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WOCHENBERICHT, 8.4. BIS 14.4.2013

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen insgesamt 238 Beiträge mit Bezügen zu Nordafrika und dem Nahen Osten:

WOCHENBERICHT, 8.4. BIS 14.4.2013

Dabei standen folgende Länder im Mittelpunkt des medialen Interesses:

WOCHENBERICHT, 8.4. BIS 14.4.2013

Aus den insgesamt 45 relevanten Beiträgen der wichtigsten ORF-Fernseh- und Radionachrichtensendungen ergab sich dieses Bild:

WOCHENBERICHT, 8.4. BIS 14.4.2013

II. Spindeleggers Nahostreise: Im syrischen Bürgerkrieg nicht Partei ergreifen?

Das dominierende Thema der Woche war die Nahostreise von Michael Spindelegger, die den österreichischen Außenminister nach Israel, zu den österreichischen Blauhelmen auf dem Golan und in den Libanon führte. Begleitet wurde er dabei von einer Schar heimischer Journalisten, deren Artikel kaum voneinander unterscheidbar waren, beriefen sich doch alle im Wesentlichen auf dieselben Quellen, zitierten dieselben Aussagen, gaben dieselben Eindrücke wieder – besondere Attraktion waren offenbar die auf den Golanhöhen grasenden Kühe. (Standard, 14./15. Apr. 2013; Kurier, 14. Apr. 2013; Kleine Zeitung, 13. Apr. 2013)

Kein Wunder daher, dass auch in allen Zeitungen auf die Diskussion über die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen Syrien eingegangen wurde. In der letzten Zeit drängten vor allem Frankreich und Großbritannien darauf, das Embargo im Mai auslaufen zu lassen und dann der syrischen Opposition mit Waffenlieferungen unter die Arme zu greifen, während Österreich bekanntlich vehement für eine Verlängerung des Embargos und gegen eine Lieferung von Kriegsmaterial an die Rebellen eintritt. Seitens der österreichischen Bundesregierung wurde stets davor gewarnt, dass die UNDOF-Mission auf den Golanhöhen, in der seit dem Rückzug der Kroaten, Japaner und Kanadier die österreichischen Blauhelmsoldaten eine noch wichtigere Rolle spielen, als sie das davor bereits getan hatten, in Gefahr gebracht würde, sollten EU-Länder tatsächlich den Aufstand gegen Assad mit Waffenlieferungen unterstützen.

Ganz in diesem Sinne äußerte sich Spindelegger auch während seiner Nahostreise. „Das wäre eine einseitige Parteinahme mehrerer EU-Staaten in einem bewaffneten Konflikt“, wurde der Außenminister in der Kronen Zeitung zitiert. „Damit wäre die neutrale UNO-Mission auf dem Golan wohl nicht mehr erfüllbar.“ (Kronen Zeitung, 12. Apr. 2013) Laut Kurier führte Spindelegger sprachlich rätselhaft aus: „Wenn Europa Waffen an einen Teil des Konflikts liefert, dann werden wir Partei“. (Kurier, 13. Apr. 2013)

Nun mag sein, dass eine offene Kooperation in militärischer Hinsicht die Lage der UN-Blauhelme erschweren würde, aber dass die EU erst mit einem solchen Schritt Partei im Bürgerkrieg ergreifen würde, ist eine erstaunliche Aussage – nicht zuletzt, wenn man sich vor Augen führt, was Spindelegger selbst im Laufe der letzten zwei Jahre in seinen Stellungnahmen zu dem Konflikt zum Besten gab. Im Folgenden eine bei Weitem unvollständige Zusammenstellung einiger Ausschnitte aus den Presseerklärungen, die man mühelos auf der Homepage des Außenministeriums findet, sobald man nach dem Stichwort „Assad“ sucht:

23. August 2013. Anlässlich einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrates erklärte Spindelegger: „Unsere Geduld mit der syrischen Führung ist am Ende. … Österreich, gemeinsam mit seinen Partnern in der EU, wird alle notwendigen Schritte unterstützen und setzen, um der syrischen Bevölkerung zu helfen, ihre legitimen Forderungen auf Achtung ihrer Menschenrechte zu verwirklichen. ”

