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Oppositionelle aus Gazastreifen uneins über Clan-Widerstand gegen Hamas 

Mitglied eines der Clans sichert in Gaza Hilfstransporte
Mitglied eines der Clans sichert in Gaza Hilfstransporte (Quelle: Screenshot X)

Nicht nur in Israel ist ein Streit über die Unterstützung von Clans zum Widerstand gegen die Hamas entstanden, sondern auch die Oppositionsbewegung aus Gaza ist uneins über die Rolle der Kämpfer.

Der palästinensische Anti-Hamas-Aktivist Hamza Howidy schloss sich der Kritik des israelischen Abgeordneten Avigdor Liebermann an, der öffentlich gemacht hatte, dass Israels Regierung mit Clans im Gazastreifen zusammenarbeite, um mit ihrer Hilfe die Macht der Hamas zu brechen. 

Ob einige dieser Clans wirklich Verbindungen zum IS oder zum Dschihadismus haben, wie der notorisch zu Übertreibungen neigende Liebermann behauptet, kann zwar zum jetzigen Zeitpunkt nicht verifiziert werden, doch, so schreibt Howidy, der Versuch, zum Teil kriminelle Clans zu unterstützen, um innere Spaltungen im Gazastreifen hervorzurufen und so die Hamas zu schwächen, sei nicht im Interesse der Bevölkerung.

»Es handelt sich um dieselben bewaffneten Gruppen, denen Plünderungen von Hilfskonvois vorgeworfen werden – wie beispielsweise bei dem Angriff im November 2024, bei dem fast hundert UN-Lkw in der Nähe von Kerem Shalom gewaltsam beschlagnahmt wurden. Das Ergebnis war weder Stabilität noch Befreiung, sondern Chaos, das den ohnehin schon hungernden Zivilisten zugefügt wurde. 

Und die größere Gefahr liegt noch vor uns. Nach dem Krieg, wenn die Hamas geschwächt oder verschwunden ist, wer erbt dann die Trümmer? Dieselben Milizen, denen von ausländischen Mächten Gewehre in die Hand gedrückt wurden? Dieselben, die mit vorgehaltener Waffe Mehl verkaufen und Stadtviertel wie Lehensgüter regieren? Der Tag danach in Gaza darf nicht an Opportunisten in Sturmhauben übergeben werden. Eine bewaffnete Fraktion durch eine andere zu ersetzen bedeutet nicht, die Tyrannei zu beseitigen – es bedeutet, sie zu franchisen.«

Der Anti-Hamas-Aktivist Mohammed Altlooli hingegen erklärte – angesprochen auf die Kritik Hamza Howidys – gegenüber Mena-Watch, er finde dessen Kritik zwar nachvollziehbar, teile sie jedoch nicht vollständig. Was ihn betreffe, unterstütze er jede bewaffnete Kraft, die sich gegen die Hamas stellt, da diese selbst den Gazastreifen seit zwei Jahrzehnten ausschließlich mit Waffengewalt regiere. Wer gegen dieses unterdrückerische Regime kämpft, verdiene zumindest Gehör, legte Altlooli seine Position dar und meinte abschließend, diese Diskussion sei Teil der laufenden Debatte über die Zukunft des Gazastreifens, eine Zukunft, die frei von Diktatur und Angst sein müsse.

Anschließend dokumentiert Mena-Watch ein Interview, das Altlooli mit dem Führer einer der infrage stehenden Gruppen geführt hat, kurz nachdem der katarische TV-Sender Al Jazeera und der Hamas nahestehenden Plattformen den Vorwurf gegen Yasser Abu Shabab erhoben hatten, mit Israel zu kollaborieren.

»Die Hamas betrachtet und als Verräter«

Oppositionelle aus Gazastreifen uneins über Clan-Widerstand gegen Hamas 
Yasser Abu Shabab (Quelle: Mohammed Altlooli)

Mohammed Altlooli (MA): Wie definieren Sie die Identität Ihrer Gruppe? Sind Sie eine Miliz oder eine politische Bewegung?

Yasser Abu Shabab (YS): Wir sind eine defensive Gruppe, keine offensive. Wir sind zivile Freiwillige. Wir sind keine Militanten und agieren auch nicht wie eine Miliz. Wir wenden keine Guerillataktiken an. Wir sind einfach Söhne dieses Volks, die sich zusammengeschlossen haben, um humanitäre Hilfe vor Diebstahl und systematischer Korruption zu schützen. Wir haben keine politischen Ambitionen und sind nicht in interne palästinensische Konflikte verwickelt.

MA: Was hat Sie dazu bewogen, im Juni 2024 zu handeln und diese Gruppe zu gründen?

YS: Wir haben als Reaktion auf weit verbreitete Ungerechtigkeiten gehandelt. Nachdem die Hamas ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit verloren hatte, machte sie die Verteilung von Hilfsgütern zu einem Mittel, um ihren Reichtum zu mehren und Dissidenten zu bestrafen. Wir sahen, wie Hilfsgüter von korrupten Vereinigungen, die mit der Hamas in Verbindung stehen, gestohlen und auf Märkten verkauft wurden. Unsere Mission ist klar: Die Menschen zu schützen, die Hungrigen zu ernähren und die Würde zu wahren.

