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WOCHENBERICHT, 18.2. BIS 24.2.2013

In dieser Ausgabe:
I. Allgemeiner Überblick
II. SPÖ fordert Kennzeichnung von Produkten aus israelischen Siedlungen
III. Zur Tagung der „Allianz der Zivilisationen“ in Wien
IV. Palästinensische Gewalt vor Obamas Nahostreise

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche sind in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen insgesamt 223 Beiträge mit Bezug auf Nordafrika bzw. den Nahen Osten veröffentlicht worden:

WOCHENBERICHT, 18.2. BIS 24.2.2013

Folgende Länder wurden dabei am häufigsten genannt:

WOCHENBERICHT, 18.2. BIS 24.2.2013

Die absoluten Zahlen, die der Grafik zu entnehmen sind, verdecken dabei bemerkenswerte Unterschiede zwischen den verschiedenen Zeitungen. So war Israel das Land, auf das in der Presse mit 15 und im Standard mit 14 Nennungen jeweils am häufigsten Bezug genommen wurde; in der Kleinen Zeitung wurde dagegen kein einziger Artikel über Israel veröffentlicht. Genauso erging es den Palästinensern, die in der Kleinen Zeitung überhaupt keine Rolle spielten, während sie in der Presse in sieben Artikeln erwähnt wurden. In 10 verschiedenen Beiträgen wurde hier der Jemen genannt, während er dagegen in der Berichterstattung des Standardüberhaupt nicht vorkam.

II. SPÖ fordert Kennzeichnung von Produkten aus israelischen Siedlungen

Wie die Presse am vergangenen Mittwoch berichtete, fordert die SPÖ eine spezielle Kennzeichnung für Produkte, die in israelischen Gemeinden im Westjordanland hergestellt wurden. „Produkte aus den völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen gehören korrekt bezeichnet“, so Christine Muttonen, die außenpolitische Sprecherin der SPÖ. Auch auf EU-Ebene, so führte die Presse aus, „beginnt sich der Wind langsam zuungunsten Israels zu drehen.“ Ein „Brüssel-Insider“ stellte die Lage so dar: „Sollte Benjamin Netanjahus Regierung der Zweistaatenlösung mit einem weiteren Ausbau der Siedlungen den Todesstoß versetzen, könnte es an der Verbraucherfront zum Showdown mit Europa kommen.“ Ähnliche, wenngleich weniger martialische Töne sind aus dem österreichischen Außenministerium zu vernehmen. „Israels fortgesetzte Siedlungspolitik dürfe nicht honoriert werden. Österreich stehe einer Diskussion über eine Kennzeichnungspflicht daher aufgeschlossen gegenüber“. (Presse, 20. Feb. 2013)

Über die offenkundige Scheinheiligkeit des Vorstoßes der SPÖ-Politikerin Muttonen brauchen nicht viele Worte verloren werden: Bislang hat man aus der Reihen der heimischen Sozialdemokratie noch keine Forderungen nach einer besonderen Kennzeichnungspflicht für Waren aus der von Marokko besetzten Westsahara, dem von China besetzten Tibet oder, um in der EU zu bleiben, dem von der Türkei besetzten Nordzypern vernommen. Ganz in der Tradition Bruno Kreiskys hat man in der SPÖ mit Diktatoren aller Art kein Problem und steigt nur auf die Barrikaden, wenn es gegen Israel geht. Wie wenig sich Muttonen in Wahrheit um die Lebenssituation der Palästinenser scheren, wird schon daran deutlich, dass „die Kennzeichnung tausenden palästinensischen Familien schaden (würde): Tatsächlich arbeiten im Westjordanland 22.000 Palästinenser für israelische Unternehmen.“ (Ebd.)

