Der Iran auf dem Kurs Venezuelas in die Armut

Von Stefan Frank

Der Iran auf dem Kurs Venezuelas in die ArmutAls Reaktion auf den rapiden Wertverlust der iranischen Währung – dem Rial – ergreift das Regime in Teheran mehr und mehr verzweifelte Maßnahmen. Seit September hat der Rial gegenüber dem US-Dollar mehr als ein Drittel seines Werts eingebüßt. Im April hat sich der Wertverlust noch einmal beschleunigt. Auf dem „Schwarzmarkt“ – also dem echten Markt – kostete ein Dollar zuletzt über 60.000 Rial. „Der Mangel an Vertrauen in den Rial spiegelt das mangelnde Vertrauen in die Wirtschaft wider“, kommentiert das britische Nachrichtenmagazin Economist. „Der Immobilienmarkt stagniert, und der Bankensektor wackelt. Iraner greifen nach ausländischen Währungen, weil diese zu den wenigen vernünftigen Investments zählen, die verfügbar sind.“

Nun setzt das Regime das Instrument ein, das es am besten beherrscht: Repression. Bislang gab es für den Rial zwei Umtauschkurse: einen, der durch den freien Markt ermittelt wurde und einen offiziellen. Der offizielle Kurs des Rial lag immer über dem Marktpreis, doch nur Iraner mit guten Verbindungen zum Regime konnten davon profitieren, die anderen mussten auf der Straße den Marktpreis bezahlen, wenn sie an Dollar kommen wollten. Seit Jahren verspricht die Regierung Rohani, beide Kurse zu vereinen. Weil aber der offizielle Kurs stabil bleiben soll, wartete sie darauf, dass sich auch der Marktpreis stabilisieren würde. Die Hoffnung darauf ruhte auf der Aussicht auf bessere Beziehungen zum Ausland in Folge des Atomabkommens und einem sich in der Folge einstellenden Wirtschaftsaufschwung. Diese Hoffnung aber schwindet, und somit geht es auch mit dem Rial bergab.

Nun hat das iranische Regime das doppelte Umtauschsystem abgeschafft, doch anders als gedacht: Nicht der staatlich festgelegte Umtauschkurs wird abgeschafft, sondern der Markt. Am 10. April wurde der Kurs des US-Dollar auf 42.000 Rial festgesetzt – da stand der Greenback aber schon bei 61.000 Rial. Gleichzeitig wurde verkündet, dass jeder, der den Rial zu einem anderen Kurs handelt, dieselbe Strafe zu gewärtigen habe wie Drogenhändler. 200 Polizisten würden derzeit in Teheran gegen Devisenhändler eingesetzt, Hunderte Millionen Dollar und Euro seien beschlagnahmt worden, sagte der stellvertretende Polizeichef und General der Revolutionsgarden, Eskandar Momeni der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA.

Das bleibt nicht ohne Wirkung; die Devisenhändler sind aus den Straßen verschwunden. Schon im Februar waren „nicht lizenzierte Geldhändler“ verhaftet worden. Dass man in Teheran nun kein Geld mehr wechseln kann, war völlig vorhersehbar für jeden, der die ehernen Gesetze des Marktes kennt: Setzt ein Regime den Preis einer Ware – in diesem Fall des Dollars – unter deren Marktwert fest, dann wird die Ware wie bei einem Schlussverkauf schnell ausverkauft und anschließend nicht mehr verfügbar sein. Genau das ist passiert. Bloomberg berichtet, was das im Alltag bedeutet:

„Am Dienstag um sechs Uhr morgens machte sich die Grafikdesignerin Najmeh Mohammadi, die gerade ein Flugticket gebucht hatte, auf zu den Devisenhändlern in Teherans Manutscheristraße, um dort die Dollars zu bekommen, die sie für ihre Auslandsreise braucht. Am Mittag wartete sie immer noch – und verlor die Hoffnung. Die 35-Jährige gehörte zu denen, die gehofft hatten, den Greenback zum neuen Umtauschkurs von 42.000 Rial kaufen zu können, den die Behörden Stunden zuvor festgelegt hatten, um den jähen Fall der Landeswährung zu stoppen, der die Wirtschaft und die politischen Kreise erschüttert. … ‚Ich werde meine Reise wohl absagen müssen’, sagt Mohammadi resigniert.“

Der Iran auf dem Kurs Venezuelas in die ArmutIndem das Regime in Teheran für seine Währung willkürlich einen Fantasiewechselkurs festlegt, der weit über dem Marktpreis liegt, folgt es dem Weg Venezuelas, und die Konsequenzen werden ähnlich sein. Venezuela hatte die Währungskontrollen 2003 unter dem inzwischen verstorbenen früheren Staatschef Hugo Chávez eingeführt. Das hatte aus Sicht des Regimes zwei Vorteile: Indem es den Kurs der venezolanischen Währung einfach festsetzte, glaubte es, deren stetigen Wertverlust verschleiern zu können; ein freier Handel mit der Währung wurde in Venezuela verboten. Zudem erhielt der Staat so noch mehr Macht über private Unternehmen, da er von nun an bestimmen konnte, wer wie viele Devisen zugeteilt bekam.

