In ihrer soeben erschienenen Autobiografie schildert Ahed Tamimi die Geschichte Palästinas, wie sie persönlich sie sieht und betreibt dadurch Geschichtsverfälschung im großen Stil. (Teil 1 der Buchbesprechung finden Sie hier.)
Großbritannien habe 1917 in der Balfour-Deklaration den Juden »eine nationale Heimstatt« versprochen, schreibt Tamimi, dass das Palästinamandat mit dem Auftrag, eine solche zu schaffen, vom Völkerbund (dem Vorläufer der Vereinten Nationen) kam, erwähnt sie nicht. In den 1930er Jahren habe es angeblich eine »unbeschränkte Einwanderung von Juden« nach Palästina gegeben. Als Reaktion darauf hätten die Araber 1936 einen »massiven Volksaufstand« begonnen. Dass dabei Blut floss, Hunderte Juden, Araber und Briten getötet wurden, verschweigt Tamimi. Die Gewalt der Araber soll, anders als jene der Juden, nicht mit Blut, Verstümmelung und Tod in Verbindung gebracht werden. Sie bleibt abstrakt. Zu genau soll der Leser nicht wissen, was damals passierte, etwa beim Massaker von Tiberias im Jahr 1938.
1947, so Tamimi, hätten die Vereinten Nationen die Teilung Palästinas beschlossen, was die Araber »natürlich« abgelehnt hätten. Die folgende Welle von tödlichen Angriffen auf von Juden benutzte Busse und auf Fußgänger in Petah Tikva, Haifa, Jerusalem und Tel Aviv, die Ende November 1947 den Bürgerkrieg entzündeten, lässt Tamimi aus, ebenso wie den Angriff der arabischen Armeen am 14. Mai 1948 und die Massenflucht der arabischen Bevölkerung. In der Geschichte Palästinas nach Tamimi gab es eine »ethnische Säuberung«, die Araber seien vertrieben worden, damit der Staat Israel habe gegründet werden können. Das ist die Art von Geschichtsschreibung, die man nur allzu gut von der zeitgenössischen Anti-Israel-Propaganda kennt.
Zionismus, also die Idee, dass Juden genauso einen eigenen Staat verdienen wie andere Völker auch, definiert Ahed Tamimi böswillig als »Ideologie, die besagt, dass nur Juden in Palästina leben dürfen«. Es seien, so Tamimi, israelische Anti-Israel-Aktivisten gewesen, die ihr vor Augen geführt hätten, dass »nicht die Juden« ihre »Feinde« seien, sondern »die Zionisten«. Also alle Juden, die im Staat Israel leben, ohne auf dessen Zerstörung hinzuarbeiten.
Mord ist ihr Geschäft
Absurd und zynisch wird es, wenn Tamimi über die Missetaten klagt, die Israel in den letzten dreißig Jahren angeblich begangen habe – und dabei die Morde an Juden verschweigt, die von Aheds nächsten Verwandten zur selben Zeit verübt wurden und Israels Reaktion erst auslösten. Tamimi beklagt etwa, dass sich viele der angeblich in das Osloer Abkommen gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt hätten. Unerwähnt lässt sie, dass Mitglieder ihrer eigenen Familie von Anfang an versucht hatten, den Friedensprozess zu sabotieren.
Am 29. Oktober 1993 – sechs Wochen nachdem der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin und PLO-Chef Yassir Arafat im Weißen Haus das Osloer Friedensabkommen unterzeichnet hatten – ermordete Aheds Onkel Nizar Tamimi gemeinsam mit seinem Cousin Said Tamimi und einem weiteren Komplizen den 30-jährigen Israeli Haim Mitzrachi. Auf dem Weg zu einer Hühnerfarm in der Nähe von Ramallah entführten die beiden Tamimis ihn, sperrten ihn in den Kofferraum seines Autos und setzten es in Brand. Mitzrachi verbrannte bei lebendigem Leib. Wie die britische Tageszeitung Independent damals schrieb, sei die Tat darauf gerichtet gewesen, »den Friedensprozess zu zerstören«.