9. Dezember 2011. Spindelegger nach einem Treffen mit Burhan Ghalioun, dem Vorsitzenden des Syrian National Council, einem Dachverband der syrischen Oppositionsgruppen: „Ein Regime, das mit menschenverachtender Gewalt gegen die eigene Bevölkerung vorgeht, hat jegliche Legitimität verloren. Präsident Assad … muss sofort abtreten, um endlich einen friedlichen Übergang zu einer neuen Führung zu ermöglichen. … Ich bewundere die Entschlossenheit der Syrerinnen und Syrer, die trotz massiver Gewaltanwendung des Regimes weiter für ein freies und demokratisches Syrien eintreten. … Es darf hier keine Straflosigkeit geben. Assad wird sich für seine Vergehen verantworten müssen.“

23. März 2012. Spindelegger nach einem Treffen der EU-Außenminister über Assad: „Er hat keine Zukunft in Syrien … Assad kann sich nicht mehr verstecken hinter Russland … Man muss sehen, wie man zu einem Übergang kommt, von Assad zu einem nächsten Regime.“

2. Juni 2012. Spindelegger anlässlich des Massakers von Hula: „Die schiere Brutalität, mit der hilflose Zivilisten in Hula hingerichtet wurden, erschüttert mich zutiefst. … Präsident Assad wird sich seiner Verantwortung stellen müssen.“

Zuletzt war aus dem Munde des Ministers während seiner Nahostreise erneut zu hören: „Assad hat seine Legitimität verloren.“ (Kleine Zeitung, 12. Apr. 2013)

Legitimität verloren, Zeit abgelaufen, Assad trägt die Hauptverantwortung für die Verbrechen und kann nicht Teil der Zukunft Syriens sein, er werde sich seiner Verantwortung stellen müssen usw. – hört sich das wirklich nach Äußerungen von jemandem an, der im Syrienkonflikt nicht Partei ergreife? Hierzulande ist einzig Presse-Außenpolitikchef Christian Ultsch aufgefallen, wie unglaubwürdig Spindelegger argumentierte. „Widersprüchlich und unausgegoren“ sei die österreichische Syrien-Politik. „Vizekanzler Spindelegger war unter den Ersten, die vor offenen Mikrofonen das Ende des Assad-Regimes herbeisehnten.“ Mittlerweile sei er aber „Assads bester Mann in der EU“, der „mit Verve“ gegen die Aufhebung des Waffenembargos kämpfe. Zugegeben, man könne nicht wissen, in wessen Händen Waffen letztlich landen würden, und Assad könnte die UN-Blauhelme als Feinde wahrnehmen. Aber: „Diese Zurückhaltung erlegte sich Spindelegger freilich nicht auf, als er sich den Sturz Assads wünschte.“ Die Unschlüssigkeit und Widersprüchlichkeit dieser Haltung trage dazu bei, „das blutige Patt in Syrien zu verlängern.“ (Presse, 14. Apr. 2013)

Den Schlüssel zum Verständnis dieser Form von „Unparteilichkeit‘ lieferte unlängst ebenfalls in der Presse Rainer Novak, als er sich Gedanken über das Neutralitätsverständnis der österreichischen Regierung machte: „So interpretiert die österreichische Staatsspitze Neutralität: Wenn ein Konflikt ausbricht, können wir uns bei Bedarf heraushalten. Wenn wir aber keine Lust oder Sympathien für eine Seite haben, dürfen wir uns sanktionslos einmischen. Neutral heißt auf Österreichisch ungeniert, und nicht unparteiisch.“ (Presse, 6. Apr. 2013)

III. Zum Rücktritt Salam Fayyads

Schon im Laufe der vergangenen Woche machte das Gerücht die Runde, am Samstag wurde es dann zur Gewissheit: Der palästinensische Premierminister reichte seinen Rücktritt ein, der von Mahmoud Abbas umgehend angenommen wurde. Dass es zwischen Abbas, dem PA-Präsidenten im neunten Jahr seiner vierjährigen Amtszeit, und dem Wirtschaftsexperten Fayyad bereits seit langem kriselte, war ein offenes Geheimnis. Für den Westen galt Fayyad, wie Ben Segenreich im Standard berichtet, als „der ruhige, seriöse Ansprechpartner, der das Chaos der bewaffneten Milizen beendet, für Transparenz im Finanzwesen gesorgt und beharrlich am Aufbau von staatlichen Institutionen gearbeitet hat.“ (Standard, 15. Apr. 2013) Die Presse würdigte ihn als „Garant für einen fortgesetzten Kampf gegen Korruption und die Verschwendung internationaler Hilfsgelder.“ (Presse, 15. Apr. 2013)

