Latest News

Vor 75 Jahren entzog der Irak seinen Juden die Staatsbürgerschaft

Irakische Juden kommen am israelischen Flughafen Lod an
Irakische Juden kommen am israelischen Flughafen Lod an (Quelle: JNS)

Im März 1950 wurde im Irak ein Gesetz beschlossen, laut dem Juden das Land verlassen konnten, sofern sie ihre Staatsbürgerschaft und ihr Recht auf Rückkehr aufgaben.

Am 9. März 1950 verabschiedeten die Abgeordnetenkammer und der Senat des Iraks das Gesetz »Ergänzung zur Verordnung zur Aufhebung der irakischen Staatsbürgerschaft«, in dem festgelegt wurde, dass Juden das Land verlassen können, sofern sie ihre Staatsbürgerschaft und ihr Recht auf Rückkehr aufgeben. Daraufhin wurden von den 135.000 im Irak lebenden Juden zwischen 1950 und 1951 etwa 125.000 per Luftbrücke nach Israel gebracht. Nur etwa 10.000 Gemeindemitglieder blieben zurück, womit mehr als 2.500 Jahre jüdischer Geschichte in Mesopotamien im Wesentlichen beendet wurden.

Die Klausel des Gesetzes, die besagt, dass Juden niemals zurückkehren dürfen, ist laut dem Babylonian Jewry Heritage Center im israelischen Or Yehuda »beispiellos« in der Geschichte jüdischer Flucht und Einwanderung nach Israel. Das Gesetz besagt, der Ministerrat in Bagdad könne beschließen, »die irakische Staatsbürgerschaft eines irakischen Juden zu widerrufen, der den Irak freiwillig und dauerhaft verlässt, nachdem er ein spezielles Formular vor einem vom Innenminister ernannten Beamten unterzeichnet hat«. Das nur für Juden geltende Gesetz blieb zunächst ein Jahr lang in Kraft.

Laut der Jewish Virtual Library durfte eine Person nicht mehr als 140 Dollar und 30 Kilo Gepäck mit sich führen. Die Mitnahme von Schmuck war verboten. Darüber, was mit dem zurückgebliebenen Eigentum der auswandernden Juden geschehen sollte, sagte das Gesetz selbst zwar nichts, doch am 10. März 1951, einen Tag nach Ablauf der Bestimmung, erließ die irakische Regierung ein weiteres Gesetz, mit dem jüdisches Eigentum beschlagnahmt wurde: das »Gesetz zur Überwachung und Verwaltung des Eigentums von Juden, welche die irakische Staatsbürgerschaft verwirkt haben«. In einem Bericht vom 18. Februar schätzte Justice for Jews from Arab Countries (JJAC) den Gesamtwert der finanziellen Verluste der irakischen Juden in heutigen Zahlen auf 34 Milliarden Dollar.

Illegale Ausreise

Das Gesetz über den Verzicht auf die Staatsbürgerschaft sollte die illegale Flucht von Juden aus dem Irak, die zu sozialer Unruhe geführt hatte, in geordnete Bahnen lenken. Die unkontrollierte Auswanderungswelle von Juden aus dem Irak begann im Dezember 1949, als die seit Mitte Mai 1948 geltenden Notstandsgesetze aufgehoben wurden. Diese Gesetze wurden erlassen, als sich die irakische Armee fünf anderen arabischen Armeen anschloss, um den neu gegründeten Staat Israel zu zerstören.

Während der Ausrufung des Notstands wurde die illegale Ausreise aus dem Irak mit hohen Gefängnisstrafen geahndet, wohingegen die Höchststrafe zu normalen Zeiten sechs Monate Gefängnis und eine Geldstrafe von hundert Dinar betrug.

Diese milderen Bestimmungen nach der Aufhebung des Notstandes nutzten viele Juden dazu, das Land illegal zu verlassen. Sie hatten in den vorangegangenen achtzehn Monaten politisch und wirtschaftlich gelitten. So waren sie aus Regierungspositionen entlassen worden, Händlern waren Einfuhrlizenzen verweigert worden und Akademiker sahen sich mit Einschränkungen konfrontiert. Nun überquerten Tausende die Grenze zum Iran; viele von ihnen machten sich auf den Weg nach Israel. Von Januar bis Mai 1950 wurden etwa 4.000 Juden, die in Teheran ankamen, nach Israel ausgeflogen.

Überrascht

Die irakische Regierung hatte erwartet, dass die meisten Juden im Land bleiben würden und geschätzt, dass das Gesetz über die Verzichtserklärung auf die Staatsbürgerschaft nur 6.000 bis 7.000 Auswanderer zur Folge haben würde. Selbst die Schätzungen der Israelis lagen unter der tatsächlichen Zahl und gingen von 30.000 bis 70.000 aus.

Insofern war die irakische Regierung von der Zahl der Juden, die sich dann tatsächlich zur Auswanderung anmeldeten, überwältigt. Laut der Jewish Virtual Library hatten sich innerhalb von zwei Monaten nach Verkündung des Gesetzes bereits 90.000 jüdische Iraker zur Ausreise angemeldet. Ab dem 18. Mai 1951 flogen irakische Juden von Bagdad über Zypern nach Israel, bevor schließlich Direktflüge nach Israel eingerichtet wurden. Die entsprechende Luftbrücke trug den Namen Operation Ezra und Nehemiah.

Das Babylonian Jewry Heritage Center weist auf das Paradox des irakischen Staatsbürgerschaftsrechts hin, mit dem dieselbe Regierung, die ihre Armee 1948 zur Vernichtung des jüdischen Staates geschickt hatte, zwei Jahre später dafür sorgte, dass fast alle irakischen Juden nach Israel ausreisen konnten, wodurch die Bevölkerung des jungen Staates vergrößert und sein langfristiges Überleben gesichert wurde.

Siehe zum Thema auch das Mena-Watch-Dossier: Vergessene Tragödie: Die jüdische »Nakba«. Die Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir reden Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!