In den Passagen über die Zweite Intifada wiederholt Ahed Tamimi die Legende, diese sei durch den Besuch Ariel Sharons auf dem Tempelberg ausgelöst worden. Und wiederum unterschlägt sie die mörderische Rolle ihrer eigenen Familie. Mit gespielter Unschuld schreibt sie:
»2002 begann Israel den Bau einer massiven Trennungsmauer unter dem Vorwand der Sicherheit.«
Die Sicherheit nur ein Vorwand? Eines der scheußlichsten Massaker während der Zweiten Intifada war der Anschlag auf die Pizzeria Sbarro am 9. August 2001. Drahtzieherin war niemand anderer als Aheds Tante Ahlam, eine bekannte Fernsehmoderatorin, die im Buch erstaunlicherweise nicht vorkommt. In einem Gitarrenkoffer trug ein Selbstmordbomber der Hamas fünf Kilogramm Sprengstoff, dazu Nägel, Schrauben, Nüsse und Bolzen, um die schlimmstmöglichen Verletzungen anzurichten. Zu dieser Zeit war das Restaurant gut besucht mit vielen Müttern und ihren Kindern, was genau der Grund war, weshalb die Hamas gerade dieses Lokal für den Anschlag ausgesucht hatte. Fünfzehn Menschen wurden ermordet, darunter sieben Kinder, und die 31-jährige Shoshana Greenbaum, die gerade ihr erstes Kind erwartete.
Insgesamt wurden hundertdreißig Menschen verletzt. Viele von ihnen wurden durch die Detonation, die Verbrennungen und die Nägel und Splitter, die sich in ihre Körper bohrten, für den Rest ihres Lebens verstümmelt; ein Opfer, Chana Nachenberg, liegt seit nunmehr einundzwanzig Jahren im Koma. Ihre Tochter Sarah, die den Anschlag als Zweijährige überlebte, musste ohne ihre Mutter aufwachsen.
Ahlam Tamimi hatte über neun Tage lang ein passendes Anschlagsziel gesucht und sich wegen der orthodoxen Familien mit ihren vielen Kindern für die Pizzeria Sbarro entschieden, wohin sie den Selbstmordbomber geleitete. In einem Interview, das sie während ihrer kurzen Haftzeit gab, zeigte sie sich »glücklich« darüber, dass sie es gewesen war, die das Lokal in Jerusalem für den Anschlag ausgesucht hatte. Unter den Toten waren acht Kinder, davon ein noch nicht geborenes. Sie hatte gedacht, nur drei Kinder getötet zu haben. Als sie von dem Reporter erfuhr, dass es acht gewesen waren, nahm sie dies mit freudigem Lächeln zur Kenntnis.
Ahlam und Nizar Tamimi wurden nach ihrer Verhaftung aus dem Gefängnis freigepresst, reisten nach Jordanien aus, wo sie heirateten. Unter den Hochzeitsgästen war auch Ahed Tamimi. Ihre blutrünstigen, sadistischen Verwandten erwähnt sie in ihrer Autobiografie mit keinem Wort.
Trauer nur um nicht-jüdische Kinder
Ausführlich beschreibt sie hingegen die abscheulichen Morde an Mohammed Abu Khdeir und der Familie Dawabsheh. Der 16-jährige Palästinenser Mohammed Abu Khdeir wurde am 2. Juli 2014 von drei israelischen Juden, einem Mann und zwei Teenagern, entführt, geschlagen und bei lebendigem Leib verbrannt. Die Tat löste in Israel Wut und Abscheu aus und wurde über alle politischen Lager hinweg verurteilt.
Dasselbe gilt für den hinterhältigen Brandanschlag auf das Haus der Familie Dawabsheh in dem Dorf Duma am 31. Juli 2014. Ein jüdischer Terrorist warf damals eine Brandbombe in das Haus. Der achtzehn Monate alte Ali Dawabsheh verbrannte bei lebendigem Leib, seine Eltern erlagen in den folgenden Wochen ihren schweren Verletzungen. Ahmed Dawabsheh, ein Bruder von Ali und zum Zeitpunkt der Tat fünf Jahre alt, wurde ebenfalls verletzt und über Monate hinweg medizinisch behandelt.
2020 wurde der Täter wegen dreifachen Mordes, zweifachen versuchten Mordes, dreifacher Brandstiftung und der Verschwörung zur Begehung eines rassistisch motivierten Verbrechens als Teil eines Terrorakts zu lebenslanger Haft verurteilt. Kein israelischer Politiker oder Journalist forderte Milde für die jüdischen Täter – oder lobte die Morde bzw. verherrlichte die Mörder, wie es in den Palästinensischen Autonomiegebieten üblich ist.
Messerangriff oder Selbstmordattentat
Ahed Tamimi aber behauptet in ihrer Autobiografie grob wahrheitswidrig, die Mörder und ihre Taten seien von Israel »ermöglicht und geschützt« worden und empört sich über diese beiden Morde. Warum aber war sie nicht empört über die grausamen Taten, die von ihren eigenen Verwandten verübt wurden? Warum war sie nicht empört, als sich ihre Tante vor laufender Kamera über getötete jüdische Babys und Kleinkinder freute?
