Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, warnte, dass das Einfrieren der Friedensverhandlungen und die „anhaltende Siedlungspolitik“ in der Westbank das Ende der Kooperation mit Israel bezüglich der Sicherheits- und Wirtschaftsverträge sein werde. Dieselbe Autonomiebehörde also, die zum Märtyrertum ermuntert, beschwert sich nun über Sicherheitsabkommen. Dieselbe Behörde, deren 6.000 Polizeibeamte in ihren Einsatzstellen verbleiben, wenn die israelische Armee Attentäter sucht oder präventive Kontrollen und Verhaftungen gegen Terrorverdächtige durchführt.
Bei einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag in Kairo sagte Abbas: „Die Beziehungen zu Israel befinden sich in einer Krise, da jetzt mehr Siedlungen denn je gebaut werden.“ Auch wäre die Palästinensische Autonomiebehörde nicht zufrieden mit der Einhaltung des Wirtschaftsabkommens, das in Paris im Jahr 1994 unterzeichnet wurde. Abbas traf den ägyptischen Präsident Abdel Fattah el-Sissi, um mal wieder eine Versöhnung zwischen der Hamas und der Fatah zu diskutieren. Vertreter der Fatah beschuldigten die Hamas-Behörden, sie hätten Fatah-Mitglieder am Montag davon abgehalten in Gaza-City Fackeln zu entzünden, um den 54 Jahrestag der Partei zu zelebrieren. Seit 2007 besteht ein andauernder Streit zwischen beiden Parteien, da in diesem Jahr die Palästinensische Autonomiebehörde nach bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen von der Hamas aus dem Gazastreifen vertrieben wurde. Die seither mehrfach unterzeichneten Friedens- bzw. Versöhnungsabkommen untereinander, blieben stets mehr Worte als dass ihnen Taten gefolgt wären.
Bereits vor einem Monat stellte Abbas schon einmal die Frage nach der Beendigung der Pariser Verträge in den Raum. Nun sagte er einmal mehr: „Es ist möglich, dass wir uns entscheiden, alle Verbindungen mit ihm [Israel] abzubrechen, weil kein Spielraum mehr besteht“ und fuhr fort: „Ich bin jetzt 83 Jahre alt und ich bin nicht bereit, mein Leben als Verräter zu beenden. Ich habe nicht mehr die Kraft zu kämpfen, aber ich kann nein sagen. Wir sind nicht bereit Jerusalem aufzugeben.“
Des weiteren gab er bekannt, dass er keine Einmischung ausländischer Kräfte im Zusammenhang mit den Kernforderungen der Palästinenser im Konflikt mit Israel akzeptiere, insbesondere nicht wenn es um den Status von Jerusalem gehe. Ebenso stritt er ab er, dass arabische Staaten wie Ägypten ihn unter Druck gesetzt hätten, Washingtons bisher noch unveröffentlichten Friedensplan zu akzeptieren und Jerusalem als die Hauptstadt Israels anzuerkennen. Über die Hamas ließ er nur verlauten, dass er bereit wäre, alle Stränge zu kappen, wenn die islamische Terrororganisation die über den Gazastreifen herrscht, weiterhin den Aussöhnungsvertrag brechen sollte: „Die Hamas bezieht Wasser, Strom und Medikamente aus anderen Ländern und verkauft sie zur eigenen Bereicherung an die Bewohner von Gaza. Wenn sich die Hamas nicht an die Vereinbarungen hält, werden wir alle Zahlungen an sie im [Gaza]-Streifen beenden, die monatlich 96 Millionen US-Dollar betragen. Ramallah wird die Hamas-Regierung im Gazastreifen nicht weiter finanzieren.“
Doch nicht nur die Sicherheits- und Wirtschaftsverträge mit Israel stellte er in Frage, sondern auch die Osloer Verträge. Dies vor allem auch in Hinsicht auf die Entscheidung von Präsident Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen sowie in Hinblick auf den noch ausstehenden Friedensplan von Seiten Amerikas. Abbas sagte: „Wir haben drei Punkte, die wir nicht akzeptieren können: die Situation mit den USA, die Situation mit Israel und die Situation mit der Hamas,“ und führte weiter aus: „Die Türen für die USA sind geschlossen (…) Solange er [Donald Trump] seine Entscheidungen gegen das palästinensische Volk nicht widerruft, sollte sich kein Palästinenser mit der amerikanischen Führung treffen, was auch immer ihre Rolle sein mag.“
Die Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften der Palästinensischen Autonomiebehörde ist für Israel in jedem Fall besser als die nicht vorhandene Zusammenarbeit mit irgendeiner Behörde in Gaza. Eine weitere Zusammenarbeit wäre, trotz aller Probleme sowie trotz massiver Verbessungsmöglichkeiten, also durchaus wünschenswert. Zur Beendigung der Wirtschaftsverträge lässt sich nur sagen, dass sich die Palästinensische Autonomiebehörde dies kaum leisten kann. Ein zu hoher Prozentsatz an Palästinensern arbeitet für israelische Firmen und würde seinen, meist besser bezahlten, Job verlieren. Und dies ist nur ein Beispiel für die hohen Verluste, die die Regierung in der Westbank verzeichnen würde, wenn sie die Vereinbarungen mit Israel aufkündigt. Ein weiteres Risiko – dessen Abbas sich nur allzu bewusst sein dürfte – wäre, dass ohne den Einsatz der Israelischen Verteitigungskräfte (IDF) die Hamas, wie bereits im Jahr 2007 in Gaza geschehen, die Westbank übernehmen könnte.
Welchen Hintergrund haben Abbas Aussagen?
Die Hintergründe der Aussagen von Abbas sind bestenfalls schwammig: Sein Gesundheitszustand ist derart schlecht, dass nicht klar ist, ob er zu den angekündigten die Wahlen am 09. April 2019 antreten kann. Das oder gar sein Tod würden den Status Quo in der Westbank ändern, die Frage ist nur in welche Richtung diese Änderung verlaufen würde. Die Hamas ließ bereits verlauten, dass sie sich mehr als sicher wäre, die Wahlen in der Westbank zu gewinnen: „Wenn die Wahlen fair und frei sind, wird Abbas eine atemberaubende Niederlage erleiden. (…) Als Abbas sich bereit erklärte, die Parlamentswahlen 2006 abzuhalten, erwartete er, dass die Fatah gewinnen würde.“ Was dann allerdings geschah, war, dass die Hamas-Liste „Change and Reform“ 74 von 132 Sitzen erhielt und die Fatah nur 45. Sollte die Hamas im April die Fatah an der Regierung ablösen, würde dies auch ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für Israel mit sich bringen. Ein Analyst der Palästinensischen Hauptwahlkommission nimmt jedoch an, dass die Hamas und einige palästinensische Fraktionen die Wahlen boykottieren werden, was zur Wahl der Fatah führen dürfte. Einige Stimmen sehen Mahmoud al-Aloul als wahrscheinlichen Nachfolger von Abbas an. Der 67 Jährige ist Teil der alten Garde der Palästinensischen Führung und loyal gegenüber Abbas.
Die Zukunft von Abbas scheint in jedem Fall keine gute zu sein. Vielleicht möchte der altersschwache und kranke Präsident noch einmal ein letztes Aufbäumen versuchen, um – wie es so oft der Fall ist, wenn Staatsmänner dem Ende ihrer Karriere ins Auge sehen – doch noch in Erinnerung zu bleiben und vielleicht sogar zumindest in ein palästinensisches Geschichtsbuch Einzug zu erhalten.