Angesichts der iranischen Gefahr: Sunnitisch-arabische Staaten scheinen sich vermehrt Israel zuzuwenden

Von Bassam Tawil

Der Israelaufenthalt des ägyptischen Aussenministers im letzten Monat war für viele eine Überraschung. Die kritische Meinung in der ägyptischen Öffentlichkeit sowie die ägyptischen Medien deuten darauf hin, dass die Unterzeichnung des israelisch-ägyptischen Friedensvertrags zwar viele Jahre her ist, das offizielle Abkommen jedoch erst noch ins öffentliche Bewusstsein dringen muss und auf beiden Seiten der Grenze noch beträchtliches Misstrauen herrscht. Dasselbe gilt auch für den Frieden zwischen Israel und Jordanien.

Netanyahu-ShoukryUnter der Herrschaft Mohammed Mursis von der Muslimbruderschaft hatten die Beziehungen einen neuen Tiefpunkt erreicht, als Ägypten heimlich dem iranischen Erfüllungsgehilfen Hamas Unterstützung gegen Israel gewährte. Der Besuch des ägyptischen Außenministers Samih Schukri in Israel Anfang Juli 2016 könnte ein Anzeichen sein, dass der eisige Frieden zwischen Israelis und Ägyptern, der 1979 von Begin und Sadat per Unterschrift geschlossen wurde, nun auftaut.

Auf regionalstrategischer Ebene spielt Ägypten eine zentrale Rolle in der Anti-Iran-Koalition der sunnitisch-arabischen Staaten, zu der Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören. Durch die Gewalt des Arabischen Frühlings trat die unvermeidliche Konfrontation zwischen einem revisionistischen, aggressiv-schiitischen Iran und den arabischen Ländern in den Vordergrund, die sich zur Verteidigung gegen iranische Aggressionen aufstellen: hauptsächlich im Jemen, in Syrien, im Irak und in Afrika.

Unter diesen Umständen zeigt schon die Bekanntgabe jeglicher Art von Zusammenarbeit zwischen Ägypten und Israel eine Annäherung an und könnte, zum Wohl der arabischen und muslimischen Welt, den Beginn einer Legitimierung der bilateralen Beziehungen darstellen. Womöglich war Schukris Israelbesuch sogar dazu gedacht, den Weg für eine Ausweitung der Beziehungen zu Israel zu bereiten und ein Bekenntnis zur bis dato geheimen Kooperation zwischen vielen arabischen und muslimischen Ländern und Israel abzulegen.

In Anbetracht der aktuellen Situation einer Annäherung Ägyptens an Israel und Russland könnte es jedoch zu einer Konfrontation kommen, unglücklicherweise mit den Vereinigten Staaten. In gleichem Maße wie die Iraner mit der Entwicklung von Atomwaffen und den zugehörigen Trägerraketen voranschreiten sowie mit Volksverhetzung, Waffen, Geld und über Stellvertreter versuchen, die arabischen und muslimischen Staaten zu destabilisieren, zeigen die Amerikaner sowohl Israel als auch der al-Sisi-Regierung in Ägypten zunehmend die kalte Schulter. Die derzeitige US-Administration ist im gesamten Nahen Osten dafür bekannt, ihre Feinde zu stärken und sich gegenüber Freunden heuchlerisch zu verhalten. Wir scherzen bisweilen, dass es für ein Land wesentlich besser sei, Amerika zum Feind zu haben als zum Verbündeten. Denn in dann werden Unmengen von Geld und große Mühen investiert, um diesen „Feind“ zu umwerben. Amerika scheint noch nie auf einen Feind getroffen zu sein, den es nicht mochte.

Sowohl Israel als auch Ägypten sehen die Hamas als Terrororganisation an, weil sie auf der Sinai-Halbinsel mit dem IS zusammenarbeitet und der palästinensische Zweig der Muslimbruderschaft ist, deren einziges erklärtes Ziel die Verbreitung des Islamismus ist. Nach ägyptischen Quellen hat Israel den ägyptischen Streitkräften auf der Sinai-Halbinsel bewusst Informationen über die militärische Schlagkraft der israelischen Streitkräfte (IDF) und nachrichtendienstliche Unterstützung zukommen lassen, um durch diese „Kollaboration mit dem ‚Feind‘“ die Beziehung zwischen beiden Ländern zu stärken. Es liegt allerdings auch im Interesse der arabischen und muslimischen Welt, so bald wie möglich eine Lösung zu finden, um das palästinensische Problem von der Agenda zu streichen und eine gemeinsame Front gegen den Iran zu errichten. Ein derart „starkes Pferd“ mit einzuspannen, könnte sogar dabei helfen, einen Sieg zu verzeichnen.

Der Besuch des ägyptischen Aussenministers in Jerusalem schien für die Palästinensische Autonomiebehörde ein Signal zu sein, ihre Erwartungen zu senken. Die traditionelle arabische Haltung, die von autokratischen Herrschern genutzt wird, um die unzufriedene Bevölkerung abzulenken, besteht darin, mit dem Finger auf die Bösen im Ausland zu zeigen, statt auf die eigene Führung. Doch das beginnt sich deutlich zu ändern. Israel wird in seiner Stellung als größter Feind vernünftigerweise durch den Iran ersetzt. Der Besuch in Israel zeigt auch, dass die Hamas die Rechtmäßigkeit und Handlungsfähigkeit der Palästinensischen Autonomiebehörde geschwächt hat, da sie sich weiterhin als Hürde auf dem Weg zu einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts darstellt und dafür sorgt, dass der Westen mit nebensächlichen Problemen beschäftigt ist und sich so nicht mit den wirklich kritischen Themen in der Region auseinandersetzen kann.

Ob es einem passt oder nicht – irgendwann wäre es klug, wenn die sunnitisch-arabischen Staaten Israel bei ihrem tödlichen Kampf gegen den Iran in ihre Schützengräben aufnehmen würden.

Artikel zuerst erschienen bei Audiatur Online. Bassam Tawil lebt als Wissenschaftler und Journalist im Nahen Osten.

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