Der von Israel getötete Abu Naim war ein hochrangiger Hamas-Kader – und ein korrupter Verbrecher. Sein Ableben löst bei vielen Erleichterung aus.
Mohammed Altlooli
Die gezielte Tötung von Tawfiq Abu Naim, einem hochrangigen Mitglied des Hamas-Sicherheitsapparats, bei einem israelischen Luftangriff im vergangenen April erschütterte die politische und soziale Landschaft des Gazastreifens. Während die Hamas-Regierung ihn als »Märtyrer des Widerstands« feierte, reagierten viele normale Bewohner ganz anders – einige mit Schweigen, andere mit heimlicher Erleichterung.
Hinter Abu Naims öffentlichem Image als Verteidiger der Ordnung und der nationalen Sicherheit verbirgt sich ein zutiefst polarisierendes Vermächtnis, geprägt von Vorwürfen der Korruption, des Drogenhandels, der politischen Unterdrückung und der Manipulation der Justiz.
Aufstieg zur Macht
Abu Naim wurde 2011 im Rahmen des Gefangenenaustauschs um Gilad Shalit (bekannt als Wafaa al-Ahrar-Abkommen) aus israelischer Haft entlassen. Kurz darauf wurde er zum Leiter des internen Sicherheitsapparats der Hamas im Gazastreifen ernannt. Als enger Verbündeter des Hamas-Führers Yahya Sinwar wurde er zu einer zentralen Figur bei der Durchsetzung der inneren Ordnung – oft mit eiserner Faust.
Jahrelang beschuldigte die Bevölkerung Abu Naim stillschweigend, ein Schattennetzwerk zu leiten, das in den Drogenhandel verwickelt war, und auch, Kollaborateure innerhalb der Hamas zu schützen. Nach zahlreichen unbestätigten Berichten habe er Ermittlungen gefälscht, um Verbündete zu schützen, die in den Drogenhandel verwickelt waren.
Abu Naim war auch berüchtigt für die Niederschlagung friedlicher Demonstrationen wie der »Wir wollen leben«-Proteste. Unter seinem Kommando wurden Aktivisten Meldungen zufolge ohne ordentliches Verfahren verhaftet, geschlagen und verhört.
Gezielte Tötung
Die israelischen Streitkräfte bekannten sich zu dem Luftangriff im Mai 2025, bei dem Abu Naim getötet wurde, und erklärten, er sei aktiv an der Planung von Anschlägen beteiligt gewesen. Sein Tod hinterlässt eine erhebliche Lücke in der inneren Sicherheitsstruktur der Hamas.
Intern hält sich die Führung mit Angaben zur Nachfolge bedeckt, aber in den Straßen von Gaza brodelt es mit Gerüchten über interne Streitigkeiten und Machtverschiebungen.
Reaktionen
»Abu Naims Tod hat mir ein seltsames Gefühl der Erleichterung verschafft. Wir lebten in Angst vor seiner Polizei«, sagt M. A., ein junger Journalist aus dem Zentrum von Gaza. Seine Reaktion auf das Ableben Abu Naims ist durchaus typisch, da viele Bewohner des Gazastreifens eine ähnliche Erleichterung verspürten.
»Niemand konnte offen sprechen. Äußerte man auch nur ansatzweise Kritik auf Facebook, konnte man zum Verhör vorgeladen werden«, so der Universitätsstudent L. M.
»Er war nach Sinwar der mächtigste Mann im Gazastreifen. Aber die Menschen respektierten ihn nur, weil sie es mussten«, sagt H. K., ein ehemaliger Mitarbeiter des Innenministeriums.
Die Geschichte von Tawfiq Abu Naim ist symbolisch für die komplexe Realität im Gazastreifen, wo »Widerstand« und Unterdrückung oft verschwimmen und Schweigen mehr sagt als Parolen. Sein Tod, der keine öffentliche Trauer ausgelöst hat, wirft drängende Fragen nach Gerechtigkeit, Regierungsführung und dem Preis unkontrollierter Macht auf.