Aheds Mutter Nariman verherrlicht auf Facebook Mohammed Taraireh, der ein dreizehnjähriges Mädchen im Schlaf ermordet hat. Als die »Messer-Intifada« 2015 begann, gab sie auf Facebook grafische Anweisungen, welche Organe man treffen muss, um einen Juden zu töten. »Wenn es nach den Tamimis geht«, schrieb die verstorbene Politikwissenschaftlerin Petra Marquardt-Bigman 2018, »trägt der Mord an einem jüdischen Teenager durch einen Palästinenser, der nur ein paar Jahre älter ist, dazu bei, ›die Ehre des Heimatlands wiederherzustellen‹«. In They called me a lioness beschreibt Ahed Tamimi die »Messer-Intifada« so:
»Ende 2015 starteten einige junge Palästinenser eine Flut von Messerangriffen und car rammings [Mordanschläge, bei denen die Täter jüdische Opfer mit einem Auto oder Lastkraftwagen überfuhren; Anm. Mena-Watch], die auf israelische Soldaten und Siedler in der West Bank und Ostjerusalem zielten. Es war keine organisierte Operation, sondern eher eine Serie individueller Angriffe von palästinensischen Jugendlichen, die das Gefühl hatten, nichts zu verlieren und ihre Wut nicht länger unter Verschluss halten zu können. Lange brodelnde Spannungen kochten über.«
Ahed Tamimi verbreitet auch hier Lügen. Die Mordserie wurde im September 2015 von Mahmoud Abbas gestartet, der in einer immer wieder im palästinensischen Staatsfernsehen gezeigten Rede behauptete, die Juden würden »Al-Aqsa mit ihren schmutzigen Füßen« entweihen, und zum Blutvergießen »für Al-Aqsa« aufrief. Er »begrüße jeden einzelnen Tropfen Blut, der in Jerusalem vergossen wird«, verkündete er.
Die Folge waren 202 Messeranschläge, 221 Schusswaffenanschläge und 73 Anschläge, die mit einem Fahrzeug an Fußgängern verübt wurden. Die Täter waren oft Teenager oder junge Männer Anfang zwanzig, die durch Propaganda im Internet aufgehetzt wurden – Propaganda, wie sie von den Tamimis verbreitet wurde. Zudem waren die Opfer keineswegs ausschließlich »israelische Soldaten und Siedler in der West Bank«; es reichte den Tätern, dass sie Juden waren.
An dieser Stelle des Buches erklärt Ahed Tamimi, warum sie selbst nie zum Messer gegriffen hat, wobei sie betont, dass ihre Bedenken nicht moralischer Natur gewesen seien:
»Doch obwohl ich mich gezwungen fühlte, Gerechtigkeit für meine Mitpalästinenser zu erlangen, wusste ich, dass diese sich nicht mit einem Messerangriff auf einen israelischen Soldaten oder Siedler herstellen ließe. Israelische Soldaten würden wahrscheinlich auf mich schießen und mich auf der Stelle töten, wie sie es mit so vielen anderen getan hatten. Obendrein würde die Armee als Strafe das Haus meiner Familie abreißen … Ich kann der palästinensischen Sache nicht dienen, wenn ich tot bin.«
Ahed Tamimi tötete also nur deshalb niemanden, weil sie keine Lust hatte, selbst getötet zu werden, obwohl sie bei anderer Gelegenheit einmal sagte, sie sei »sogar bereit«, ihr Leben zu opfern. 2016 rief Ahed ausdrücklich zu Mordanschlägen auf. In einem Video wird sie von ihrer Mutter nach ihrer »Botschaft an die Welt« gefragt. Ahed antwortet:
»Ob es Messerangriffe oder Märtyreroperationen sind oder das Werfen von Steinen, jeder muss seinen Teil tun, und wir müssen uns vereinen, damit unsere Botschaft gehört wird, dass wir Palästina befreien wollen.«
Auslöschung Israels als Ziel
Auch in ihrem Buch macht Ahed Tamimi klar, dass es dabei keine Kompromisse geben dürfe; man werde sich nicht mit »einem Teil Palästinas« zufriedengeben. Mahmoud Abbas wirft sie vor, dass er angeblich bereit sei, Israel innerhalb der Waffenstillstandslinie von 1949 zu akzeptieren. Sie erinnert sich an ein Interview, das Abbas im Jahr 2012 einer israelischen Zeitung gab:
»Als er gefragt wurde, ob er in Safed, seinem Geburtsort, leben wolle, das von Israel 1948 übernommen wurde, antwortete er: ›Es ist mein Recht, es zu sehen, aber nicht, dort zu leben. … Palästina ist heutzutage das in den Grenzen von 1967, mit Ostjerusalem als Hauptstadt.‹«
Mit dieser Antwort, so Ahed Tamimi, »betrog Abbas jeden Palästinenser, insbesondere die Flüchtlinge, die ihr Recht auf Rückkehr heilighalten«. Diese »Beleidigung« sei »unverzeihlich«. Dadurch, dass Abbas hier scheinbar die Existenz Israels innerhalb bestimmter Grenzen akzeptierte, wenn auch nur gegenüber einem Publikum, von dem Abbas wusste, dass es das hören wollte, habe er in ihren Augen »wirklich jegliche Legitimität verloren«.