Zwei Aspekte dieser Geschichte verdienen unsere Aufmerksamkeit. Erstens sollte die Rhetorik Muttonens, in der vom „humanitären Völkerrecht“ und ähnlichem die Rede ist, nicht den Blick darauf verstellen, worauf ihre Argumentation letztlich hinausläuft: Geht es nach der österreichischen Sozialdemokratie, ist soll das Westjordanland ein Gebiet sein, auf dem Juden samt und sonders nichts zu suchen haben. Über eine Million Araber leben in Israel und stellen allgemeinem Verständnis zufolge kein ‚Hindernis für den Frieden‘ dar, aber aus Judäa und Samaria, wie das Westjordanland bis in die 1970er-Jahre auch von westlichen Nachrichtenagenturenbezeichnet wurde, haben die Juden zu verschwinden – so lautet im Klartext die mit bestem Gewissen und unter Berufung auf das ‚humanitäre Völkerrecht‘ vorgebrachte Behauptung, dass israelische Siedlungen ‚illegal‘ seien, das ‚größte Hindernis für den Frieden‘ wären und im Sinne einer Lösung des Konflikts geräumt werden müssten.

Bezeichnend ist zweitens, wie Muttonen in ihrer Ende Jänner eingebrachten parlamentarischen Anfrage an die Finanzministerin argumentiert: Im Zentrum steht dabei die Behauptung, alle Siedlungen in den „besetzten palästinensischen Gebieten“ seien „völkerrechtswidrig“. Wie im Grunde immer, wenn von der „Illegalität“ israelischer Siedlungen die Rede ist, stützt sich Muttonen dabei auf die Genfer Konvention: „Gemäß Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention verstoßen die israelischen Siedlungen in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten gegen das humanitäre Völkerrecht.“

So oft dieses Argument auch gegen Israel vorgebracht wird, so fragwürdig ist es. Zunächst einmal gibt die Formulierung über die „1967 besetzten palästinensischen Gebiete“ eins zu eins den palästinensischen Standpunkt wieder, der aber von der israelischen Seite nicht akzeptiert wird. Und in historischer Hinsicht ist die israelische Argumentation zweifelsohne zutreffend: Das gesamte Gebiet (Israel, die von den Palästinensern beanspruchten Gebiete und das heutige Jordanien) gehörten zum Osmanischen Reich und wurden im Zuge des Ersten Weltkrieges von den Briten erobert. Der Völkerbund machte Großbritannien zur Mandatsmacht und erteilte explizit den Auftrag zur Errichtung einer „jüdischen Heimstätte“. Die Briten hatten anderes im Sinn und schufen 1922 den damals Transjordanien, heute nur mehr Jordanien genannten Staat. 1947 verabschiedeten die Vereinten Nationen den berühmten Teilungsbeschluss: Das nach der Abtrennung Jordaniens übrig gebliebene Mandatsgebiet sollte in einen jüdischen und einen arabischen Staat aufgeteilt werden (mit Jerusalem unter internationaler Kontrolle). Die Araber lehnten jede Form jüdischer Souveränität über auch nur einen Quadratzentimeter Territorium ab und zogen in den Krieg.

Das Ergebnis ist bekannt: Trotz hoher Verluste konnte sich Israel im Unabhängigkeitskrieg gegen den Angriff der arabischen Staaten behaupten. Das heute Westjordanland genannte Gebiet wurde von Jordanien besetzt, Jerusalem wurde zur geteilten Stadt. Da die arabischen Staaten einen formellen Friedensschluss mit dem jüdischen Staat aus Prinzip ablehnten, wurden keine offiziellen Grenzen festgesetzt. Was heute oft die „Grenze von 1967“ genannt wird, waren die Waffenstillstandslinien von 1948/49. Das Westjordanland wurde von Jordanien annektiert, aber mit Ausnahme von Großbritannien und Pakistan wurde diese Annexion von der internationalen Staatenwelt nie anerkannt. Im Zuge des Sechstagekrieges 1967, einem legitimen Selbstverteidigungskrieg, wurde das Westjordanland von Israel erobert und steht seitdem unter israelischer Kontrolle. Jordanien verzichtete 1988 offiziell auf seinen Anspruch auf das Gebiet.

Zusammengefasst kann man also sagen, dass das Westjordanland seit dem Ende des Osmanischen Reiches zu keinem Zeitpunkt international anerkannter Teil eines Staatsgebietes war. Die Palästinenser erheben Anspruch darauf und konnten international die Formulierung vom „besetzten palästinensischen Gebiet “ etablieren. Doch dieses Territorium stand niemals unter palästinensischer Kontrolle – es handelt sich um „umstrittenes Gebiet“, auf das sowohl Palästinenser als auch Israel Anspruch erheben können.

