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Ahed Tamimi: Eine Friedensikone und der gewaltsame Kampf gegen Israel

„Ein anderes Interview verwickelte Tamimi indes in einen der heftigsten Konflikte der Region. Hassan Nasrallah, Führer der libanesischen Hisbollah-Miliz, hatte im August das ‚mutige Mädchen‘ dafür gelobt, dass ‚sie israelische Soldaten konfrontiert und sie ohrfeigt‘. Tamimi bedankte sich daraufhin in einem Interview für die Glückwünsche. Nasrallahs Worte hätten die Kampfmoral der Palästinenser gehoben. ‚Ich ziehe vor ihm den Hut und bedanke mich für seine Unterstützung‘, sagte Tamimi. ‚Wir unterstützen ihn alle und sind stolz auf ihn.‘ Doch Nasrallah ist eine der umstrittensten Figuren im Nahen Osten.

Der Chef der Schiitenmiliz entsandte Tausende seiner Kämpfer in Syriens Bürgerkrieg, um Präsident Baschar Assads Regime zu retten. Mindestens 500.000 Syrer wurden dort seit 2011 getötet. Inzwischen reichen Nasrallahs Aktivitäten weiter. Seine Soldaten bilden schiitische Milizen im Irak und in Jemen aus, wo sie gegen Verbündete sunnitischer Regime wie Saudi-Arabien kämpfen. Vielen gilt er deshalb als Feind aller Sunniten, Massenmörder und Handlanger des Iran, der die Hisbollah rüstet und finanziert. Syrische Oppositionelle, sunnitische Libanesen und viele Araber aus Golfstaaten griffen Tamimi nun in sozialen Netzwerken an. Einer bedauerte, dass Tamimi nicht länger in israelischer Haft saß, ‚um eine Ahnung davon zu bekommen, wie die Syrer unter Präsident Baschar Assad leiden‘. (…) Tamimi bekräftigte indes, sie bedaure ihre Botschaft an den Hisbollahchef nicht. ‚Aus meiner Sicht unterstützt Nasrallah die palästinensische Sache, er ist gegen die USA und Israel, deshalb bin ich mit ihm in dieser spezifischen Angelegenheit einer Meinung.‘

Noch schädlicher waren ihre Aussagen für Israels Friedenslager, das sich für Tamimi eingesetzt hatte. Eine bekannte israelische Rechtsanwältin hatte Tamimi im Prozess vertreten, der prominente Sänger Aviv Gefen hatte sie als ‚palästinensische Jeanne d’Arc‘ gepriesen. Doch seit ihrer Entlassung macht Tamimi klar, dass ihre Weltanschauung nicht so friedlich ist, wie das israelische Friedenslager gerne hätte. Seit ihrer Befreiung forderte sie wiederholt die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge ‚nach ganz Palästina, vom Toten Meer bis zum Mittelmeer‘ und behauptet, Israels Soldaten besetzten ‚mein Land, Jaffa, Haifa, Akko‘ – Städte, die sich im Kernland Israels befinden. Für die Existenz Israels lässt das keinen Platz. Diese Vision will Tamimi notfalls mit Waffen verwirklichen.

Als ein Interviewer im französischen Sender France24 von ihrem gewaltlosen Widerstand sprach, korrigierte ihn die Aktivistin: ‚Ich rufe zu Volkswiderstand in jeder Form auf. Menschen sollten wählen können, wie sie Widerstand gegen Israels Besatzung leisten. Manche mit Poesie, andere ohrfeigen Soldaten oder werfen Steine, ich respektiere jede Form des Widerstands.‘ Jede Reaktion auf die Besatzung sei gerechtfertigt, argumentiert Tamimi in einem anderen Video, egal ob mit ‚Messerattacken, Selbstmordanschlägen oder das Werfen von Steinen‘. Jeder müsse ‚etwas tun, damit wir unsere Botschaft übermitteln und Palästina befreien können‘. Dieser klare Aufruf zu Gewalt desavouiert nun viele, die Tamimi in Schutz nahmen. Nur wenige Wochen nach ihrer Entlassung erscheint das Mädchen nicht mehr als unschuldiges Opfer, dessen Schicksal die arabische Welt und Friedensaktivisten im Widerstand gegen Israels Besatzung eint. Stattdessen wird sie zunehmend zum Sinnbild für die Gewalt und die Differenzen, die Frieden in der Region seit Jahrzehnten unmöglich machen.“ (Gil Yaron: „Die Selbstdemontage einer palästinensischen Ikone“)

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