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Wochenbericht, 23.12. bis 29.12.2013

In dieser Ausgabe:
I. Allgemeiner Überblick
II. Israel: Eine Woche des Terrors – aber nicht für österreichische Medien
III. Russisches Untersuchungsergebnis zum Tod Arafats: War da was?
IV. Weihnachtgrüße von Mahmud Abbas: der „Palästinenser“ Jesus

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen insgesamt 327 Beiträge mit Bezügen zu Nordafrika und dem Nahen Osten:

Wochenbericht, 23.12. bis 29.12.2013

Dabei standen folgende Länder im Mittelpunkt der Berichterstattung:

Wochenbericht, 23.12. bis 29.12.2013

In den insgesamt 99 relevanten Beiträgen der wichtigsten Fernseh- und Radionachrichtensendungen des ORF wurde auf folgende Länder am häufigsten Bezug genommen:

Wochenbericht, 23.12. bis 29.12.2013

Nachdem die österreichischen Medien anfänglich nur recht zurückhaltend über die Korruptionsaffäre berichtet hatten, die die Türkei erschüttert, stand die wohl größte Krise der Amtszeit von Premier Erdogan in der vergangenen Woche im Fokus der Berichterstattung. Die knappste Kommentierung der aktuellen Vorgänge war in der Kronen Zeitung zu lesen, wo Kurt Seinitz über die Auseinandersetzung zwischen der AKP unter Erdogan und der Gülen-Bewegung schrieb: „Bei dem wilden Machtkampf zwischen den beiden Islamisten geht es nicht um Ideologie, sondern um die alte Bauernweisheit, dass auf einem Misthaufen nur ein Hahn Platz hat.“ (Kronen Zeitung, 24. Dez. 2013)

Wir wollen uns in diesem Wochenbericht allerdings nicht mit der Türkei beschäftigen, sondern uns wieder einmal einem stets wiederkehrenden Phänomen widmen: der selektiven Aufmerksamkeit und Unausgewogenheit der Berichterstattung österreichischer Medien über Israel und den israelisch-palästinensischen Konflikt.
 

II. Israel: Eine Woche des Terrors – aber nicht für österreichische Medien

Am Sonntag, dem 22. Dezember explodierte eine Bombe in einem israelischen Bus in Bat Yam bei Tel Aviv und verletzte einen Polizisten, der sie gerade zu entschärfen versuchte. Einem Passagier war zuvor eine verdächtige Tasche aufgefallen, die bei den hinteren Türen des Busses platziert war. Als der Busfahrer die Tasche in Augenschein nahm, fielen ihm elektrische Drähte auf, worauf er den Bus räumen ließ und die Polizei alarmierte. Nur der Aufmerksamkeit der beiden Männer war zu verdanken, dass es nicht zu einem veritablen Blutbad kam. Berichten zufolge soll die Tasche fünf Kilo Sprengstoff enthalten haben – bei dem Selbstmordanschlag am Flughafen im bulgarischen Burgas 2012 reichten drei Kilo aus, um sechs Menschen zu ermorden. Die palästinensischen Gruppierungen Hamas und Islamischer Dschihad bekannten sich zwar nicht dazu, die Bombe von Bat Yam gelegt zu haben, bejubelten aber ausdrücklich den Versuch, möglichst viele Israelis in die Luft zu jagen. Laut israelischer Polizei war es der schwerste Anschlagsversuch in Israel seit über einem Jahr.

Am 23. Dezember wurde einem israelischen Polizisten ein Messer in den Rücken gerammt, als er im Westjordanland nördlich von Jerusalem den Verkehr regelte. Am selben Tag feuerten Terroristen aus dem Gazastreifen eine Rakete nach Israel, die in der Nähe der israelischen Stadt Ashkelon bei einer Bushaltestelle einschlug, die normalerweise von Schulkindern rege frequentiert wird.

Am 24. Dezember ermordete ein palästinensischer Heckenschütze vom Gazastreifen aus einen 22 Jahre alten israelischen Arbeiter, der den während eines Sturmes beschädigten Grenzzaun zwischen Israel und dem Gazastreifen reparieren wollte. Als Reaktion auf die tödliche Terrorattacke griff die israelische Luftwaffe einige Ziele im Gazastreifen an. Ebenfalls am Dienstag wurden zwei Israelis im Westjordanland verletzt, als Terroristen ihr Auto mit Steinen attackierten.