CNN als Bühne für Aheds Propaganda
Ahed Tamimi hat die Funktion eines Türöffners. Weil sie jung und weiblich ist, Englisch spricht und behauptet, ihr »Widerstand« sei gewaltlos und »unbewaffnet«, kann man das, was sie sagt, einem westlichen Publikum schmackhaft machen. Der amerikanische Nachrichtensender CNN führte im September ein Gefälligkeitsinterview mit Ahed Tamimi, bei dem der Redakteur Nadeem Muaddi, der auch für den katarischen Medienkonzern Al-Jazeeraarbeitet, ihr sogenannte Softball-Fragen servierte:
- »Sind Sie nicht noch zu jung, um Ihre Memoiren zu schreiben?«
- »Sehen Sie sich als Teil eines globalen Kampfes?«
- »Was sollen nichtpalästinensische Leser aus Ihrem Buch mitnehmen?«
Dazu die absurde Frage, wie sie mit dem »Ansturm des Medieninteresses« nach ihrer Entlassung aus israelischer Haft »zurechtgekommen« sei – als hätten Ahed und ihre Eltern je etwas anderes geplant, als sie zum Mittelpunkt des Medieninteresses zu machen. Fragen, die der Interviewer nicht stellte, waren:
- »Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Onkel Nizar und Ihrer Tante Ahlam?«
- »Wie beurteilen Sie, dass Ihre Tante möglichst viele jüdische Kinder töten wollte und sich darüber freut, dass es ihr geglückt ist?«
- »Gibt es irgendein von der Fatah oder der Hamas verübtes Massaker an Juden, das Sie verurteilen?«
Im abschließenden Teil ihres Buches schildert Ahed Tamimi ihre Verhaftung und die Monate im Gefängnis. Dort erwarb sie die palästinensische Hochschulreife (Tawjihi). Sie beschreibt, wie sie und Mithäftlinge selbstverwaltete Jura-Kurse belegten, in denen die Schülerinnen erklären mussten, gegen welche internationalen Konventionen der Staat Israel angeblich verstößt: Anti-Israel-Seminare in einem israelischen Gefängnis also.
Ahed Tamimis Rolle im Propagandakrieg hat sich gewandelt. Sie ist nicht mehr die Kinderschauspielerin, die israelische Soldaten schlecht aussehen lassen soll. Sie ist eine Medienbotschafterin, die an der Seite von Terroristen wie Leila Khaled auftritt (wie bei der skandalösen Veranstaltung im Europaparlament im Oktober 2017) und ihre »Berühmtheit« nutzt, um zur Vernichtung Israels aufzurufen. Dass ihr dabei alle Mittel recht sind, bishin zur wahllosen Ermordung unschuldiger Passanten, hat sie selbst oft genug erklärt.
So besteht ihre Funktion darin, ein naives westliches Publikum für sich einzunehmen, eines, das entschlossen ist, in ihr die gewaltfreie Aktivistin zu sehen, das »Virus des friedlichen Widerstands«, wie eine Spiegel-Autorin einmal schrieb. Sind die westlichen Journalisten einmal angelockt, bleiben sie an ihr kleben wie auf Fliegenpapier. Dass Ahed Tamimi Mordanschläge verherrlicht, von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah dafür gelobt wurde und sich bei diesem bedankte, kann die Journalisten dann schon nicht mehr schrecken.
Bleibt die Frage, was das alles soll. »Wir schaffen die Basis für die dritte Intifada«, erklärte Aheds Vater Bassem vor einigen Jahren dem amerikanischen Anti-Israel-Aktivisten Max Blumenthal. Die Gewalt dient also dazu, mehr Gewalt zu nähren. Seit Haim Mitzrachi am 29. Oktober 1993 im Kofferraum seines Autos verbrannte, sind fast dreißig Jahre vergangen. Die Tamimis sind weiter entschlossen, bis zur »vollständigen Befreiung Palästinas« zu kämpfen und jeglichen Friedensprozess zu torpedieren, der möglicherweise zustande kommen wird. Bislang hatten sie ja zumindest bei ihrer zweiten Mission Erfolg.
Literatur:
Ahed Tamimi/Dena Takruri: They Called Me a Lioness. A Palestinian Girl’s Fight for Freedom, One World, London, 2022.
Der gestern hier erschienene erste Teil beschäftigt sich mit Ahed Tamimis Schilderungen ihrer Kindheit und damit, wie sie von ihrer Familie zur Ikone des »palästinensischen Widerstands« stilisiert wurde.