Nach einem erfolgversprechenden Start sind die Gespräche zwischen Ägypten und der Türkei ins Stocken geraten, was Experten auf Differenzen bei den Themen Muslimbruderschaft und Libyen zurückführen.
Vor einigen Tagen hieß es in Presseberichten, dass die geplanten Treffen zwischen Beamten aus Ägypten und der Türkei nach einem Fernsehinterview des ägyptischen Außenministers Sameh Shoukry verschoben wurden, in dem er gesagt hatte, Kairo verlange von der türkischen Politik, dass sie auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder basiere.
Daraufhin kritisierte Yasin Aktay, der Berater des türkischen Präsidenten, eine ägyptische Gerichtsentscheidung vom vergangenen Montag, die die Todesurteile gegen 12 prominente Mitglieder der Muslimbruderschaft bestätigt hatte. Einen Tag später bekräftigte Aktay in weiteren Äußerungen, dass es der Türkei – die Tausende Mitglieder der von Ägypten als terroristisch eingestuften Gruppe beherbergt – unmöglich sei, politische Vertreter der Muslimbruderschaft an Ägypten auszuliefern.
In einem Artikel in der Zeitung Yani Shafak betonte Aktay obendrein, dass es für die Türkei undenkbar sei, ihre Truppen und Söldner aus Libyen abzuziehen. Aktays Aussagen unterstreichen die beiden Hauptstreitpunkte zwischen Kairo und Ankara: den Abzug der Söldner aus Libyen sowie die Auslieferung von Mitgliedern der Muslimbruderschaft in der Türkei.
Hauptstreitpunkte
Unterdessen zitierte die in London erscheinende Zeitung Al-Araby Al-Jadeed ägyptische diplomatische Quellen mit der Aussage, dass die der Wiederherstellung der Beziehungen gewidmeten gemeinsamen Konsultationen zwischen Ägypten und der Türkei in letzter Zeit ins Stocken geraten seien.
In diesem Zusammenhang sagte der Leiter des Middle East Forums for Studies, Samir Ghattas, dem amerikanischen Sender Al-Hurra, dass „die Verschiebung der Treffen zwischen Ägypten und der Türkei auf mehrere Gründe zurückzuführen ist, von denen der wichtigste der Streit um Libyen ist.“ Angeheizt habe die Lage der „plötzliche Besuch einer hochrangigen türkischen Delegation in Tripolis vor einigen Tagen, ohne dass die libysche oder ägyptische Seite vorher über diesen Besuch informiert worden“ wäre.
Unstimmigkeiten gebe es auch über den Abzug von Söldnern und türkischen Streitkräften, die auf Stützpunkten im Westen Libyens stationiert sind, so Ghattas: „Ankara lehnt die diesbezügliche Bitte Kairos ab. Dies zeigt die Spannung in den Beziehungen zwischen Kairo und Ankara, die auf Libyen zurückzuführen sind, das geradezu unter türkischer Vormundschaft steht.“
Die Direktorin des Egyptian Center for Democratic Studies Dalia Ziada erklärte: „Leider scheint es, dass die anfänglichen Gespräche über die Versöhnung zwischen Ägypten und der Türkei zu scheitern drohen, was auf die fehlende Übereinstimmung zwischen den beiden Parteien in grundlegenden Fragen zurückzuführen ist, die für beide von zentralem Interesse sind. Das betrifft insbesondere die Frage der Muslimbrüder und der türkische Militärpräsenz in Libyen.“
Gegenüber Sky News Arabia fügte sie hinzu: „Mehrere Indikatoren zeigen deutlich, dass die Gespräche auf Eis liegen. Wenn diese Pattstellung in den kommenden Tagen nicht aufgelöst wird, werden wir wohl eine weiter Verschlechterung der Beziehungen zwischen beiden Ländern erleben.”
Die Türkeispezialistin Rabab Ahmed sagte gegenüber Mena-Watch, dass die Ankara die Präsenz seiner Streitkräfte in Libyen als kritischen Punkt betrachte, auf den nicht verzichtet werden könne, weil er die Positionen des Landes in mehreren der umstrittenen Fragen stärke, darunter die Beziehungen zur Europäischen Union und die Frage der Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer.
Sie fuhr fort: „Ich erwarte nicht, dass die Türkei nachgibt und sich den internationalen und ägyptischen Bitten unterwirft, ihre Streitkräfte und ausländischen Söldner aus Libyen abzuziehen, was sich wiederum negativ auf die laufenden Konsultationen zwischen Ägypten und der Türkei zur Versöhnung auswirken wird.“
Zurück zum Nullpunkt
Ahmed fügte hinzu: „Was das Thema Muslimbruderschaft anbelangt, erwarte ich, dass die Türkei in der kommenden Zeit zu einem taktischen Rückzug greifen wird, um das endgültige Scheitern der Versöhnungsverhandlungen mit Ägypten zu verhindern. Ankara“, so erklärte sie, „könnte das Angebot machen, mit der Muslimbruderschaft verbundene Politiker und Medienschaffende, daran zu hindern, von türkischem Territorium aus Kampagnen gegen Ägypten zu starten.“
In den vergangenen Jahren waren die Beziehungen zwischen der Türkei und Ägypten wegen der unterschiedlichen Position zur Muslimbruderschaft, zum Libyen-Konflikt sowie zur Frage der Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer angespannt. Ankara hat in den letzten Monaten jedoch versucht, seine Beziehungen zu Kairo zu verbessern.
So schickte die Türkei schickte vor Wochen eine Delegation zu Gesprächen nach Ägypten, und Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu führte ein Telefonat mit seinem ägyptischen Amtskollegen Sameh Shoukry. Und im Juni dieses Jahres sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dem Nachrichtensender TRT: „Wir sehen großes Potenzial in der Zusammenarbeit mit Ägypten in einer Vielzahl von Bereichen, vom östlichen Mittelmeer bis nach Libyen.“
Erdogan fügte hinzu, dass er das ägyptische Volk „liebt, und deshalb sind wir entschlossen, diesen Prozess wieder aufzunehmen“. Die Differenzen bei den Themen Muslimbruderschaft und Libyenkonflikt haben die Versöhnungsverhandlungen jedoch wieder auf den Nullpunkt zurückgeworfen.