Abbas will alle Abkommen mit Israel beenden

Mahmoud Abbas verkündete die Auflösung aller bestehenden Abkommen mit Israel
Mahmoud Abbas verkündete die Auflösung aller bestehenden Abkommen mit Israel (© Imago Images / ZUMA Press)

Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde verkündete damit de facto den Ausstieg aus dem Osloer Abkommen und die Auflösung seiner eigenen Organisation.

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas kündigte am späten Dienstagabend an, dass Ramallah nicht länger an Abkommen gebunden sein werde, die es mit Israel und den Vereinigten Staaten unterzeichnet hat.Abbas erklärte nach einer lautstarken Kabinettsitzung in seinem Hauptquartier: „Die Entscheidung erstreckt sich auch auf Sicherheitskooperation mit Israel.“

De-facto-Auflösung der Autonomiebehörde

Bei der Regierungssitzung ging es um die palästinensische Reaktion auf die „Absicht“ Israels, seine Souveränität auf die Siedlungen im Westjordanland auszuweiten und das Jordantal zu annektieren. Die arabischsprachige Nachrichtenagentur Wafa zitierte Abbas während des Treffens in Ramallah mit den Worten:

„Die Palästinensische Befreiungsorganisation und der Staat Palästina sind ab heute von allen Vereinbarungen und Absprachen mit der amerikanischen und der israelischen Regierung sowie von allen auf diesen Vereinbarungen und Absprachen beruhenden Verpflichtungen einschließlich der Sicherheitsverpflichtungen entbunden.“

Der „Staat Palästina“ ist zwar bisher nicht ausgerufen und existiert nur auf dem Papier. Die in den Osloer Verträgen festgelegte Sicherheitskooperation hingegen soll den real existierenden palästinensischen Terror bekämpfen – dient aber auch dazu, das Leben des wenig populären Präsidenten Abbas zu behüten und ihn vor Umsturzversuchen, etwa durch die radikale Hamas, zu schützen. Weiter hieß es in Ramallah:

„Die israelische Besatzungsbehörde muss ab heute – auf der Grundlage des Völkerrechts und des humanitären Völkerrechts sowie mit allen daraus resultierenden Folgen und Auswirkungen – vor der internationalen Gemeinschaft als Besatzungsmacht über das Gebiet des besetzten Staates Palästina jedwede Verantwortung und Verpflichtung übernehmen.“

Dieser Satz bedeutet de facto die Auflösung der 1994 ebenfalls infolge der Osloer Verträge eingerichteten Autonomiebehörde, mit der die Palästinenser die Selbstverwaltung aller Zivilbereiche, darunter des Gesundheits- und Erziehungswesens, übernommen haben. Ab sofort soll Israel wohl wieder die Krankenhäuser und Schulen leiten und die Gehälter des Personals zahlen.

Abbas erklärte weiter:

„Wir machen die amerikanische Regierung in vollem Umfang für die Unterdrückung des palästinensischen Volkes verantwortlich und betrachten sie als primären Partner der israelischen Besatzungsregierung bei all ihren aggressiven und unfairen Entscheidungen und Maßnahmen gegen unser Volk.“

Mit den USA ließ Abbas schon im Dezember 2017 alle Kontakte abbrechen, als Washington die Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem ankündigte. Das geschah erst im Mai 2018.

Noch keine Reaktion Israels

Noch liegt keine israelische Reaktion auf die Ankündigung von Abbas vor. Sollte damit tatsächlich die Autonomiebehörde aufgelöst sein, würde es auch das Ende der Zweistaatenlösung bedeuten, denn dann gäbe es keinen palästinensischen Partner mehr, mit dem diese „Lösung“ des Konflikts verhandelt werden könnte.

Gegenüber der Zeitung Haaretz sagte ein Teilnehmer der Sitzung in Ramallah, dass Abbas „noch nicht alle Türen zugeschlagen“ habe. So muss wohl abgewartet werden, ob es sich wieder nur um eine der in der Vergangenheit schon wiederholt getätigten Drohungen handelt, oder ob die Ankündigungen diesmal ernst gemeint sind.

UPDATE: Mittlerweile hat ein ehemaliger Armeefunktionär Israels reagiert und Abbas’ Drohungen als nicht ernst zu nehmend bezeichnet.

Eitan Dangot, ein ehemaliger General, der einst das Gremium des Verteidigungsministeriums für die Koordinierung mit den Palästinensern leitete, schließt sich den Israelis an, die Zweifel an den praktischen Auswirkungen von Mahmoud Abbas’ Erklärung zur Beendigung der Abkommen mit Israel und den USA hegen. „Abbas steigert nur seine Drohungen. Er wird keinen praktischen Schritt unternehmen, sondern versucht bloß, Druck auf Israel auszuüben”, sagt Dangot gegenüber dem Armeeradio.

Ein Analyst des Senders stellt fest, dass auch der Zeitpunkt der Ankündigung – während des Ramadan – und Abbas’ relativ fröhlicher Ton nicht mit der Ernsthaftigkeit eines solchen Schrittes übereinstimmen.

Nasser Laham, der Leiter der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan, bezeichnet Abbas’ Rede jedoch als „historisch“ und „ernst“. „Der Mann, der vor 25 Jahren die Oslo-Abkommen unterzeichnet hat, beendet sie und eröffnet alle möglichen Möglichkeiten“, twitterte er.

Israelis cast doubts on seriousness of Abbas

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