(Nicht erst) Seit der Machtübernahme der Taliban verlassen Abertausende Menschen Afghanistan. Im Iran werden sie nicht mit nachbarschaftlicher Hilfe empfangen, umso mehr aber mit Gewalt.
Vor Kurzem gelangten Videos über die sozialen Medien an die Öffentlichkeit, welche die systematische Misshandlung afghanischer Flüchtlinge im Iran dokumentieren.
Auf einem der tausendfach angeklickten Filme ist zu sehen, wie ein wütender Mob einen jungen Afghanen angreift, während Polizisten danebenstehen und nicht intervenieren. In einem anderen sieht man, wie ein Iraner einen weinenden afghanischen Buben zwingt, Afghanistan zu verfluchen, während er dem Iraner die Füße küssen muss.
Unter dem Twitter-Hashtag #AfghanRefugeesInIran finden sich Bilder von Flüchtlingen, die in überfüllten Behausungen zusammengepfercht werden und sowohl brutalen Attacken der Sicherheitskräfte wie auch willkürlichen Angriffen von der Zivilbevölkerung ausgesetzt sind.
Die Filmaufnahmen haben die Aufmerksamkeit auf die weit verbreiteten Misshandlungen afghanischer Flüchtlinge im benachbarten Iran geworfen und die afghanische Diaspora weltweit entsetzt. So twitterte etwa der Journalist Zahra Nader:
»Ich kann mir diese Videos von afghanischen Flüchtlingen nicht ansehen, die im Iran geschlagen und gedemütigt werden. Das retraumatisiert mich. Ich habe selbst als afghanischer Flüchtling im Iran gelebt. Ich war ein Kind, aber im Iran wurde ich jeden Tag daran erinnert, was ich war: ein ›ekelhafter Afghane‹.«
Die für Südasien zuständige Rechercheurin bei Amnesty International, Zaman Sultani, sagte in einem von The New Arab zitierten Interview mit Radio Free Europe:
»Es ist schrecklich, ekelerregend und herzzerreißend in diesen Videos zu sehen, wie unmenschlich afghanische Migranten und Flüchtlinge im Iran behandelt werden.«
Auch wenn die Echtheit von vielen der Handyvideos nicht offiziell bestätigt ist, haben sie doch Reaktionen von den Behörden sowohl in Kabul als auch in Teheran nach sich gezogen. Der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid etwa forderte »die Islamische Republik Iran auf, afghanische Flüchtlinge nicht zu schikanieren«.
Weiter rief Mujahid Teheran dazu auf, die gewaltsame Abschiebung afghanischer Flüchtlinge zu beenden und kritisierte die iranischen Grenzbeamten, Flüchtlinge in den provisorischen Lagern an der Grenze zwischen den beiden Ländern zu misshandeln und zu schlagen.
Als Antwort veröffentlichte die iranische Botschaft in Kabul ein Statement, in der sie die Vorwürfe zurückwies und erklärte:
»Die aktuell zirkulierenden Informationen stellen eine Verschwörung dar, mit dem Ziel, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu unterminieren. Trotz der wirtschaftlichen Notlage und der Sanktionen hat die Islamische Republik Iran den Zuflucht suchenden afghanischen Staatsbürgern keine Hindernisse in den Weg gelegt – und wird auch weiterhin damit fortfahren, sie aufzunehmen.«
Nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind mehr als drei Millionen Afghanen in den Iran geflohen, von denen rund 2,6. Mio. ohne Aufenthaltsgenehmigung dort leben, wodurch sie leicht Opfer von Misshandlung, Internierung und schlechten Arbeitsbedingungen werden und häufig von Deportationen betroffen sind.