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Wochenbericht, 5.3. bis 11.3.2012

Die Nahostberichterstattung österreichischer Tageszeitungen stand in der vergangenen Woche ganz im Zeichen zweier Themen: der andauernden Gewalt in Syrien und dem Streit um das iranische Atomprogramm, der mit dem USA-Besuch des israelischen Premiers Netanjahu einen neuen Höhepunkt erlebte.

Allgemeiner Überblick

In den vergangenen sieben Tagen erschienen in den von MENA regelmäßig ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen insgesamt 221 Beiträge zum Nahen Osten. Dies bedeutet im Vergleich zu den 200 Beiträgen der Vorwoche eine Steigerung der Gesamtzahl um rund 10,5 Prozent:

Wochenbericht, 5.3. bis 11.3.2012

Wie an der Grafik zu erkennen ist, war es dieses Mal wieder die Presse, die die meisten Artikel mit Nahostbezug publizierte. Beim Vergleich mit dem Standard sollte man sich allerdings immer vor Augen halten, dass letzterer nur sechs Mal pro Woche erscheint. Die Presse lag somit in absoluten Zahlen knapp vor, in relativen Zahlen aber knapp hinter dem Standard. Auffällig ist, dass die 47 vom Kurier veröffentlichten Beiträge, hervorgerufen durch die Verdoppelung der Syrien-Berichterstattung, ein Plus von 27 Prozent im Vergleich zur Vorwoche bedeuten. Im Hinblick auf die erwähnten Länder ergab sich folgende Verteilung:

Wochenbericht Tabellen - Wochenbericht - 12Mar12 - Tab2

Iran und Israel

Beherrschendes Thema der Woche war der Streit um das iranische Atomprogramm. Im Mittelpunkt des Interesses stand dabei eindeutig die von vielen Beobachtern gespannt erwartete Washington-Reise des israelischen Premierministers Netanjahu. In den letzten Wochen waren die Zeitungen voll mit Spekulationen über möglicherweise bevorstehende israelische Militärschläge gegen iranische Atomanlagen. Dem Treffen Netanjahus mit US-Präsident Obama wurde deshalb große Bedeutung beigemessen. Große Überraschungen waren nicht zu erwarten, da die Positionen im Wesentlichen bereits im Vorhinein bekannt waren. Netanjahu wiederholte seine Warnungen davor, dass das Zeitfenster, in dem Sanktionen noch die erhoffte Wirkung zeigen können, angesichts der Fortschritte des iranischen Atomprogramms immer kleiner werde. (Presse, 7. März 2012) Präsident Obama wiederum betonte, noch wäre Zeit für eine diplomatische Lösung der Auseinandersetzung, strich aber deutlicher als bisher hervor, dass auch auf amerikanischer Seite die militärische Option keineswegs vom Tisch sei. (Standard, 6. März 2012)

Das Treffen Obama-Netanjahu bot jedenfalls die Möglichkeit, je nach Sichtweise entweder die Übereinstimmungen oder die Unterschiede zwischen den USA und Israel zu betonen. Übereinstimmung herrscht darüber, dass beide Seiten im Prinzip Militärschläge androhen, wenn der Iran „rote Linien“ überschreiten sollte. Wie Gudrun Harrer richtig bemerkte, bestehen die Differenzen hingegen darin, worin genau diese „roten Linien“ nun eigentlich bestehen sollten: Für Israel bestehe bereits dann Handlungsbedarf, „wenn Diplomatie und Iran-Sanktionen nicht dazu führen, dass Teheran sein Atomprogramm wesentlich verlangsamt oder stoppt, und wenn Iran den Status der ‚nuklearen Fähigkeit‘ erreicht.“ Für Obama ginge es hingegen darum, „den Iran daran zu hindern, eine Atomwaffe zu bekommen“; die bloße Fähigkeit zum Bau der Bombe würde noch kein Überschreiten der „roten Linien“ bedeuten, solange sich der Iran nicht auch konkret daran mache, die Bombe wirklich zu bauen. (Standard, 6. März 2012)

Was Harrer dabei übersieht, ist jedoch die vielleicht wichtigste Nachricht der letzten Woche: Obama hat nicht nur erstens erklärt, dass Israel nicht mit einer iranischen Bombe leben könne, sondern er hat zweitens auch betont, dass das auch für die Vereinigten Staaten gelte, und drittens eine Politik der Eindämmung, wie sie gegen die Sowjetunion im Kalten Krieg Anwendung fand, als Option ausgeschlossen. Wenn Obama schließlich viertens im Laufe der letzten Woche mehrfach betonte, dass es an Israel selbst liege, existenzielle Entscheidungen über die Sicherheit des jüdischen Staates zu treffen, dann hat er damit den Israelis grünes Licht für Militärschläge gegeben. Nicht jetzt, nicht sofort, aber im Prinzip. (Sehen Sie dazu die Analyse von Barry Rubin.)