Am 26. Dezember feuerten Terroristen aus dem Gazastreifen erneut zwei Raketen auf Israel ab, die israelische Air Force griff daraufhin eine Waffenproduktionsstätte und ein Waffendepot im Gazastreifen an.

Am Sonntag wurde Israels Norden zum ersten Mal seit vier Monaten vom Libanon aus mit Raketen beschossen. Die israelische Armee nahm als Reaktion die Position unter Artilleriebeschuss, von der aus die fünf Raketen abgefeuert worden waren.

Wenn Sie ihre Informationen ausschließlich aus österreichischen Medien beziehen, werden sie von kaum einem der in dieser kurzen Chronologie aufgelisteten Vorfälle etwas mitbekommen haben. Der glücklicherweise vereitelte Bombenanschlag auf den Bus in Bat Yam wurde im ORF einmal in einer Meldungsübersicht erwähnt (ZiB, 22. Dez. 2013), aber keine österreichische Zeitung berichtete darüber, und auch der Mordanschlag auf den israelischen Polizisten im Westjordanland und der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen waren hierzulande den Zeitungen nicht einmal Kurzmeldungen wert.

Geradezu klassisch waren die medialen Reaktionen auf die Ermordung des israelischen Arbeiters durch einen palästinensischen Heckenschützen aus dem Gazastreifen: Im Kurier fand sich ein Satz, der am Ende eines der um die Weihnachtszeit unvermeidlichen Beiträge über Bethlehem versteckt war: „Nach tödlichen Schüssen auf einen Israeli griff die israelische Luftwaffe Ziele im Gazastreifen an.“ (Kurier, 25. Dez. 2013) Der einzige Akteur, der hier in der Rolle des Angreifers vorkam, war die israelische Armee. Die knappe Erwähnung der Ermordung des israelischen Arbeiters kam dagegen ohne verantwortlichen Akteur und sogar ohne Verb aus: „Nach tödlichen Schüssen“ – vom wem die Schüsse abgegeben wurden und wer getroffen wurde, blieb unerwähnt.

Charakteristisch auch die Meldung in den ORF-Fernsehnachrichten: „Alles andere als friedlich verlaufen diese Feiertage im Nahen Osten: Die israelische Luftwaffe hat heute einen Vergeltungsschlag auf den Gazastreifen ausgeführt. Dabei soll ein palästinensisches Kind ums Leben gekommen sein. Zuvor war ein Israeli an der Grenze von einem palästinensischen Scharfschützen erschossen worden. Als Vergeltung flog die israelische Luftwaffe dann mehrere Angriffe auf Stützpunkte der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen.“ (ZiB, 24. Dez. 2013) In der Darstellung des ORF ging die Folge der Ursache voraus: Die Meldung folgte nicht, wie eigentlich zu erwarten wäre, dem zeitlichen Ablauf, sondern stellte ihn auf den Kopf: Zuerst wurde der Vergeltungsschlag der Israelis genannt, dann erst der Mordanschlag auf den Arbeiter am Grenzzaun, der der Anlass für den Einsatz der israelischen Luftwaffe war. Die Umkehrung des zeitlichen Ablaufs ist freilich ein deutlicher Hinweis auf ihren Grund: Hätte die israelische Armee nicht auf den Mord reagiert, hätten Kurier und ORF genauso wenig darüber berichtet, wie sie es beim Busanschlag von Bat Yam oder dem Mordanschlag auf den israelischen Polizisten im Westjordanland getan hatten.

Nach diesen Bemerkungen muss die folgende Kurzmeldung mit der Überschrift „Luftwaffe attackiert Ziele im Gazastreifen“ im Kurier vom vergangenen Samstag nicht mehr weiter kommentiert werden: „Israel. Die Armee hat erneut Ziele im von Palästinensern bewohnten Gazastreifen bombardiert. … Militante Palästinenser hatten zuvor eine Rakete auf die israelische Stadt Ashkelon abgefeuert.“ (Kurier, 28. Dez. 2013) Die Umkehrung von Ursache und Wirkung, die immer nur in einer Richtung erfolgt, geschieht nicht zufällig oder aus Unachtsamkeit, sondern, das beweist die Häufung derartiger Fälle insbesondere im Kurier, vorsätzlich. Dabei sollte nicht übersehen werden: So seltsam die erwähnten Meldungen in Kurier und ORF auch waren, diese beiden Medien haben wenigstens über die Vorfälle berichtet – in Standard, Presse, Salzburger Nachrichten, Kleiner Zeitung und Kronen Zeitung war dagegen nicht eine Silbe darüber zu finden.

