Wochenbericht, 31.3. bis 6.4.2014

In dieser Ausgabe:
I. Allgemeiner Überblick
II. Der Abbruch der israelisch-palästinensischen Verhandlungen im Spiegel der österreichischen Medien
III. Die palästinensische Verhandlungsstrategie: Erpressung und Drohung
 

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen 280 Beiträge mit Bezug zum Nahen Osten bzw. zu Nordafrika:

Wochenbericht, 31.3. bis 6.4.2014

Folgende Länder standen im Mittelpunkt der Berichterstattung:

Wochenbericht, 31.3. bis 6.4.2014

In den insgesamt 68 relevanten Beiträgen der wichtigsten Radio- und Fernsehnachrichtensendungen des ORF wurde auf folgende Länder am häufigsten Bezug genommen:

Wochenbericht, 31.3. bis 6.4.2014

II. Der Abbruch der israelisch-palästinensischen Verhandlungen im Spiegel der österreichischen Medien

„Hat Israel jetzt eigentlich erreicht, was Israel eigentlich wollte, nämlich den Stillstand?“, lautete die Frage, die Hubert Arnim-Ellissen an Ben Segenreich, den Israel-Korrespondenten des ORF, richtete. Die Selbstverständlichkeit, mit der der Ö1-Mittagsjournal-Morderator Israel unterstellte, in den letzten Monaten nicht anderes im Sinn gehabt zu haben, als die von US-Außenminister Kerry forcierten Verhandlungen mit der PLO zum Scheitern zu bringen, schien auch Segenreich für einen kurzen Moment zu verblüffen. „Warum glauben Sie, dass Israel den Stillstand wollte?“, fragte er zurück, bevor er ausführte, dass es die palästinensische Seite war, die Bedingungen für die Fortsetzung der Gespräche gestellt und diese jetzt zum Erliegen gebracht hatte. (Ö1-Mittagsjournal, 2. Apr. 2014)

Arnim-Ellissens Entschlossenheit, völlig unabhängig von den tatsächlichen Entwicklungen Israel für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich zu machen und dem jüdischen Staat zu unterstellen, es in Wahrheit von Anfang an darauf angelegt zu haben, mag ein extremer Fall gewesen sein, doch war er bei Weitem nicht der einzige in Österreichs Medienlandschaft, der offenbar Schwierigkeiten damit hatte, nüchtern über den Zusammenbruch von Kerrys Friedensinitiative zu berichten.

Am einfachsten hatten es noch die Leser der Salzburger Nachrichten, mussten sie sich doch mit möglicherweise verwirrenden Details und konkurrierenden Deutungen gar nicht erst auseinandersetzen: Eine Kurzmeldung in der Wochenendausgabe, in der es hieß, der US-Außenminister sei „frustriert“ über die mangelnde Kompromissbereitschaft der Konfliktparteien, war alles, was in den SN zum Thema zu lesen war. Was die aktuelle Frustration bei Kerry ausgelöst hatte, wurde mit keinem Wort erwähnt. (Salzburger Nachrichten, 5. Apr. 2014)

Auch die Kronen Zeitung widmete den israelisch-palästinensischen Verhandlungen nur einen Artikel. Darin fand sich zwar die Behauptung, das Scheitern der „Nahost-Gespräche“ sei darauf zurückzuführen gewesen, dass die Palästinenser „offenbar die Geduld verloren“ hätten, doch wurde deutlich gemacht, wer den Stillstand unmittelbar verursacht hatte: „Palästinenserchef Mahmoud Abbas verhandelt nicht mehr weiter.“ (Kronen Zeitung, 2. Apr. 2014)

Die angebliche Ungeduld der Palästinenser spielte auch in einem Abendjournal-Bericht eine Rolle, in dem behauptet wurde, im Westjordanland sei der „Frust“ über die „Friedensverhandlungen“ u. a. deshalb groß, weil „die seit Juli laufenden Gespräche keinerlei greifbare Annäherung bei den großen Themen … gebracht haben.“ (Ö1-Abendjournal, 1. Apr. 2014) Am Befund, dass es in den Gesprächen keine greifbaren Erfolge gegeben habe, ist nicht zu zweifeln. Dass keine Annäherung bei den „großen Themen“ erfolgte, liegt allerdings daran, dass die palästinensischen Verhandler in Kernfragen – Anerkennung Israels als jüdischer Staat, Abgehen vom „Rückkehrrecht“ der palästinensischen „Flüchtlinge“, Erklärung des Endes des Konflikts  – keinerlei Bewegung erkennen ließen.