Die beiden Beschreibungen Fayyads weisen darauf hin, woran er letztlich scheiterte: Gerade weil er für finanzielle Transparenz und geordnete Institutionen stand, eben weil er gegen Korruption und die Verschwendung von Hilfsgeldern eintrat, war er der Fatah, der Palästinenserfraktion, der auch Präsident Abbas angehört, ein Dorn im Auge. So wie die Hamas – die eine Entlassung Fayyads stets zur Voraussetzung einer innerpalästinensischen „Versöhnung“ machte – für sich beansprucht, im Gazastreifen schalten und walten zu können, wie sie will, betrachten die Fatah-Funktionäre das Westjordanland als den Machtbereich, in dem ausschließlich sie das Sagen haben wollen. Wie Khaled Abu Toameh vor Fayyads Rücktritt erläuterte, sahen maßgebliche Kräfte der Fatah in Fayyad, der nicht zu ihnen gehörte und bei den letzten Wahlen zum palästinensischen Legislativrat mit einer unabhängigen Liste namens „Der Dritte Weg“ kandidiert, aber nur zwei Mandate gewonnen hatte, eine Gefahr für ihre Kontrolle über die Autonomiebehörde im Allgemeinen und deren Finanzen im Besonderen. „Fatah’s main problem with Fayyad is that he has almost exclusive control over the Palestinian Authority budget. In other words, Fatah does not like the idea that its leaders and members can no longer steal international aid because of Fayyad’s presence in power.” Fayyad focht einen Machtkampf gegen die Fatah, die sich nach alten Zeiten sehnte: „The Fatah leaders are yearning for the era of Yasser Arafat, when they and others were able to lay their hands on millions of dollars earmarked for helping Palestinians.” Hätten EU und USA nicht ihre schützenden Hände über Fayyad gehalten, wäre er von Abbas und seiner Fatah schon viel früher abgeschossen worden.

Neben dem Kampf um die Kontrolle der Finanzen der Autonomiebehörde hatte Fayyad die ganze Zeit über aber noch ein ganz anderes Problem: In den Augen vieler Palästinenser galt er als nicht verlässlich und nicht glaubwürdig, weil er sich im Laufe seines Lebens einfach keine Reputation im Kampf gegen das verhasste Israel erworben hat. Erneut Khaled Abu Toameh: „The Palestinians’ problem with Fayyad is that he did not sit even one day in an Israeli prison. Had Fayyad killed a Jew or sent one of his sons to throw stones at an Israeli vehicle, he would have earned the respect and support of a large number of Palestinians. In short, Palestinians do not consider Fayyad a hero despite his hard efforts to build state institutions and a fine economy.”

Dieser ernüchternden Tatsache war Gudrun Harrer auf der Spur. Fayyads Rücktritt analysierte sie in ihrem heutigen Standard-Kommentar als Rückschlag für die USA, die mit dem Premier „als ersten Deeskalationsschritt eine Verbesserung der Lebensverhältnisse im Westjordanland vorantreiben wollten. Aber genau da setzten auch die Kritiker Fayyads an: Fayyad habe ja ohnehin immer nur die Wünsche der USA und Israels erfüllt“. (Standard, 15. Apr. 2013)

Harrer schreckt davor zurück, die unbequeme Konsequenz aus dieser Beobachtung zu ziehen: Traurige Realität ist, dass für eine Mehrheit der Palästinenser jemand als Verräter und Lakai fremder Mächte gilt, der sich um die Verbesserung der Lebensumstände der Palästinenser kümmern will, anstatt sich seine Meriten im Krieg gegen den jüdischen Staat zu verdienen. Jonathan S. Tobinspricht aus, was man aus den jüngsten Entwicklungen schließen muss, und was Harrer implizit andeutet, so klar aber nicht sagen will: „Fayyad’s tragedy was not just that both Fatah and Hamas wanted to be rid of him but that he was a man with virtually no support among ordinary Palestinians. So long as shedding Jewish blood is the main factor that gives a Palestinian political party credibility, men like Fayyad will have no chance no matter how much they are applauded by Americans or Israelis.”

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