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Wochenbericht, 26.5. bis 1.6.2014

In dieser Ausgabe:

I. Allgemeiner Überblick
II. Papst Franziskus in Jerusalem: Zu Besuch beim obersten palästinensischen Hassprediger
III. Paradebeispiel für Oslo-Syndrom: Gastkommentar von Avraham Burg im Standard

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen 251 Beiträge mit Bezügen zu den Regionen Nordafrika bzw. Naher Osten:

Wochenbericht, 26.5. bis 1.6.2014

Folgende Länder standen im Mittelpunkt der Berichterstattung:

Wochenbericht, 26.5. bis 1.6.2014

In den insgesamt 81 relevanten Beiträgen der wichtigsten Radio- und Fernsehnachrichtensendungen des ORF wurde am häufigsten auf folgende Länder Bezug genommen:

Wochenbericht, 26.5. bis 1.6.2014

II. Papst Franziskus in Jerusalem: Zu Besuch beim obersten palästinensischen Hassprediger

Die Nahostberichterstattung österreichischer Medien stand zu Beginn der vergangenen Woche noch ganz unter dem Eindruck der Reise von Papst Franziskus nach Jordanien, ins Westjordanland und nach Israel. (Zum verzerrenden Bild, das im Zuge dessen hierzulande von Israel gezeichnet wurde, sehen Sie unseren letzten Wochenbericht.) In Jerusalem besuchte der Papst die Gedenkstätte Yad Vashem, wo er Gespräche mit Überlebenden des Holocaust führte. Als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche legte Franziskus am Grab von Theodor Herzl einen Kranz nieder, was ob der früher grundsätzlich ablehnenden Haltung des Vatikan zu Israel von den SN völlig zu Recht als „(h)istorische Geste“ bezeichnet wurde. Als Herzl seinerzeit Pius X. für eine Unterstützung des Strebens nach einem jüdischen Staat zu gewinnen suchte, quittierte dieser das mit der Bemerkung: „Wenn Sie nach Palästina gehen und Ihr Volk dort ansiedeln, werden wir Kirchen und Missionare bereithalten, um es zum Christentum zu bekehren.“ (Salzburger Nachrichten, 27. Mai 2014)

Auf dem päpstlichen Besuchsprogramm in Jerusalem stand auch ein Treffen mit Mohammad Ahmad Hussein, dem seit 2006 amtierenden Mufti von Jerusalem, bei dem Franziskus mahnte: „Niemand gebrauche den Namen Gottes als Rechtfertigung für Gewalt!“ (Presse, 27. Mai. 2104) Mit Ausnahme der Presse vermieden österreichische Medien jeden Hinweis darauf, dass dies im Beisein des „wegen seiner Aufrufe zur Gewalt umstrittenen Großmufti“ mehr als ein bloß allgemein gehaltener Appell gewesen sein dürfte (Presse, 27. Mai 2014), doch ging auch die Presse nicht über diese Andeutung hinaus. Weitgehend unterschlagen wurde hierzulande somit, dass es sich bei Hussein in Wahrheit um den gegenwärtig ranghöchsten palästinensischen Hassprediger handelt.

So bestreitet der Mufti, dass es in Jerusalem jemals einen jüdischen Tempel gegeben habe – eine antisemitische Lüge, die Jassir Arafat einst gern zum Besten gab. Er behauptet, dass Palästina seit der Zeit der Kanaaniter immer und durchgehend ein arabisches Land und Jesus ein „Palästinenser par excellence“ gewesen sei; ein jüdisches Königreich habe es somit genauswenig gegeben wie den Juden Jesus – eine antisemitische Mär, die auch von Mahmud Abbas vertreten wird und in bildlicher Form u. a. bei der Messe von Papst Franziskus in Bethlehem dargeboten wurde. Dass es für den Mufti keinen Platz für einen jüdischen Staat gibt und Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer reiche, versteht sich angesichts dessen fast von selbst. Deswegen preist er die Dschihad-Kämpfer und „Märtyrer“, denen Palästina seine „Ehre“ zu verdanken habe. Bei einem Begräbnis von palästinensischen Terroristen, die bei ihren Anschlägen in Israel getötet worden waren, bezeugte Hussein seinen Stolz auf die „Elitegruppe der Märtyrer“ und gelobte, das palästinensische Volk werde auf ihrem Weg folgen, bis jeder Zentimeter des Landes „befreit“ sei. Und bei einer vom Fernsehsender der Palästinensischen Autonomiebehörde übertragenen Kundgebung der angeblich gemäßigten Fatah rief der Mufti unter Berufung auf den Propheten Mohammed offen zum Massenmord an den Juden auf:

