Was die Wahl Donald Trumps für den Nahen Osten bedeutet

Von Florian Markl

Nach einer Wahl, die für viele Amerikaner und Amerikanerinnen sprichwörtlich die für das kleinere Übel gewesen ist, steht fest: Der 45. Präsident wird Donald Trump heißen. Statt der ehemaligen First Lady und Außenministerin Hillary Clinton, deren inhaltliche Positionen zwar oft nur schwer fassbar, aber zumindest von der Grundtendenz her erkennbar sind, wird der Diktatoren-Bewunderer mit der auffälligen Frisur und den gleichermaßen erratischen wie inkonsistenten außenpolitischen Ankündigungen ins Weiße Haus einziehen. Was die Präsidentschaft Trumps für den Nahen Osten bedeutet, ist einigermaßen unklar – viel zu widersprüchlich waren seine verschiedenen Ankündigungen, um eine auch nur halbwegs konsistente Linie erkennen zu können. Statt sich in Spekulationen über einen Kurs zu ergehen, den Trump selbst vermutlich nicht angeben könnte, könnte es zu diesem Zeitpunkt nützlich sein, sich die Widersprüchlichkeit seiner vollmundigen Ansagen vor Augen zu führen.


Die Welt ist eine Scheibe – oder auch nicht

Im schier endlos langen Wahlkampf hat Trump in außenpolitischen Fragen eine der Grundregeln der Logik außer Kraft gesetzt, die für eine vernünftige Unterhaltung unabdingbar sind: Der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch besagt, dass nicht eine Aussage und ihr Gegenteil gleichermaßen zutreffen können.

In Trumps Welt gilt das nicht. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen: Trump kann an einem Tag erklären, dass die Zeit militärischer Interventionen im Ausland vorüber sei, um am nächsten Tag anzukündigen, zigtausende Soldaten nach Syrien schicken zu wollen. Er kann darüber sinnieren, dass die Erde ein sichererer Ort wäre, wenn Japan, Saudi-Arabien und andere Staaten Atomwaffen entwickelten, um sodann zu behaupten, das nie gesagt zu haben und davor zu warnen, dass „the Nuclear“ die größte Gefahr auf der Welt sei. Er konnte gestern militärische Interventionen im Irak und in Libyen unterstützen bzw. fordern, um heute zu bestreiten, das jemals getan zu haben – und darüber hinaus zu erklären, es wäre besser, wenn Saddam Hussein und Gaddafi noch an der Macht wären. Die Aufzählung ließe sich beliebig verlängern.


Wenige Fixpunkte

trump-libyenIm Dickicht der zahlreichen Widersprüche finden sich nur wenige Themen, zu denen Trump sich einigermaßen konsistent geäußert hat. Einer dieser Punkte ist der Iran-Deal, den er konsequent als eines der schlechtesten Abkommen bezeichnete, das jemals von den Vereinigten Staaten verhandelt worden sei. Als Präsident werde er den Deal aufkündigen – was an dessen Stelle treten soll, blieb freilich völlig offen.

Klar dürfte dagegen sein, dass die syrische Opposition von Trump keinerlei Unterstützung zu erwarten hat. Mehrfach hat er erklärt, mit Russland und dem Assad-Regime im Kampf gegen den Islamischen Staat gemeinsame Sache machen zu wollen. Die Forderung nach dem Sturz Assads prangerte er als schweren Fehler an. Damit distanzierte er sich deutlich von der Politik der Obama-Administration, die sich zumindest rhetorisch auf die Seite der Opposition gestellt hatte.

Allerdings waren den bisweilen scharfen Ansagen kaum Taten gefolgt, und praktisch hat schon Obama gegenüber dem Assad-Regime einen Kurswechsel vollzogen. So mussten syrische Rebellen, die von den USA militärische Unterstützung erhielten, versprechen, die Waffen ausschließlich gegen den IS und nicht gegen Assad zu richten. Die syrische Opposition fühlte sich schon seit längerem von den Vereinigten Staaten verraten. Mit der Wahl Trumps wird dieser Verrat gewissermaßen offiziell gemacht.

Dem Assad-Regime und seinen Förderern, Russland und dem iranischen Regime, wird damit beim weiteren Massakrieren der syrischen Bevölkerung freie Hand gewährt. Dass dies eine Unterstützung der iranischen Hegemonialbestrebungen im Nahen Osten bedeutet, widerspricht zwar den konfrontativen Ankündigungen Trumps in Richtung Teheran, ist aber nur ein weiterer Eintrag in der langen Liste der Widersprüche Trumps.

Für den Krieg in Syrien bedeutet all das nichts Gutes. Schon bisher ist es Assad & Co. trotz aller Anstrengungen nicht gelungen, die bewaffneten Kontrahenten in die Knie zu zwingen. Es ist nicht anzunehmen, dass die Türkei, Saudi-Arabien oder Katar ihre Unterstützung der Gegner Assads jetzt einstellen und einfach ihre Niederlage akzeptieren werden.

Aus europäischer Sicht bedeutet das, dass die Flüchtlingskrise prolongiert wird. Da kein Ende des Krieges absehbar ist, haben die Flüchtlinge in den Nachbarländern keine Aussicht darauf, in ihre Heimat zurückzukehren. Das Leben in den Flüchtlingslagern bietet ihnen allerdings ebenfalls keine Perspektive. Und die freie Hand für Assad, Putin und das iranische Regime bedeutet, dass noch mehr Syrer versuchen werden, aus ihrem Land zu entkommen – die Mehrheit der Flüchtlinge flieht bekanntlich nicht vor dem IS, sondern vor dem syrischen Regime und dessen Unterstützern.