Das Umfeld war damals ideal: Der Ölpreis begann in just diesem Jahr seinen rapiden Anstieg und vervierfachte sich in den folgenden fünf Jahren auf über 130 Dollar pro Barrel. Das spülte genug Dollar in die Kasse der venezolanischen Zentralbank, um die einheimische Währung tatsächlich zu dem von ihr (zu hoch) festgesetzten Kurs in Dollar wechseln zu können. Nicht für jeden Bürger Venezuelas natürlich, denn dann wären ihr schnell die Dollars ausgegangen. Nur ausgesuchte Unternehmen und Venezolaner, die ein Flugticket vorweisen konnten, kamen in den Genuss, bis zu 3.000 Dollar für einen viel niedrigeren Preis kaufen zu können, als der Dollar wert war. Das führte dazu, dass viele Venezolaner Flugtickets kauften, ohne zu reisen, und so ein glänzendes Geschäft machten, solange diese Politik währte.

Legt ein Staat den Umtauschkurs seiner Währung über ihrem Marktwert fest, subventioniert es de facto den Tausch seiner Währung in Fremdwährungen, indem er, die ausländische Währung billiger macht als sie ist. Das hat Folgen für Ein- und Ausfuhren: Die Exporte werden künstlich verteuert; der überhöhte Kurs der heimischen Währung wirkt wie eine Ausfuhrsteuer. Auf die Importe hingegen wirkt er wie eine Subvention. Das zeigte sich in den letzten Jahren auch im Iran, wo künstlich verbilligte Importe die heimische Produktion verdrängten.

Ein weiteres Problem: Um einen künstlich überhöhten Wechselkurs aufrechtzuerhalten, benötigt eine Notenbank Devisenreserven – und die können gar nicht groß genug sein. Denn naturgemäß hat außer der Notenbank niemand auf der Welt Interesse daran, etwa den Dollar zu einem niedrigeren als dem Marktpreis gegen iranische Rial zu tauschen. Jeder, der zu diesem Kurs tauschen will, kommt also zur Notenbank. Da sich schnell herumspricht, wenn jemand einen Dollar für 70 Cent verkauft, wird es bei freiem Umtausch eher eine Frage von Tagen als von Wochen sein, ehe der Notenbank die Devisenreserven ausgehen. Darum geht ein solcher Zwangskurs stets mit einer Reihe von anderen Zwängen und Beschränkungen einher: Der Umtausch wird immer rationiert und meist auf bestimmte Personenkreise beschränkt, die gute Verbindungen zum Regime haben oder bestimmte, festgelegte Anforderungen erfüllen.

Der Iran auf dem Kurs Venezuelas in die Armut
Iranische Zentralbank

Iranische Politiker und Ökonomen diskutieren bereits Maßnahmen, um den Abfluss von Devisen zu verringern, und einige wurden bereits umgesetzt: die Steuern auf Importe und Auslandsreisen werden deutlich erhöht, die Einfuhr von Waren muss vorab genehmigt werden, Exporteure müssen Gewinne zurück ins Land bringen. Zudem dürfen Iraner nur noch Devisen im Wert von höchstens 10.000 Euro außerhalb eines Bankkontos aufbewahren.

Selbst mit diesen Einschränkungen aber könnten der iranischen Notenbank die Devisen ausgehen. Ohne Devisenumtausch aber gibt es keine Importe, und ohne den Import dringend benötigter ausländischer Güter drohen Hunger und Not wie in Venezuela. Der in Paris lebende iranische Ökonom Fereidoun Khavand sagt, die neue Währungspolitik sei ein „sehr gefährliches Spiel“. „Die Gründe hinter dem Sturz der iranischen Währung sind vor allem die Außenpolitik der Islamischen Republik, die auf Konfrontation aus ist, sowie die Unsicherheit über die Zukunft des Atomabkommen (Joint Comprehensive Plan of Action  – JCPOA) und dessen wahrscheinliche Aufkündigung durch die Regierung von Präsident Trump.“ Unterdessen machte der oberste geistliche Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei „ausländische Geheimdienste“ für die Krise verantwortlich. „Die Fußspuren der Ausländer und ihrer Geheimdienste sind in dem jüngsten Chaos des iranischen Währungsmarktes offensichtlich“, so Khamenei.

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