Videolink leider nicht mehr verfügbar

Mit dieser antisemitischen Hetze stellte sich Hussein voll und ganz in die Tradition seines historischen Vorgängers Amin el-Husseini, der als Nazi-Kollaborateur sicherstellen wollte, dass die „Endlösung der Judenfrage“ auch vor dem Nahen Osten nicht Halt machen würde.

Es ist bezeichnend, dass die Hetze von Mufti Hussein in österreichischen Medien (mit Ausnahme der oben zitierten Presse) überhaupt nicht zur Sprache kam. Hier war man viel zu sehr von der  „interreligiösen Symphonie“ begeistert, die die Kronen Zeitung beim Jerusalem-Aufenthalt von Papst Franziskus zu erkennen vermochte (Kronen Zeitung, 27. Mai 2014), um über Friedensappelle und Toleranzaufrufe hinweg die Realität nicht völlig aus den Augen zu verlieren.

Nach dem medienwirksamen Abstecher, den der Papst zuvor zur „Trennmauer“ gemacht hatte, besuchte Franziskus in Israel auch ein Mahnmal für israelische Terroropfer. Während der erste Zwischenstopp von den Medien lang und breit erörtert wurde, erweckte der zweite weit weniger Interesse: Von den von MENA analysierten Printmedien gingen nur der Standard und die Salzburger Nachrichten auf das Gedenken an die Terroropfer ein (beide am 27. Mai 2014); auch der ORF berichtete darüber. (ZiB 13, 26. Mai 2014; ZiB, 26. Mai 2014) In der Kleinen Zeitung, dem Kurier, der Kronen Zeitung und der Presse wurde diese Geste des Papstes dagegen nicht erwähnt. Hier kam wieder ein die mediale Berichterstattung nur allzu oft charakterisierender Umstand zum Tragen: Terror gegen den jüdischen Staat und seine Bürger stößt nur auf wenig Interesse.

Sein Gedenken an die israelischen Terroropfer bescherte Papst Franziskus einen bemerkenswerten Abstieg in der Gunst des britischen Guardian, wie die Webseite Cif Watch zu berichten wusste. Anlässlich des Halts an der Mauer bei Bethlehem war man noch voll des Lobes: „The unscheduled, conspicuous stop halfway through his three-day visit to the Holy Land – made en route to an open-air mass in Manger Square, Bethlehem – confirmed Francis’s reputation for determined independence.“ In der Berichterstattung über das Gedenken beim Mahnmal für israelische Terroropfer war von Lob für die „entschlossene Unabhängigkeit“ des Papstes plötzlich keine Rede mehr. Jetzt war aus der Feder von Peter Beaumont, dem Jerusalem-Korrespondenten des Guardian, zu lesen: „The surprise addition on Monday was made at the request of the Israeli prime minister, Binyamin Netanyahu, and was interpreted as an attempt to appease his Israeli hosts after his surprise decision to pray at the controversial Israeli separation wall in Bethlehem the day before.“

Binnen 24 Stunden wurde so aus dem für seine Unabhängigkeit gepriesenen Papst jemand, der es nur den Israelis recht machen wollte. Cif Watch hat in aller Kürze zusammengefasst, was hinter dem raschen Sinneswandel stand: „Evidently, it didn’t occur to Beaumont that the pope’s visit to the terror memorial (a day after his visit to the security fence) likely represented an acknowledgement that though the fence causes hardships for Palestinians, its construction was motivated by the ethical imperative to save innocent lives – a decision based on moral calculus so simple that even cynical foreign journalists should understand.“