Obwohl also der schon längst eingetretene Stillstand der Verhandlungen auf die unveränderte Intransigenz der palästinensischen Seite zurückzuführen ist, wurde von vielen Medien die palästinensische Version der Geschichte zum Besten gegeben, wonach Abbas „keine andere Wahl“ mehr gehabt habe, als sich erneut – und gegen alle Abmachungen mit den USA und Israel – an internationale Organisationen zu wenden, um auf dem diplomatischen Parkett seinen Kampf fortzusetzen. „Hier sitze ich, ich kann nicht anders“, diesen Eindruck habe Abbas laut Presse zu vermitteln versucht. (Presse, 2. Apr. 2014) Tags darauf war zu lesen, im  „hartnäckigen Ringen um eine Friedenslösung“ sei den Palästinensern „der Geduldsfaden“ gerissen (Presse, 3. Apr. 2014), als Israel die Freilassung der letzten 26 von insgesamt 104 verurteilten Terroristen verzögert habe. Nun, so sekundierte das Morgenjournal, habe sich Abbas „nicht länger hinhalten lassen“ können und wollte sich wieder an die „internationale Gemeinschaft“ richten. (Ö1-Morgenjournal, 2. Apr. 2014) Die vorherrschende Version brachte der Standard auf den Punkt: „Streit um Freilassung von Häftlingen bedroht Nahost-Gespräche“ lautete eine Überschrift, unter der dann weiter ausgeführt wurde: „Sollte Israel keine weiteren Häftlinge freilassen, will die Palästinenserführung die Verhandlungen  nach Ablauf einer Frist Ende April beenden.“ (Standard, 31. März 2014) Die erwähnte Frist ist der Ablauf der neun Monate, auf die US-Außenminister Kerry den Zeitraum für Friedensverhandlungen – völlig willkürlich – festgesetzt hatte.

Damit drehte der Standard die Geschichte allerdings um: Seiner Darstellung zufolge habe die palästinensische Seite als Reaktion auf die ausgebliebene Gefangenenfreilassung ein Ende der Gespräche mit 29. April verkündet. Tatsächlich jedoch hatte sie zuvor bereits mehrfach erklärt, die Verhandlungsfrist nicht über den 29. April hinaus verlängern zu wollen. (Ö1-Mittagsjournal, 2. Apr. 2014) Die Freilassung von palästinensischen Terroristen war der Preis, der vereinbart wurde, damit Abbas sich letzen Sommer überhaupt wieder zurück an den Verhandlungstisch begab. Israel hatte gehofft, im Gegenzug für die letzte Freilassungswelle von Abbas eine Verlängerung der Verhandlungsfrist zu bekommen. Als sich aber abzeichnete, dass Abbas entschlossen war, Ende April seinen diplomatischen Feldzug auf internationaler Ebene in jedem Fall wieder aufzunehmen, sah Israel offenbar keinen Grund, den Rest der ‚Bestechungssumme‘ zu bezahlen. Die Kleine Zeitung zitierte einen Berater von Premier Netanjahu: „Wir sollen jetzt Mörder freilassen, damit Ramallah uns in drei Wochen ohnehin in internationalen Foren verunglimpft? Welche Sinn würde das für uns machen?“ (Kleine Zeitung, 3. Apr. 2014)
 

III. Die palästinensische „Verhandlungsstrategie“: Erpressung und Drohung

Kann man das israelische Vorgehen als den Versuch interpretieren, weitere Häftlingsfreilassungen als Druckmittel zu verwenden, um die Verhandlungen über den 29. April hinaus zu verlängern, so versuchte die palästinensische Seite, für eine mögliche Fortsetzung der Gespräche einen möglichst hohen Preis herauszuschlagen. Eingang in die Berichterstattung in österreichischen Medien fand noch die Debatte darüber, die Verhandlungen durch die Freilassung von hunderten weiteren palästinensischen Häftlingen sowie einen (partiellen) Baustopp israelischer Siedlungen zu retten (Standard, 2. Apr. 2014); Zugeständnisse, für die Israel nichts weiter erhalten hätte als die Zusage, Gespräche weiterzuführen, in denen die Palästinenser schon bisher keinerlei Bewegung zeigten.