MA: Hamas und Al Jazeera werfen Ihnen vor Ihre Gruppe würde mit Israel zusammenarbeiten. Was sagen Sie dazu?

YS: Wir haben weder direkte noch indirekte Kontakte zum israelischen Militär. Alle derartigen Behauptungen sind Lügen, die von der Hamas verbreitet werden, um unseren Ruf zu schädigen. Selbst [die israelische Tageszeitung] Haaretz berichtete, dass die israelische Armee sich weigert, zu unserer Präsenz Stellung zu nehmen – ein Beweis für unsere Unabhängigkeit. Wir koordinieren uns nur mit anerkannten humanitären Institutionen und legitimen palästinensischen Akteuren.

MA: Wie arbeiten Sie vor Ort, insbesondere in der Nähe von israelisch kontrollierten Gebieten?

YS: Wir sind dort tätig, wo andere die Menschen im Stich gelassen haben. Ost-Rafah war von Gewalt heimgesucht, und wir haben eingegriffen. Wir haben Hilfslieferungen organisiert, Kriegsschutt beseitigt und Zivilisten vor Gewalt geschützt. Trotz Drohnen über uns und Drohungen der Hamas um uns herum ist es unser Ziel, unserem Volk ein Leben in Sicherheit und Würde zu ermöglichen.

MA: Welche Verluste hat Ihre Gruppe erlitten?

YS: Über fünfzig Freiwillige wurden von der Hamas getötet. Einige davon waren aus meiner eigenen Familie. Wir wurden angegriffen, als wir Hilfskonvois beschützten und Vorräte verteilten, welche die Hamas verkaufen wollte. Dennoch haben die Menschen in Ost-Rafah unsere Mission begrüßt und sich unseren Bemühungen angeschlossen.

MA: Verfügen Sie über eine offizielle Genehmigung oder Finanzierung?

YS: Nein. Wir erhalten keine Gehälter. Die gesamte Ausrüstung stammt aus lokalen Quellen und wird oft innerhalb der Familien weitergegeben. Unsere Arbeit ist vollkommen freiwillig. Behauptungen über ausländische Finanzierung sind Lügen. Mit der Hamas verbundene Medien verstecken sogar unsere einfachen Werkzeuge, um ihre falschen Darstellungen nicht zu entlarven.

MA: Ersetzen Sie den Staat oder bauen Sie politische Macht auf?

YS: Ganz und gar nicht. Wir sind kein Ersatz für den Staat. Wir streben weder Macht noch politische Kontrolle an. Wir stehen einfach auf der Seite der Menschen und sorgen dafür, dass sie mit Respekt behandelt und nicht unterdrückt werden. Unser Ziel ist es, dass Medikamente zu den Kranken und Brot zu den Hungrigen gelangen – ohne Ausbeutung.

MA: In welcher Beziehung stehen Sie zu internationalen Organisationen wie dem Roten Kreuz?

YS: Wir schützen und unterstützen die Arbeit des Roten Kreuzes und anderer Hilfsorganisationen uneingeschränkt. Es wurden keine offiziellen Beschwerden gegen uns vorgebracht. Im Gegenteil, unsere Koordination sorgt dafür, dass die Hilfe sicher ankommt. Wir ermutigen internationale Organisationen, unsere Zusammenarbeit transparent zu dokumentieren.

MA: Wie reagieren Sie auf die Darstellung Ihrer Gruppe durch die Hamas?

YS: Die Hamas betrachtet jeden Kritiker als Verräter. Sie tötet Aktivisten, weil sie protestieren. Wir begrüßen unabhängige Untersuchungen dieser Verbrechen. Die Menschen kennen die Wahrheit. Unsere Gruppe spiegelt den echten Wunsch der Basis nach Gerechtigkeit wider, nicht die Agenda einer Fraktion.

MA: Was brauchen Sie, um Ihre Bemühungen auszuweiten?

YS: Wir können die lokale Ordnung in den Gebieten, in denen wir tätig sind, aufrechterhalten, aber um unsere Mission auszuweiten, brauchen wir starke Unterstützung sowohl von der lokalen Gemeinschaft als auch von internationalen Gremien. Diese Unterstützung ist unerlässlich, um Stabilität zu gewährleisten und die Zivilbevölkerung vor Gewalt und Korruption zu schützen.

Wir sind eine Volksbewegung, die aus der Not heraus entstanden ist. Wir sind keine formelle Organisation und haben keine offizielle Genehmigung der Palästinensischen Autonomiebehörde, aber wir handeln innerhalb eines nationalen Rahmens, der die staatlichen Institutionen respektiert. Wir agieren als Reaktion auf Krieg und Vernachlässigung. Wir kommunizieren mit allen, die sich für die Rettung der Menschen im Gazastreifen einsetzen.

Wir haben keine offiziellen Slogans außer unserer Identität auf unserer offiziellen Facebook-Seite. Alle Bezeichnungen, die von den Medien ohne Überprüfung verwendet werden, sind irreführend. Unser einziges Ziel ist Dienst, Würde und Menschlichkeit.

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