III. Paradebeispiel für Oslo-Syndrom: Gastkommentar von Avraham Burg im Standard

Im vergangenen Februar stellte der Standard Avraham Burg, ehemals Politiker der israelischen Arbeitspartei, Platz für einen Gastkommentar zur Verfügung, in dem dieser eine bemerkenswerte These vertrat: „Palästinenser setzen neuerdings auf gewaltlosen Widerstand statt auf bewaffnete Rebellion“. (Standard, 16. Feb. 2014)

Seit dieser Behauptung scheiterten ein weiteres Mal israelisch-palästinensische Verhandlungen über einen Friedensschluss, nahm die PLO ihr Unterfangen wieder in Angriff, auf internationalem Parkett die Gründung eines palästinensischen Staates voranzutreiben, ohne zuvor den Krieg gegen Israel zu beenden, und bildete die angeblich gemäßigte Fatah mit der islamistischen Terrorgruppe Hamas eine Einheitsregierung. Die Hamas, die gerade im Begriff ist, ihr Verhältnis zum islamistischen Regime im Iran wieder zu kitten, das wegen des anhaltenden Mordens des Iran und der libanesischen Hisbollah in Syrien in eine Krise geraten war, verkündet derweil, weiterhin nicht im Traum an eine Anerkennung Israels zu denken. Sie  gelobt, den terroristischen Kampf gegen den jüdischen Staat fortzusetzen und fordert, jegliche Sicherheitskooperation zwischen Israelis und Palästinensern im Westjordanland einzustellen. Am vergangenen Freitag gelang es israelischen Sicherheitskräften dort, einen palästinensischen Selbstmordattentäter zu stoppen, der mit dem bereits umgeschnallten Sprengstoffgürtel auf dem Weg war, um ein Blutbad unter Israelis anzurichten. Aus dem Gazastreifen werden unterdessen wieder Raketen auf Israel gefeuert.

Von all diesen Entwicklungen offenbar unbeeindruckt fand sich im Standard am vergangenen Mittwoch wieder ein Gastkommentar von Avraham Burg – und wieder ist darin von einem „neue(n) Diskursstil auf palästinensischer Seite“ die Rede, der „Anlass zur Hoffnung“ gebe; „Der Frieden könnte mit Mitteln zivilen Ungehorsams Realität werden.“

Während die Palästinenser gerade eine von eliminatorischem Antisemitismus getriebene Terrorgruppe in die Regierung holen, fragt Burg: „Wo liegen die Wurzeln von Israels politischer Brutalität und diplomatischer Aggression? Ist unsere zerschmetterte Vergangenheit das Fundament gegenwärtiger Gewalt?“ Just während die Palästinenser eine Einheitsregierung unter Einbeziehung der Hamas auf die Beine stellen, einer gemäß ihrer islamistisch-totalitären Ideologie grundsätzlich auf die Zerstörung des jüdischen Staates eingeschworenen Mörderbande, entdeckt Burg „brennende(n) religiöse(n) Eifer“ – allerdings nur auf israelischer Seite: „Er umhüllt den blühenden Nationalismus, die Gier nach Herrschaft, eine israelische Denkweise, die die Grundlage unserer Unfähigkeit darstellt, Frieden und Versöhnung mit unseren Nachbarn zu erlangen.“ Den Gegensatz zur israelischen „Gier nach Herrschaft“, dem (jüdischen) „brennenden religiösen Eifer“ und dem „blühenden Nationalismus“ stellten die Palästinenser dar. Sie hätten „keine Furcht mehr, auch nicht vor dem Frieden“. Sie „verstehen die andere Seite, die Notwendigkeit einer politischen Vereinbarung. Was ihre politische Denkweise anbelangt, sind sie viel weiter als wir.“

