
Nachbarn, Freunde und Familienangehörige wurden verhört. Geschäftspartner Murats wurden verhaftet. Die Frau verlor ihre Arbeit, die Kinder wurden von der Schule verwiesen, eine Schwester Murats erhielt eine Steuerforderung in der doppelten Höhe ihres Gehalts. Die lokalen Medien starteten eine Kampagne gegen die Familie. Als das Haus von angeblich Unbekannten beschossen wurde, floh die Frau mit den Kindern zu Verwandten in die Provinz. ‚Ihre einzige Schuld ist, dass sie meine Frau ist‘, sagt Murat verzweifelt. In der Türkei könne darüber niemand mehr berichten. (…)
Das war noch lange nicht alles. Als seine Frau mit ihrem noch gültigen Pass ausreisen wollte, wurden sie ins Gefängnis gesteckt, später aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Da war sein Unternehmen bereits aufgelöst. Denn ihr Besitzer wird ja gesucht, und das Haus als Sicherheit für die Kredite gab es nicht mehr. Und so wurden die Beschäftigten entlassen. Andere enteignete Unternehmen bestehen weiter. Bei ihnen setzte der Staat einen ‚Treuhänder‘ ein, in der Regel einen lokalen AKP-Funktionär, der die Branche nicht kennt, sich dafür aber das Vielfache des Gehalts des nun Enteigneten auszahlen lässt. ‚Sie nehmen die Firmen eine Zeitlang aus, dann gehen diese pleite‘, sagt Murat.“ (Rainer Hermann: „Plötzlich vogelfrei. Der türkische Staat enteignet systematisch zehntausende Menschen. AKP-Funktionäre bereichern sich vorübergehend daran. Das hat verheerende Folgen – nicht nur für die Betroffenen.)