Interessant war auch die Kurzmeldung im Standard über die Zwischenfälle vom gestrigen Sonntag in der israelisch-libanesischen Grenzregion. Aus dem mutwilligen Angriff auf Israel und der anschließenden israelischen Reaktion wurde in der Überschrift ein „Raketengefecht zwischen Israel und Libanon“. Darunter war zu lesen: „Israel hat am Sonntag auf Raketenangriffe aus dem Libanon mit massivem Artilleriefeuer reagiert. Es seien dutzende Granaten auf den libanesischen Abschussort gefeuert worden“. Sowohl in der Überschrift, als auch im Text wurde zuerst Israel genannt, der einzige zunächst genannte Akteur war die israelische Armee, die bei „massivem Artilleriefeuer … dutzende Granaten“ verschossen habe. Erst später wurden „(m)ilitante Libanesen“ für die Raketenangriffe auf Israel verantwortlich gemacht. (Standard, 30. Dez. 2013)
 

III. Russisches Untersuchungsergebnis zum Tod Arafats: War da was?

Wie selektiv die Medien mit Geschichten aus dem Nahen Osten im Allgemeinen und im Bezug auf Israel im Besonderen verfahren, zeigte sich in den vergangenen Wochen ganz deutlich in der Berichterstattung über die Untersuchungen zur angeblichen radioaktiven Vergiftung, die zum Tod Jassir Arafats geführt haben soll. Groß war die Aufregung, als ein Schweizer Labor vor wenigen Wochen eine Vergiftung Arafats durch Polonium „nicht ausschließen“ konnte und im Auftrag des arabischen Propagandasenders al-Jazeera einen Bericht vorlegte, der wissenschaftlich zwar höchst fragwürdig war, aber jede Menge Raum für Spekulationen offenließ.

Als in der vergangenen Woche nun russische Wissenschaftler zum Abschluss ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis kamen, dass eine radioaktive Vergiftung als Ursache für Arafats Tod ausgeschlossen werden kann, war die mediale Resonanz, vorsichtig gesagt, überschaubar. Anfang November berichtete die Presse noch auf der Titelseite über die vermeintliche Sensation, dass „(r)adioaktives Gift in Arafats Leiche“ gefunden worden sei. (Presse, 8. Nov. 2013) Jetzt fand sich nur die bescheidene Kurzmeldung: „Experten schließen Arafat-Vergiftung“ aus. Demnach habe der Direktor der russischen Bundesanstalt für biologische Analysen erklärt, Arafat sei eines natürlichen Todes und nicht an einer Polonium-Vergiftung gestorben (Presse, 27. Dez. 2013) – kein Leitartikel auf der Titelseite, kein großes Arafat-Foto, keine Kommentierung der Story, sondern eine rund 10 Zeilen kurze Meldung in einer engen Spalte auf Seite 6.

Noch kürzer handelte der Standard die Sache ab. Im November wurde dem Vergiftungsmärchen noch viel Platz eingeräumt. Das russische Dementi war jetzt dagegen gut versteckt und fand sich in Gestalt eines einzigen Satzes unter der Rubrik „Ganz kurz“: „Kein Gift. Russische Experten schließen aus, dass Palästinenserpräsident Yassir Arafat mit Polonium vergiftet wurde.“ (Standard, 27. Dez. 2013)

Wochenbericht, 23.12. bis 29.12.2013

Die anderen von MENA ausgewerteten Medien gingen mit keinem Wort auf die russischen Untersuchungsergebnisse ein, die im Übrigen nur die bereits zuvor bekanntgegebenen Resultate eines französischen Labors voll und ganz bestätigen.