Burgs neuer, von jedem Bezug auf die Wirklichkeit befreiter Gastkommentar ist in seiner konsequenten Umkehrung der Realität ein wahrlich erstaunliches Dokument, dem nur in einem Punkt voll und ganz zuzustimmen ist: Das Problem, mit dem wir hier konfrontiert sind, „ist wohl weniger politischer als psychologischer Natur“. (Standard, 28./29. Mai 2014) Der Text kann als anschauliches Beispiel für das vom Psychiater Kenneth Levin analysierte Oslo-Syndrom dienen. Levin bezeichnete damit den psychologischen Effekt, der sich in Menschen einstellt, die unter einer permanenten Belagerungs- und Bedrohungssituation zu leiden haben, die zu ändern aber nicht in ihrer Macht steht. Auf den israelischen Fall angewendet: Seit seiner Gründung kennen der jüdische Staat und seine Bewohner keinen Frieden, sondern sind bis heute gezwungen, sich in einem feindlichen Umfeld zu behaupten. Israelische Versuche, die Lage durch Zugeständnisse und Kompromissvorschläge zu verändern, haben sich als Fehlschläge erwiesen, weil sie von den Feinden des jüdischen Staates noch stets als Schwäche und als Ansporn für weitere Aggression gewertet wurden. Die ständige Bedrohung ist nur schwer zu ertragen und führt dazu, die reale Ohnmacht durch einen psychologischen Mechanismus überwinden zu wollen, den bereits Anna Freud in ihrer Studie „Das Ich und die Abwehrmechanismen“ anhand von Tierphantasien kleiner Kinder analysiert hat. Freud schrieb: „Die Methode zur Vermeidung von Realunlust und Realangst … ist eine sehr einfache. Das Ich des Kindes sträubt sich dagegen, ein Stück unliebsamer Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen. So wendet es sich erst einmal von der Realität ab, verleugnet sie und ersetzt das Unerwünschte durch die Vorstellung vom umgekehrten Sachverhalt.“

Genau dieser Mechanismus wird, wenn auch unwillentlich, von Burg illustriert: Er weigert sich, die Realität und Ernsthaftigkeit der  Bedrohung zur Kenntnis zu nehmen, und bildet sich eine Phantasiewelt mit umgekehrtem Sachverhalt: So verwandelt sich der arabische/muslimische Hass auf den jüdischen Staat in israelische „Brutalität“ und „Aggression“; der religiöse Fanatismus von Gruppen wie der Hamas kehrt als „brennender religiöser Eifer“ auf israelischer Seite wieder; der erklärte Wille zum Märtyrertod für die palästinensische Sache mutiert zum „blühenden Nationalismus“ der Israelis; das Bestreben, die Juden im Nahen Osten wieder in den inferioren Status zurück zu zwingen, unter dem sie in der Vergangenheit leben mussten, taucht als israelische „Gier nach Herrschaft“ wieder auf; zu guter Letzt wird noch die israelische politische und soziale Fortschrittlichkeit auf die Palästinenser projiziert, die „viel weiter sind als wir“.

Der Vorteil dieser psychologischen Umkehrleistung besteht in der in Aussicht gestellten Überwindung der eigenen Ohnmacht: Wenn es die Israelis sind, von denen Brutalität, Aggression, religiöser Eifer und blühender Nationalismus ausgehen, dann liegt es auch in ihrer Macht, die Lage zu verändern. Der Fortbestand der realen Bedrohung, jede neue Aggression, jeder neue Angriff, dient als noch dringenderer Ansporn, das eigene Verhalten zu ändern – genau dies hat Levin anhand des Zusammenbruchs der mit dem Oslo-Friedensprozess verbundenen Hoffnungen auf ein Ende des permanenten Belagerungs- und Kriegszustands analysiert. Die trügerische Selbstermächtigung hat freilich mehrere Haken. Auf der einen Seite zeichnet sie sich durch eine erstaunliche Ignoranz gegenüber der Gegenseite aus. Indem Burg deklarierten Feinden Israels Haltungen und Bestrebungen unterstellt, die diese nicht teilen, geht er über deren tatsächliche Verlautbarungen und Handlungen einfach hinweg und negiert sie de facto als ihren eigenen Vorstellungen folgende Akteure. Auf der anderen Seite kann aus der Leugnung und Umkehrung der Realität im Dienste der Angstabwehr keine wirkliche Behebung des Leids entstehen.

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