier in Jerusalem (Quelle: ניר ודל, CC BY-SA 4.0)

Welche Ziele verfolgt Adalah? Ist es wirklich eine „Menschenrechtsorganisation“, wie Amnesty behauptet? Lesen wir, was der Chef von Adalah, Hassan Dschabarin, selbst in einem Interview über seine Organisation gesagt hat:

„Adalah glaubt, dass der akademische und politische Diskurs sich ändern muss. Wir müssen vor der internationalen Gemeinschaft sagen, dass das israelische Regime innerhalb und außerhalb der Grünen Linie [der Waffenstillstandslinie von 1949; S.F.] ein koloniales System ist, welches so offensichtlich in Widerspruch zu internationalem Recht steht, dass ein ernsthaftes Fragezeichen über seiner Legitimität hängt. Ein demokratisches Regime mit Defiziten ist immer noch ein legitimes Regime, während ein Kolonialregime, nach internationalem Recht, keine Legitimität hat.“

Keine Legitimität. Adalah verfolgt also das Ziel, Israel international als „Kolonialregime“ zu ächten, das keine Daseinsberechtigung habe und abgeschafft gehöre, weil es nicht verbessert oder repariert werden könne. Und diese Diagnose erstreckt sich ausdrücklich auf die Gebiete beiderseits der Waffenstillstandslinie von 1949. Israel, sagt der Vorsitzende von Adalah, war von Anfang an illegitim, weil „kolonialistisch“.

Auf der Website von Adalah, auf die Amnesty verweist, findet man eine Datenbank mit „diskriminierenden Gesetzen“, die es in Israel angeblich gebe. Eine Sichtung ergibt, dass Adalah jegliche Gesetze ablehnt, die den Staat Israel in eine Beziehung zum Judentum setzen, angefangen mit den staatlichen Emblemen, dem Davidstern und dem siebenarmigen Leuchter. Auch ein Gesetz, das Behörden verpflichtet, bei Datumsangaben zusätzlich das Datum nach dem jüdischen Kalender anzugeben, ist für Adalah „diskriminierend“ – weil der islamische Kalender nicht berücksichtigt werde. Für grundsätzlich diskriminierend hält Adalah auch: Gesetze gegen Terrorismus; Gesetze, die NGOs vorschreiben, offenzulegen, wenn sie mehrheitlich von ausländischen Regierungen finanziert werden (und somit eben keine Nichtregierungsorganisationen mehr sind) sowie Gesetze, die Parlamentsabgeordneten verbieten, die Existenz des Staates Israel zu leugnen, Rassismus zu schüren oder zu Gewalt aufzurufen.

Der Begriff der Meinungsfreiheit wird also extrem ausgeweitet (in jedem Rechtsstaat hat die Meinungsfreiheit bestimmte, gesetzlich festgelegte Grenzen), gleichzeitig behauptet Adalah, dass von der angeblichen „Einschränkung“ der Meinungsfreiheit vorwiegend „Palästinenser“ betroffen seien. Diesen das Recht abzusprechen, zu Gewalt, Rassismus oder zur Zerstörung Israels aufzurufen, das ist für Adalah eine Menschenrechtsverletzung.

Zwei Vereine, ein Ziel

Amnesty übernimmt in seinem Text die Behauptungen von Adalah eins zu eins, fast scheint es, als würden die Autoren für beide Organisationen gleichzeitig arbeiten (was nicht verwunderlich wäre). Der nur 20 Seiten lange Amnesty-Bericht enthält nicht weniger als elf Verweise auf Adalah. Einer radikalen Organisation, die dem Staat Israel jegliche Legitimität abspricht, räumt Amnesty den Rang eines obersten Schiedsrichters ein, dessen Urteil maßgeblich ist.

Wenn Adalah etwa sagt, dass die 2014 erfolgte Anhebung der Sperrklausel bei Wahlen von 2 Prozent auf 3,25 Prozent „das Wahlrecht der palästinensischen Bürger verletzt“, dann muss das wohl ungefragt so sein, jedenfalls wird dies von Amnesty zustimmend zitiert. Die einzige Partei, die bei den letzten Wahlen in Israel mit knapp zwei Prozent der Stimmen an der 3,25-Prozenthürde scheiterte – obwohl sie gemessen an der Zahl ihrer Wähler mit zwei Sitzen in die Knesset eingezogen wäre –, war keine arabische Partei, sondern die extrem rechts stehende jüdische Partei Otzma Yehudit. Das Argument der Benachteiligung arabischer Parteien durch die auch in anderen Demokratien übliche Sperrklausel (bei Wahlen zum österreichischen Nationalrat gilt eine 4-Prozent-, bei Wahlen zum Deutschen Bundestag eine 5-Prozent-Hürde), ist alles andere als stichhaltig. Es ist willkürlich.

Mit der gleichen Willkür konstruieren Adalah und Amnesty alle möglichen „Diskriminierungen“, die sich angeblich gegen „palästinensische“ Abgeordnete oder „Menschenrechtsorganisationen“ richten, während sie bei näherem Hinsehen lediglich die israelische Demokratie vor denen schützt, die sie zerstören wollen. „Demokratie muss militant werden“, schrieb der Staats- und Verfassungsrechtler Karl Loewenstein 1937 vor dem Hintergrund der Machtübernahme des Nationalsozialismus in Deutschland und des Faschismus in Italien.

„Wehrhafte Demokratie“ nennt man dieses Prinzip in Deutschland, und auch in Israel gibt es Maßnahmen gegen die Unterhöhlung der demokratischen Ordnung. Politische Organisationen müssen in bestimmten Fällen ihre Finanzierung transparent machen, und Parlamentsabgeordneten ist es untersagt, „rassistische Hetze“ zu betreiben oder „den bewaffneten Kampf eines feindlichen Staates oder einer Terrororganisation gegen den Staat Israel zu unterstützen“. Ist das schlimm? Für Amnesty ist das eine Einschränkung der Meinungsfreiheit – jedenfalls, wenn „Palästinenser“ betroffen sind und keine Juden.

„Menschenrechtsgruppen“ mit Terrorverbindungen

Ein Dorn im Auge ist Amnesty auch, dass Israel sich immer wieder dagegen ausspricht, dass westliche Staaten BDS-Gruppierungen – die teilweise direkte Verbindungen zu Terrororganisationen wie der PFLP haben, wie der Fall der von der deutschen Bundesregierung hofierten Gruppe Al-Haq gerade erst wieder gezeigt hat – finanzieren. Amnestys Lamento:

„Israelische Behörden haben wiederholt palästinensische und israelische Menschenrechtsorganisationen bedroht, verleumdet und stigmatisiert, ebenso wie internationale Gruppen wie Amnesty International, und sie als ‚Verräter’ und ‚ausländische Agenten’ bezeichnet. Sie haben Bemühungen unternommen, israelische und palästinensische Menschenrechtsverteidiger und Organisationen zu delegitimieren, um die Unterstützung und die Finanzierung zu untergraben, die sie aus dem Ausland erhalten.“

Die von Amnesty verbreitete Vorstellung, Israel würde Menschenrechtsgruppen „delegitimieren“, kommt daher, dass Amnesty, wie der Fall Adalah zeigt, jegliche auch noch so militante oder antisemitische Gruppe zum legitimen „Menschenrechtsverteidiger“ erklärt, solange sie nur antiisraelisch ist. Das zugrundeliegende Menschenrecht scheint das Menschenrecht auf Antisemitismus zu sein.

Zu Teil 2 des Artikels

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