Dazu würden auch einige Nachrichten passen, die gegen Ende der Woche zu lesen waren. Zurück in Israel erklärte Premier Netanjahu, der Zeitpunkt für mögliche Angriffe auf iranische Nuklearanlagen sei keine Frage von Tagen oder Wochen, aber auch keine von Jahren. (Standard, 10. März 2012) Verschiedene Zeitungen berichteten über Spekulationen, wonach es in Washington eine Art Handel gegeben habe: Israel habe für den Moment auf Militäraktionen gegen den Iran verzichtet und dafür im Gegenzug die Lieferung von Waffen (bunkerbrechende Bomben und Tankflugzeuge) zugesichert bekommen habe, die für einen zukünftigen Angriff wichtig wären. (Kurier, 9. März 2012; Kleine Zeitung, 9. März 2012) Verteidigungsminister Barak rechnet für den Fall eines Angriffs auf den Iran mit einigen hundert israelischen Opfern und geht davon aus, dass im Augenblick ungefähr 200.000 Raketen auf Israel gerichtet seien. Trotzdem seien „Raketen auf Tel Aviv einem Atomstaat Iran vorzuziehen“. (Presse, 10. März 2012) Bevor es zu Militärschlägen kommen könnte, stehen vorerst neue Gespräche des Iran mit dem Westen an: Zum ersten Mal seit über einem Jahr soll wieder über das Atomprogramm verhandelt werden. Die Erfolgsaussichten werden allgemein als sehr schlecht eingeschätzt. (Standard, 8. März 2012)

(Nebenbemerkung: Einen besonders seltsamen Beitrag zur Debatte lieferte Haimo Handl mit seinem Beitrag „Nuklearkrieg“. (Wiener Zeitung, 8. März 2012) Darin raunt er vom „eigentlichen Kriegstreiber USA“, wähnt sich vom „tauglichen Killerargument des Antisemitismus“ verfolgt, demaskiert Israel – man höre und staune – als „kapitalistischen Staat“, wittert allerorts „Kollaborateure“ und faselt etwas von einem „Zusammenhang von kapitalistischer Programmatik als faschistischer (sic!) mit der globalisierten Ausbeutung und den dazu nötigen Kriegen“. So weit, so schlecht. Aber der Kern seines Textes ist die Behauptung, in den Medien würden die „Kriegsdrohungen“ Israels und der USA „nicht ernsthaft rezipiert und bewertet“. Europas Medien verhielten sich „wie gleichgeschaltet“. „Warner und Opponenten eines anvisierten Krieges“ würden als „Weltfremde oder Feinde der ‚freien Welt‘ hingestellt.“ Mit diesem preisverdächtigen Elaborat beweist Handl zweierlei. Erstens hat er offenkundig jeden Kontakt mit der Realität verloren, denn wenn er in den letzten Wochen auch nur eine österreichische Zeitung aufgeschlagen hätte, so wäre ihm aufgefallen, dass an „Warnern“ vor einem Krieg mit dem Iran wahrlich kein Mangel besteht. Zweitens kann überhaupt keine Rede davon sein, dass die Medien „gleichgeschaltet“ wären und „Opponenten“ darin nicht zu Wort kommen würden – allein dass Handls Text abgedruckt wurde, belegt doch hinlänglich, dass in den Zeitungen jeder auch noch so sonderbare Unsinn Platz findet.)

Syrien

Während in Syrien das Blutvergießen kein Ende nimmt, werden immer mehr Stimmen laut, die eine Intervention des Auslands fordern. In Österreich sprach sich Christian Ultsch in der Presse für eine Erhöhung des Drucks auf das Regime aus. Dazu gehöre auch, „die militärische Option zumindest anzudeuten“. (Presse, 9. März.2012) In Frankreich forderte der Philosoph Bernard Henry-Lévy ein westliches Eingreifen, notfalls auch ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats. (Presse, 8. März 2012) Als erstes arabisches Land rief Katar nach einer Militärintervention. (Presse, 11. März 2012) In den USA machte sich der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain für Luftschläge gegen das Regime Assads stark. (Kronen Zeitung, 7. März 2012; Standard, 10. März 2012). Der Generalstabschef der amerikanischen Streitkräfte bestätigte erstmals öffentlich, dass über Militärmaßnahmen zum Schutz von Zivilisten nachgedacht werde. (Presse, 9. März 2012) Ein derartiger Einsatz scheint aber zumindest nicht unmittelbar bevorzustehen. Insbesondere Präsident Obama ist in Hinblick auf eine Militärintervention sehr zurückhaltend. (Standard, 10. März 2012) Eine Reise des UN-Sondergesandten nach Damaskus blieb, wie nicht anders erwartet, ergebnislos. (Kurier, 10. und 11. März 2012; Kleine Zeitung, 11. März 2012)

In Syrien selbst scheint die Armee nach der Eroberung des umkämpften Stadtteils Baba Amr in Homs nun gegen andere Zentren der Aufständischen vorzugehen. Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und angeblichen Deserteuren gab es auch in der von der UNO bewachten Pufferzone zwischen Syrien und Israel auf den Golanhöhen; in unmittelbarer Nähe der Stellungen österreichischer UNO-Soldaten kam es zu Schusswechseln. (Kronen Zeitung, 7. März 2012; Kurier, 9. März 2012) Als positives Zeichen kann gewertet werden, dass im Laufe der Woche der syrische Vize-Ölminister sowie einige hohe Offiziere der Armee dem Regime die Gefolgschaft versagt haben und zu den Aufständischen übergelaufen sind. (Standard, 9. März 2012; Presse, 10. März 2012; Kurier, 10. März 2012) Es bleibt zu hoffen, dass die EU-Außenminister nicht zu optimistisch waren, als sie bei einem Treffen vom herannahenden Ende des Assad-Regimes sprachen. (Kleine Zeitung, 10. März 2012)

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