An sich wäre nichts daran auszusetzen, dass der palästinensischen Propaganda über die angebliche Ermordung ihres verehrten Führers durch jüdische Giftmischer jetzt der Stellenwert eingeräumt wird, der Verschwörungstheorien dieser Art von Anfang an hätte zustehen sollen. Nach dem medialen Hype rund um die Veröffentlichung der Schweizer Ergebnisse Anfang November hinterlässt die Sache aber doch einen üblen Nachgeschmack. Zum Einen bleiben aufgrund der jetzt fehlenden Berichte über die russischen Untersuchungsergebnisse die kursierenden Mordtheorien unwidersprochen. Zum Anderen wird die palästinensische Führung darüber hinaus in ihrer Gewissheit bestärkt, dass auch noch ihre wildesten Propagandalügen von der Weltöffentlichkeit als respektabel und diskutabel erachtet werden, während die weitaus weniger spektakuläre Auseinandersetzung mit der Realität hinter der anti-israelischen Propaganda in der öffentlichen Debatte entweder gar nicht, oder nur unter ferner liefen stattfindet. Dazu gehört auch, worauf Eliott Abrams in seinem Blog beim Council on Foreign Relations hinweist: „The striking thing about the Swiss ‚investigation‘ is that it was inspired and financed by al-Jazeera. … The other teams were not bought and paid for by al-Jazeera and they reached the opposite conclusion.”
 

IV. Weihnachtgrüße von Mahmud Abbas: der „Palästinenser Jesus“

Wie weit die palästinensische Führung in ihrer Propaganda gehen kann, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, wurde anhand der „Weihnachtwünsche“ deutlich, die der PA-Vorsitzende Mahmud Abbas vergangene Woche zum Besten gab. Der Kronen Zeitung zufolge sah der „PLO-Chef … Jesus als Vorbild für (die) Palästinenser“. Der Sohn Gottes sei ein „palästinensischer Botschafter“ gewesen. (Kronen Zeitung, 25. Dez. 2013) Die Salzburger Nachrichten berichteten, dass Abbas Jesus als „Palästinenser“ bezeichnet habe, „der die frohe Botschaft brachte und eine Führungsgestalt für Millionen weltweit wurde.“ Gegenstand des Berichts in den SN war allerdings weniger die Rede von Abbas, als vielmehr die „Polemik“, die ihm wegen seiner Behauptung, Jesus sei ein Palästinenser gewesen, aus Israel entgegengeschlagen sei. Er hätte „das Neue Testament lesen sollen, bevor er solchen blanken Unsinn sagt“, wurde etwa ein Sprecher des israelischen Außenministeriums zitiert. (Salzburger Nachrichten, 27. Dez. 2013)

Was SN und Krone in ihren kurzen Berichten nicht erwähnten: Abbas‘ Rede war weniger vom Geist weihnachtlichen Friedens durchdrungen, als vielmehr ein typisches Beispiel der Mischung von aggressiver Denunziation Israels und dem geschichstklitternden Versuch, die historische Gestalt Jesus jeglicher Verbindung zum Judentum zu berauben. Das Gerede vom „Palästinenser Jesus“, also die Vereinnahmung eines Menschen, der vor über 2000 Jahren geboren wurde, für ein Volk, das es noch keine 100 Jahre gibt, einfach als historischen Unsinn abzutun und darüber hinwegzusehen hieße, es sich zu einfach zu machen. Jonathan S. Tobin erläutert, worum es Abbas – und mit ihm vielen anderen anti-israelischen Propagandisten – geht: „The only point of transforming him [Jesus] into a Palestinian Arab is to hijack the history of biblical-era Judaism in order to burnish the myth that current-day Jews have no place in the land of Israel.” In völligem Einklang mit der jahrzehntelangen Propaganda der PLO missbrauchte Abbas das christliche Weihnachtsfest, um der Verbindung der Juden zum Land Israel und dem jüdischen Staat die Legitimität zu bestreiten. Passend dazu hatte Abbas kurz zuvor zum wiederholten Male erklärt, er werde Israel niemals als jüdischen Staat anerkennen.

Völlig zu Recht betonte Michael Reinprecht, der Leiter der Nahostabteilung im Europaparlament, in einem Gastkommentar im Kurier, die Weigerung, die jüdische Identität Israels anzuerkennen, sei ein „hässliches Gesicht“ des „neuen Antisemitismus“ und mahnte: „Es gilt, den Anfängen zu wehren.“ (Kurier, 30. Dez. 2013) Ein Anfang wäre doch, einfach einmal zuzuhören, was die angeblich „moderate“ palästinensische Führung zu diesem Thema zu sagen hat – vielleicht würde ja dem einen oder anderen EU-Politiker auffallen, woran der Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern wirklich scheitert.

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