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Für das ZDF ist jeder Jude ein Besatzer

Benjamin Netanjahu, Dennis Ross und Jassir Arafat in Erez
Benjamin Netanjahu, Dennis Ross und Jassir Arafat in Erez

Von Stefan Frank

Vor knapp zwei Jahrzehnten, am 14. Januar 1997, schüttelten der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Jassir Arafat, der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, einander die Hand. Soeben hatten sie am Grenzübergang Erez, der Israel mit dem Gazastreifen verbindet, ein historisches Abkommen ausgehandelt.

Sie hatten vereinbart, dass die Stadt Hebron, die Wiege des Judentums, in zwei Zonen geteilt würde: H1 und H2. Aus der Zone H1, die 85 Prozent der Stadt Hebron ausmacht, würde sich Israel binnen Tagen zurückziehen und die Kontrolle an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben. Nur in den verbleibenden 15 Prozent – H2 – würden fortan noch Juden leben dürfen, unter dem Schutz der israelischen Armee. US-Präsident Bill Clinton lobte den unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Jordaniens ausgehandelten Vertrag als wichtigen Schritt zur Bildung von Vertrauen und Kooperation zwischen beiden Seiten.

Es war ein Test: Wenn Juden und Araber sich über die Aufteilung der heiligen Stadt Hebron verständigen können, warum sollten sie dann nicht auch im Rest des umstrittenen Landes zu einem Modus der Koexistenz auf der Basis ausgehandelter und anerkannter Grenzen finden? Der Versuch ist schiefgegangen. Heute leben Juden in nur noch drei Prozent von Hebron, wie in einem Gefängnis sind sie von der Umwelt, die sie nicht betreten dürfen, getrennt. Und es ist nicht so, als würde ihnen das Opfer gedankt.

Für bestimmte Kräfte ist jeder Jude ein „Siedler“ und „Friedenshindernis“, das beseitigt werden muss. So denken nicht nur die Hamas und die PLO, sondern auch das deutsche ZDF. „Geisterstadt Hebron. Ex-Soldaten brechen das Schweigen“, betitelte das Nachrichtenmagazin „heute“ einen Beitrag auf seiner Website.

Die Autorin des Artikels, ZDF-Reporterin Miriam Staber, war bei einer Stadttour der antiisraelischen Lobbygruppe „Breaking the Silence“ dabei und weiß jetzt: Es wird keinen Frieden geben, solange in Hebron noch Juden leben.

Nein, das sagt nicht sie, das sagt ihr Tourguide, Herr Bigelmann, „ein Ex-Soldat“. In Israel ist fast jeder ein „Ex-Soldat“, ist das neuerdings ein Beruf? Nein Bigelmann ist von Beruf antiisraelisch: Die EU zahlt den Leuten von „Breaking the Silence“ pro Jahr mehrere Hunderttausend Euro. Das erklärt wohl einiges; Bigelmann bekommt sein Gehalt dafür, dass er die Juden zum Problem erklärt: „Die Siedlungen haben Hebron zu einer Geisterstadt gemacht“, sagt er. Moment mal: Eine Geisterstadt, in der 200.000 Menschen (nämlich Araber) wohnen? Hat der sie noch alle?

Staber vertraut ihrem Führer so sehr, dass sie ihn zum Protagonisten ihres Artikels macht: Er ist der einzige, der zu Wort kommt. Leider erfährt man nichts darüber, wer Herrn Bigelmann früher zum „Schweigen“ gezwungen hat, das er jetzt „bricht“. Herr Bigelmann erklärt auch nicht, warum er die Juden aus Hebron vertrieben sehen will. Das Einzige, was er sagt – und was Miriam Staber dem deutschsprachigen Publikum weitergibt –, ist: Solange es in Hebron noch ein paar Juden gibt, wird das nichts mit dem Frieden. „Die Siedlungen hier verhindern ein friedliches Zusammenleben.“

Die „Siedlungen“, das sind Häuser, in denen Juden wohnen. Ein anderes Mal werden die Juden als „Besatzung“ bezeichnet. Folgt man freilich dieser Logik, wird es keinen Frieden geben, solange überhaupt noch irgendwo auf der Welt Juden leben – aber irgendwo muss man ja anfangen, warum nicht in Hebron.

