„Andererseits scheint die türkische Regierung die Meinung des Westens aber ohnehin kaum noch zu interessieren. ‚Mir ist es egal, ob sie mich Diktator nennen‘, sagte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan jüngst. ‚Achtet nicht auf das, was der Westen sagt, achtet auf das, was Allah sagt‘, rief er auf einer Kundgebung am Dienstag in Ankara. Yildirim wiederum sagte an die Adresse von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: ‚Eure roten Linien sind uns egal, bei uns zieht die Nation die Linien.‘ Außenminister Mevlüt Cavusoglu attestierte der Bundesrepublik ‚Türkeifeindlichkeit‘. Deutschland würde nicht wollen, dass die Türkei Fortschritte mache. ‚Wieso seid ihr neidisch auf die Türkei?‘, fragte er.
Doch der primäre Adressat dieser aggressiven Rhetorik ist nicht die Europäische Union, sondern die eigene Anhängerschaft. Durchaus zutreffend kritisiert der sozialdemokratische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, dass die regierende AKP die ‚Außenpolitik zum Mittel der Innenpolitik‘ mache. (…) Dabei ist der türkischen Regierung das Ausland keineswegs gleichgültig. Ankara registriert sehr genau, was in der westlichen Welt gesagt wird. Ein Grund: Das schlechte Image schadet dem Geschäft, vor allem der Tourismusbranche, die im vergangenen Jahr so schlechte Umsätze wie seit Jahren nicht mehr verbuchte. So dürfte auch der neue Fortschrittsbericht aus Brüssel nicht ganz folgenlos bleiben.“ (Christoph B. Schiltz/Deniz Yücel, Istanbul: „Das Urteil der EU über Erdogans Türkei ist vernichtend“)
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