Ägypten ist intensiv dabei, in Gaza eine verbesserte Infrastruktur aufzubauen und die Lebenssituation der Bevölkerung zu verbessern. Diese wirtschaftliche Entwicklung soll auch den Einfluss der Hamas schwächen.
Yaakov Lappin
In den vergangenen Wochen sind Berichte über die Rolle Ägyptens bei den Verhandlungen zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und Israel über die mögliche Erschließung von Erdgasvorkommen vor der Küste des Gazastreifens öffentlich geworden. Da Ägypten selbst nicht über die Mittel verfügt, um selbst im Gazastreifen zu investieren, dient es als Vermittler für Investoren und Unternehmer aus der Golfregion.
Die Berichte sind zwar noch unbestätigt, aber es steht außer Zweifel, dass ägyptische Bulldozer neue Straßen in Gaza planieren und ägyptische Bautrupps neue Wohnviertel im Norden des Küstenstreifens errichten, wobei sie sich auf internationale Finanzierungen, vor allem aus den Golfstaaten stützen, um Gaza dabei zu helfen, die Schäden der vergangenen militärischen Konflikten zu reparieren. Und es war auch Kairo, das in diesen Konflikten die Waffenstillstände vermittelt hat.
Im Interesse Ägyptens aber auch Israels
All diese Maßnahmen werden von ägyptischen Sicherheits- und politischen Interessen geleitet, kommen aber auch Israel zugute, so Oberst a. D. Shaul Shay, wissenschaftlicher Mitarbeiter am International Institute for Counter-Terrorism in Herzliya und ehemaliger stellvertretender Leiter des israelischen Nationalen Sicherheitsrats.
»Die ägyptische Intervention im Gazastreifen ist eine einmalige Situation, von der alle Parteien profitieren«, so Shay. Israel kann zwar nicht direkt mit dem Hamas-Terrorregime im Gazastreifen verhandeln, doch ist Jerusalem daran interessiert, die Bedingungen für die schätzungsweise zwei Millionen Einwohner zu verbessern, da dies nach israelischer Auffassung die Gefahr einer Eskalation verringern und den Menschen ein Interesse an einem anhaltenden Waffenstillstand geben würde – eine Entwicklung, die auch die Hamas-Führung spüren würde.
Ägypten baut Ortschaften in Gaza und legt Straßen an. Auch bringt er Investoren und Unternehmer ins Land, die Geld in Projekte im Gazastreifen stecken. »Man geht davon aus, dass die Hamas in jedem Fall mehr zu verlieren hat, wenn Gaza sich wirtschaftlich entwickelt. Die Bewohner werden ihre diese Entwicklung beibehalten wollen, was zu mehr Ruhe auf der palästinensischen Seite führen wird«, so Shays Einschätzung.
Gleichzeitig betonte Shay, dass die Hamas ihre radikale Weltanschauung nicht aufgegeben hat, und sich weiterhin auf das Ziel konzentriert, den Israel zu zerstören und durch einen palästinensischen Staat zu ersetzen, der von den Muslimbrüdern geführt wird und sich vom Jordan bis zum Mittelmeer erstreckt.
Dieses langfristige Ziel geht jedoch mit einer Politik einher, in der die Hamas zu kurzfristigen pragmatischen Kompromissen bereit ist. »Selbst [Hamas-Gründer] Scheich Ahmad Jassin war bereit, eine Hudna [langfristige Waffenruhe] einzugehen, ohne die Prinzipien der Hamas aufzugeben. Die Hamas will zeigen, dass sie in der Lage ist, den Gazastreifens zum Wohle der Bevölkerung zu regieren, und nur Krieg zu führen.«
Konstruktiver Vermittler
In Zeiten des Konflikts habe Kairo immer wieder als konstruktiver Vermittler zwischen Israel und der Hamas agiert, sagt Shay, und es sie immer das erste Land, das Vermittlungshilfe anbietet. »Ägypten vermittelt auch bei anderen Konflikten zwischen Israel und der Hamas, zum Beispiel beim Austausch von Geiseln und Gefangenen wie beim Abkommen über Gilad-Schalit im Jahr 2011, was auch immer man von diesem Deal halten mag.«
Derzeit ist Kairo an Gesprächen über die Freilassung von zwei israelischen Zivilisten beteiligt, die im Gazastreifen festgehalten werden, sowie über die Freigabe der Leichen von zwei Angehörigen der israelischen Streitkräfte, die im als »Operation Protective Edge« bekannten Sommerkrieg 2014 getötet wurden. »Ägypten ist präsent und kann mit der Hamas, dem Palästinensischen Islamischen Dschihad und anderen Gruppierungen kommunizieren. Daher hat Israel ein großes Interesse an dieser Vermittlung«, sagte Shay.
Ägypten sieht sich selbst als Führer der arabischen Welt, was auch bedeutet, dass es eine Schlüsselrolle im israelisch-palästinensischen Konflikt spielt. In den Augen der Vereinigten Staaten, die aufgrund der Spannungen wegen der amerikanischen Kritik an Menschenrechtsfragen in Ägypten ein gestörtes Verhältnis zur Regierung von Präsident Abdel Fattah el-Sisi haben, sammelt Kairo damit politische Pluspunkte. »Die USA sehen Ägyptens Rolle bei der Wiederherstellung der Ruhe im Gazastreifen durchaus positiv, sodass Ägypten auch in dieser Hinsicht profitiert«, so Shay.
Nicht minder wichtig ist, dass Ägypten sich von Sicherheitsinteressen leiten lässt, nämlich dem Wunsch, die Sinai-Halbinsel, auf der seit Jahren ein Aufstand des Islamischen Staates herrscht, vom Gazastreifen abzutrennen, der ebenfalls eine Brutstätte des Terrors ist. Shay zufolge will Ägypten sicherstellen, dass keine Waffen aus dem Gazastreifen in den Sinai gelangen und Terroristen aus dem Sinai keinen Unterschlupf im Gazastreifen finden, wie es in den vergangenen Jahren immer wieder der Fall war.
Schließlich profitiere auch die Hamas von den ägyptischen Aktivitäten, sagte er. »Die Hamas ist kein großer Fan der Regierung el-Sisi, die energisch gegen die Muslimbruderschaft in Ägypten vorgegangen ist, um sie zu unterdrücken. Die Hamas braucht jedoch die Unterstützung Ägyptens, um die Kämpfe mit Israel zu beenden und andere Fragen zu klären.«
Für die Hamas ist es außerdem von entscheidender Bedeutung, dass der Grenzübergang Rafah, der den Gazastreifen mit dem Sinai verbindet, so weit wie möglich für den Waren- und Personenverkehr geöffnet bleibt. »Der einzige Weg aus dem Gazastreifen führt über Ägypten und den Flughafen von Kairo. Rafah öffnet und schließt sich im Einklang mit den ägyptischen Interessen«, so Shay, der zum dem Schluss kommt, dass Ägypten eine Rolle spielt, die für alle Beteiligten von großem Nutzen ist.
Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)