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Aliens gegen Netanjahu

Im Visiert von Protesten, wie Israel sie seit 2012 nicht mehr gesehen hat: Premier Netanjahu. (imago images/UPI Photo)
Im Visiert von Protesten, wie Israel sie seit 2012 nicht mehr gesehen hat: Premier Netanjahu. (imago images/UPI Photo)

Die Proteste gegen Premier Netanjahu sind energiegeladen und teilweise lustig. An den politischen Machtverhältnissen ändern sie noch nichts.

Matti Friedman, The New York Times

Das dieswöchige Thema der Demonstration wurde von einem der eifrigsten Kritiker der Proteste vorgegeben, (…) einem frustrierten jungen Mann, der zu viel Zeit im Internet verbringt und aus dem Keller seiner Eltern seine verwirrte Weltanschauung in die Welt hinaus twittert. Yair Netanjahus Einzigartigkeit hängt vor allem mit der Lage des Kellers und mit dem Jobs seines Vaters zusammen, der Premierminister ist.

Nachdem er die Privatadressen einiger der Protestführer getweetet hatte – wofür er prompt eine gerichtliche Unterlassungsverfügung kassierte – sowie das Bild eines Protestierenden gepostet hatte, der auf ein Auto pinkelte, das einem Nachbarn des Premierministers gehört – was sich als Fälschung erwies – sagte er letzte Woche in einem Radiointerview, dass er seinem Vater zu dessen Belustigung gerne Fotos der protestierenden „Aliens“, wie er sie nannte, zeige. Die Implikation war, dass die Protestierenden Verrückte aus dem Weltraum waren – und nicht etwa Mainstream-Israelis, die im Gegensatz zum Sohn des Premierministers echte Jobs haben bzw. hatten, bis die Wirtschaft zusammenbrach.

Als Reaktion darauf war bei den Protesten diese Woche eine beträchtliche Zahl an grünen UFO-Masken und Antennen-Stirnbändern zu sehen, darunter einige mit einem Schild mit der Aufschrift „Wir kommen in Frieden“. (…) Die Proteste werden von echter politischer und wirtschaftlicher Wut in vielen Bereichen der Gesellschaft angetrieben, aber es steht außer Frage, dass vieles von dem, was sie so lustig macht, darauf zurückzuführen ist, dass alle unsere Theaterleute momentan beschäftigungslos sind. (…)

Trotz des heftigen Ausbruchs linker Energie auf der Straße ist die linke Mitte im Parlament, dort wo es zählt, zahnlos. Die Arbeitspartei hat sich nie von den Wellen arabischer Gewalt erholt, die die in den 1990er Jahren der israelischen Öffentlichkeit verkauften Friedensträume zunichte gemacht haben. Zentristische Alternativen sind gekommen und gegangen. Die zentristische Partei Blau-Weiß unter der Führung des Ex-Generals Benny Gantz brach in diesem Frühjahr auf dem Höhepunkt der Coronavirus-Panik auseinander, als Gantz die Hälfte der Partei mitnahm und sich der Koalition von Netanjahu anschloss, was er versprochen hatte, nicht zu tun.

Auf Schritt und Tritt ausmanövriert und als politischer Naivling bloßgestellt, ist die Popularität des Generals seither gesunken. Netanjahus Likud-Partei hat zwar nur ein Viertel der Stimmen, aber im Moment ist sie die einzige nennenswerte politische Bewegung in Israel. Keine Vuvuzelas oder tanzenden Aliens können daran etwas ändern.

(Auszüge aus dem Kommentar „Superheroes and Horn-Blowing Won’t Stop Benjamin Netanyahu“ von Matti Friedman, der in der New York Times veröffentlicht wurden. Übersetzung von Florian Markl.)

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