„Doch wie realistisch ist dieses Vorhaben [eines Abzugs des Iran aus Syrien]? Der Iran sei ‚kein kleines Land, das man einfach zwingen kann‘, sagte Levon Dzhagarian, der russische Botschafter in Teheran am Donnerstag. Das Land hat außerdem lange vorgebaut. Es ist in Syrien weitaus tiefer verwurzelt, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Teheran und seine Revolutionsgarden, die paramilitärischen Wächter der Islamischen Revolution von 1979, verfolgen in Syrien seit Jahren die Strategie, ihren Einfluss langfristig abzusichern. Ende 2017 schätzte das Weiße Haus, dass der Iran ‚80 Prozent der Assad-Kämpfer‘ kontrolliere. Aber der Einfluss der Iraner geht weit über Kontrolle hinaus, sagt Aymenn Jawad Al-Tamimi. Er hat eine Studie über bewaffnete Gruppen des syrischen Regimes verfasst. ‚In Realität geht es bei dem Projekt der Revolutionsgarden nicht um Dominanz und Kontrolle‘, schreibt der britische Forscher, ‚sondern um Integration und den Versuch, ein unsichtbarer Teil des Systems zu werden.‘ (…)
Doch die Strategie der Iraner geht weit über das rein Militärische hinaus. In den letzten Tagen haben mehrere Buskonvois mit Tausenden von Freischärlern und ihren Familien die umkämpfte Provinz Daraa verlassen. Sie mussten ihre Waffen abgeben und durften dafür nach Idlib ausreisen, in das letzte Rebellengebiet im Norden des Landes. Es ist ein Deal, wie er schon einige Male ausgehandelt worden war. ‚Damit verändern sie die Demografie Syriens‘, werfen Rebellenorganisationen dem syrischen Regime und dem Iran vor. Tatsächlich wird in einigen Regionen die ursprünglich sunnitische Bevölkerung gezielt durch schiitische Bewohner ersetzt. So erhalten Mitglieder schiitischer Milizen und Flüchtlinge ehemalige Wohnungen von Sunniten. In den Tälern zwischen Damaskus und dem Libanon sollen Tausenden von geflüchteten Schiiten die leer stehenden Häuser von geflohenen Sunniten zugewiesen worden sein. ‚Der Iran strebt einen Bevölkerungswechsel an‘, sagte ein Sprecher der Rebellengruppe Ahrar al-Scham. ‚Sunniten sollen in den Norden und Schiiten in den Süden.‘ Damit soll die Achse von den Schiiten im Libanon, über Damaskus und Homs, bis zum syrischen Mittelmeer gestärkt werden.“ (Alfred Hackensberger: „Teherans subtile Syrien-Strategie“)