Dabei schreibt Staber selbst, Hebron sei „die zweitheiligste Stadt des Judentums“. Wenn Juden kein Recht haben, in ihrer zweitheiligsten Stadt zu wohnen, wo dann? (Auf dem Tempelberg beanspruchen die Muslime Heimrecht, weil es ihr „drittheiligster Ort“ sei). Ferner räumt Staber ein: „Lange lebten hier Juden und Muslime friedlich miteinander.“ So wie heutzutage etwa in Haifa und Tel Aviv. Warum also sollte es nun dem Frieden dienen, wenn Hebron judenrein gemacht würde?

Die Antwort der Autorin ist verblüffend: „Nach einem Massaker im Jahr 1929, bei dem 67 Juden ermordet wurden, wurde die jüdische Bevölkerung in Sicherheit gebracht.“ Heute nennt man so etwas „ethnische Säuberung“, doch wir wollen nicht um Begriffe feilschen. Das Interessante – und Verstörende – ist, dass der durch das Massaker herbeigeführte Zustand eines judenfreien Hebron für Miriam Staber der natürliche zu sein scheint, der einzige, den sie sich als einen friedlichen vorstellen kann.

Man weiß: Solange es in Hebron auch nur einen Juden gibt, wird es Araber geben, die ihn ermorden wollen. Um das Leben der 850 von Staber gezählten Juden („Siedler“) zu schützen, seien 600 israelische Soldaten notwendig, rechnet sie vor. Diese Relation hält sie offenbar für unwirtschaftlich oder unschön – und da hat sie uns mal ganz auf ihrer Seite: Ja, es ist unschön, dass ein großer militärischer Aufwand getrieben werden muss, weil es fanatische Muslime gibt, die sich mit der Existenz von Juden – sei es in Hebron oder anderswo – nicht abfinden können und sie töten wollen.

Doch so denkt Miriam Staber nicht; für sie sind die Juden das Problem. Gäbe es keine Juden, bräuchte man keine Zäune, Checkpoints und Soldaten, so ihre Logik. Keine Juden, das scheint für sie nicht nur eine Lösung des Konflikts zu sein, sondern die einzige: eine Welt ohne Judenhass mag sie sich gar nicht ausmalen.

Jüdische Bürger von Hebron hat Miriam Staber nicht befragt, sie kommen nur als Störenfriede vor: „Ein Siedler fährt an der Gruppe vorbei und erkennt die Tour von ‚Breaking the Silence’ … Der Mann [fährt] mit seinem Auto neben der Gruppe her und hupt minutenlang, um die Tour zu stören. Weitere Siedler stören Bigelmans Ausführungen mit Beschimpfungen und Vorwürfen.“

Beklagenswert findet die „heute“-Reporterin die Lage der arabischen Bewohner des winzigen jüdischen Teils von Hebron, der Zone B. (Natürlich sagt sie an keiner Stelle „Zone B“, denn das würde vielleicht Leser darauf bringen, dass die Teilung Hebrons auf einer Rechtsgrundlage, einem bilateralen Abkommen basiert.) Von der zigmal größeren Zone A, die so judenrein ist, wie die restlichen drei Prozent nach Stabers Willen erst noch werden sollen, findet sich in dem Artikel kein Wort.

Das Hebron-Abkommen war ein Experiment. Es zeigt, was bei einer Teilung Jerusalems zu erwarten wäre: Auch wenn Netanjahu und Abbas sich morgen darauf einigen würden, dass 97 Prozent von Jerusalem arabisch würden und nur noch in drei Prozent des Stadtgebiets Juden leben dürften, würde die Welt, würden ZDF-Journalisten wie Miriam Staber es den Juden nicht danken.

Frau Staber würde ausgerechnet in das kleine Gebiet Jerusalems fahren, wo es noch ein paar Juden gibt und diese „Siedler“ als diejenigen verteufeln, die ein „friedliches Zusammenleben“ verhindern. Ein paar von der EU bezahlte Juden zu finden, die diese Weltanschauung bestätigen, wird nicht schwierig werden: Die „heute“-Redaktion hat ihre Telefonnummern.

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