Doch damit nicht genug: Einem Bericht der palästinensischen Ma‘an News Agency zufolge konfrontierten die PLO-Unterhändler ihre israelischen Gegenüber in einer 9-stündigen Sitzung, die einer Rettung des Verhandlungsprozesses dienen sollte, mit sieben Bedingungen, die erfüllt werden müssten, um nach dem 29. April noch weiterzureden. Demnach hätte Israel vor allen weiteren Verhandlungen schriftlich „Palästina“ in den „Grenzen von 1967“ mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt anerkennen müssen. Weitere Bedingungen fasste die Times of Israel zusammen: „(T)he list demanded the release of 1,200 Palestinian prisoners including Marwan Barghouti and Ahmad Saadat; a building freeze in East Jerusalem and the West Bank; granting Israeli citizenship to 15,000 Palestinians under a family reunification program; the termination of Israel’s security blockade of Gaza; permission to bar the IDF from West Bank Area A (areas under full PA control) for entrance to arrest or kill terror operatives; and increased Palestinian control in Area C (areas under full Israeli control).“ (Marwan Barghouti war Chef der terroristischen Tanzim-Miliz der Fatah, der wegen seiner Beteiligung an mehreren Morden in Israel zu fünf Mal lebenslanger Haft verurteilt wurde; Ahmad Saadat ist der Generalsekretär der terroristischen Volksfront zur Befreiung Palästinas.)

Die palästinensische Führung ging offenbar davon aus, dass Israel so große Angst vor den Folgen eines Abbruchs der Verhandlungen habe, dass es sich gezwungen sehen könnte, diese Bedingungen zu akzeptieren. Tom Wilson charakterisierte den palästinensischen Forderungskatalog folgendermaßen: „That list of demands essentially amounts to an itinerary of all the things that one would presume would be covered during the talks themselves. In other words, Abbas is demanding that Israel flatly agree to meet all his requirements on borders, Jerusalem, security, etc., prior to talks being resumed, at which point there would of course be nothing left to discuss. It hardly passes for what most would understand by the term ‚negotiation‘.“

Tatsächlich waren die sieben palästinensischen Bedingungen kein Beitrag zu Verhandlungen, sondern ein schlichter Erpressungsversuch – über den in Österreich mit keinem Wort berichtet wurde: Entweder, so die Drohung, gebe Israel klein bei, oder aber die palästinensische Führung werde die Friedensgespräche platzen lassen. Als zusätzliches Drohmittel hatte Abbas am vergangenen Dienstag in einem eklatanten Bruch der Vereinbarungen mit Israel und den USA sowie seiner Verpflichtungen gemäß dem Oslo-Friedensprozess Anträge zum Beitritt „Palästinas“ zu 15 internationalen Konventionen und Abkommen unterzeichnet. In der Presse war über die im palästinensischen Fernsehen übertragenen Ausführungen von Abbas zu lesen: „Es sei das Recht der Palästinenser, sich an die UNO-Institutionen zu wenden. Dennoch suche man weiter nach einer Lösung für den Konflikt, durch Verhandlungen und durch Volkswiderstand.“ (Presse, 2. Apr. 2014) Statt über Frieden zu sprechen, drohte Abbas mit Terror – nichts anderes ist mit dem Begriff „Volkswiderstand“ gemeint. Dass die Palästinenser aktuell gegen zumindest 11 der 15 internationalen Konventionen und Verträge verstoßen, denen sie nun beitreten wollen, fand in österreichischen Medien übrigens auch keine Erwähnung.

Mit diesem Schritt hat Abbas den seit acht Monaten laufenden Verhandlungen den Todesstoß versetzt. Den Krieg gegen den jüdischen Staat, den zu beenden er sich konsequent weigert, wird er nun wieder auf dem internationalen Parkett fortführen. Solange die ‚internationale Gemeinschaft‘ die Palästinenser in dem Glauben belässt, auf diesem Weg ihre Ziele erreichen zu können, werden sie sich auch weiterhin jedem Kompromiss mit Israel verweigern.

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