Trump und Israel

Die Obama-Jahre waren im Hinblick auf das amerikanisch-israelische Verhältnis von mehr oder minder offen zelebrierten Zerwürfnissen geprägt, die die bilateralen Beziehungen der beiden Länder auf die schwerste Probe seit Jahrzehnten gestellt haben. Von einem Präsidenten Trump ist nicht zu erwarten, dass er den konfrontativen Kurs Obamas gegenüber Israel fortsetzen wird. Während des Wahlkampfs sorgte Trump einmal kurz für Aufsehen, als er seine Haltung zu Israel und dem palästinensisch-israelischen Konflikt als „neutral“ bezeichnete. Seitdem tat er jedoch alles, um sich als enger Freund Israels zu präsentieren.

trump-netanyahuSoweit sich eine Linie Trumps erahnen lässt, wird er nicht wie Obama und dessen Außenminister Kerry Druck auf Israel ausüben, um den nur noch virtuell existierenden Friedensprozess durch israelische Zugeständnisse voranzutreiben. Israel wird bei Trump auf mehr Sympathien für die Selbstverteidigung gegen terroristische Angriffe stoßen, als dies bei der Obama-Administration der Fall war. Auch wenn noch abgewartet werden muss, wer in der Trump-Regierung die Leitung des State Department übernehmen wird, ist nur schwer vorstellbar, dass Trumps Außenminister sich beispielsweise im Falle eines neuerlichen Krieges mit der Hamas derart hamasfreundliche Waffenstillstandsvorschläge der Türkei und Katars zu eigen machen würde, wie John Kerry dies während des Gaza-Krieges 2014 getan hat.

Ein Wahlsieg Clintons hätte die Demokratische Partei an der Macht gehalten, die sich in den acht Jahren der Amtszeit Obamas Partei deutlich verändert hat. Nicht zuletzt der erbitterte innerparteiliche Vorwahlkampf Clintons mit Bernie Sanders hat gezeigt, wie viel Einfluss der linke Flügel der Demokraten gewonnen hat, dessen Haltung zu Israel zwischen kühler Distanz und hoch-emotionaler Ablehnung des jüdischen Staates angesiedelt ist. „In Barack Obamas Demokratischer Partei“, bemerkte Jonathan S. Tobin, „wurden pro-israelische Stimmen marginalisiert.“ Im Gegensatz dazu zählen die Republikaner mit zu den verlässlichsten Unterstützern Israels, was u. a. dazu führte, dass sich deren Vertreter im Vorwahlkampf geradezu einen Wettbewerb lieferten, wer der engere Freund des jüdischen Staates sei.

Der zuständige Berater Trumps erklärte jedenfalls gleich nach dessen Wahlsieg, die Freundschaft der USA mit Israel werde unter dem Präsidenten Trump ein noch nie erreichtes Niveau erreichen:

„The hostility will be gone between Israel and the US. … We know how Obama treated the prime minister of Israel and how [Hillary] Clinton berated the prime minister … we will move forward with mutual respect and mutual love and a much better future for the US and Israel.“


Das Ende des Westens, wie wir ihn kannten?

Die Wahl Trumps sollte aus israelischer Sicht allerdings nur auf den ersten Blick als positive Entwicklung gesehen werden. Denn wenn man hinter all seinen widersprüchlichen Ansagen eine grundlegende außenpolitische Linie erkennen kann, so läuft diese auf eine grundlegende Abkehr von wesentlichen Bestandteilen amerikanischer – und vor allem: Republikanischer – Außenpolitik hinaus. Von Freihandel sowie der Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten hält Trump wenig. Die NATO, eine der Kern-Institutionen des Westens, erklärte er für obsolet, an der Rolle, die die Vereinigten Staaten als Garant einer freiheitlichen Weltordnung spielten, hat er nur wenig Interesse.

Nicht zu Unrecht warnte Anne Applebaum bereits im vergangenen März vor einem Präsidenten Trump:

„(N)ext January we could have, in the White House, a man who is totally uninterested in what presidents Obama, Bush, Clinton, Reagan – as well as Johnson, Nixon and Truman – would all have called ‚our shared values.‘ …

Western unity, nuclear deterrence and standing armies gave us more than a half century of political stability. Shared economic space helped bring prosperity and freedom to Europe and North America alike. But these are things that we all take for granted, until they are gone.“

Applebaum befürchtete, dass der Westen, wie wir ihn kannten, nur wenige Entscheidungen von seinem Ende entfernt sein könnte – die Wahl Trumps war eine davon.

Jordan Chandler Hirsch brachte auf den Punkt, warum die Wahl Trumps trotz dessen ostentativer Israelfreundschaft ein Problem bedeutet:

„Trump may not follow through on anything he says; there is always the chance he is led, against his irritable mental gestures, toward sound policy. Yet the core menace of a Trump presidency to Israel is ultimately the menace it poses to America itself. Israel does not merely need guns and missiles, but the global armor of American leadership. A world in which the United States betrays bedrock alliances, cozies up with enemies, and raises the drawbridge is a world in which the Jewish state will struggle to endure.“

Umwälzungen historischen Ausmaßes sind unter anderem daran zu erkennen, dass die Sprache den Kommentatoren den Dienst verweigert. „Es ist, wie wenn man aus einem bösen Traum erwacht: Donald Trump ist US-Präsident“, schrieb etwa Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid, obwohl sie das glatte Gegenteil zum Ausdruck bringen wollte: Wacht man aus einem bösen Traum auf, ist er vorbei; dieser hat dagegen gerade erst begonnen.

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