Mit der Verwendung der Formulierung von den „seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten“ ergreift Muttonen gleichermaßen einseitig wie ausschließlich für den palästinensischen Standpunkt Partei in einer Frage, die so klar und eindeutig nicht ist. Und wie sieht es mit der Berufung auf die Genfer Konvention aus, um die israelischen Siedlungen als „illegal“ zu erklären?

In Artikel 49 (6) der 4. Genfer Konvention heißt es: „Die Besatzungsmacht darf nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihre besetzte Gebiet deportieren oder umsiedeln.“ In Artikel 49 (1) heißt es ergänzend: „Zwangsweise Einzel- oder Massenumsiedlungen sowie Deportationen von geschützten Personen aus besetztem Gebiet nach dem Gebiet der Besatzungsmacht oder irgendeines anderen besetzten oder unbesetzten Staates sind ohne Rücksicht auf ihren Beweggrund verboten.“

Wie unschwer zu erkennen ist, ist die Anwendung dieser Bestimmungen auf die israelischen Siedlungen mehr als fraglich. Selbst wenn man die eben diskutierte Frage nach dem Status des Westjordanlandes beiseitelässt, kann überhaupt keine Rede davon sein, dass Israel „Teile seiner eigenen Zivilbevölkerung“ in die Westbank „umsiedeln“ oder gar „deportieren“ würde. Die Menschen, die in Siedlungen ziehen, tun das aus freien Stücken und nicht, weil sie vom israelischen Staat dazu gezwungen werden. Man mag aus guten Gründen gegen die israelische Siedlungspolitik sein – nicht zuletzt viele Israelis lehnen sie vehement ab – aber Artikel 49 der Genfer Konventionen, auf den sich auch Muttonen so prominent beruft, mit israelischen Siedlungen in Zusammenhang zu bringen, ist schlicht eine Themenverfehlung. (Sehen Sie dazu dieausführliche Erklärung von David M. Phillips.)

Mit gutem Grund legten die Verfasser der Genfer Konventionen so viel Betonung auf den zwangsweisen Charakter von Umsiedlungen und Deportationen: Die Debatten über die Genfer Konventionen standen noch ganz unter dem Schock der Geschehnisse während des Zweiten Weltkrieges. Die schließlich beschlossenen Bestimmungen sollten nicht zuletzt die Deportationen und die Ermordung der europäischen Juden in die Vernichtungslager der Nationalsozialisten eindeutig für illegal erklären. Dass rechtliche Bestimmungen, die unter dem Eindruck der Shoah beschlossen wurden, heutzutage verwendet werden, um die Existenz von jüdischen Gemeinden in Gebieten für „illegal“ zu erklären, in denen seit Jahrtausenden jüdische Gemeinden existiert haben, ist ein besonders bizarrer Aspekt der Art anti-israelischer Agitation, wie Muttonen und ihre Verbündeten im Geiste sie betreiben.

III. Zur Tagung der „Allianz der Zivilisationen“ in Wien

Die „Allianz der Zivilisationen der Vereinten Nationen“ (UNAOC) schaltete in den vergangenen Tagen in etlichen Zeitungen ganzseitige Anzeigen für ihr „Globales Forum“, das von 26. bis 28. Februar in Wien stattfinden wird. Als „Allianz für Kooperation und Dialog“ wurde die Angelegenheit im Standard beworben. (23./24. Feb. 2013) „Über kulturelle Grenzen hinweg“ wolle man laut der Werbeschaltung in der Presse gehen. (24. Feb. 2013) Einen „Friedlichen Dialog statt Waffengewalt“ kündigte der Kurier an, wobei man beim musikalischen Rahmenprogramm die „Sprache des Herzens“ vernehmen werde können. (Kurier, 24. Feb. 2013) „Die Welt zu Gast in Österreich“ (Kronen Zeitung, 24. Feb. 2013) – wer fühlt sich bei so einer Ankündigung nicht geehrt?

Wunderbar liest sich auch, wofür die UNAOC einsteht: „Kooperation und Dialog als Antwort auf Polarisierung und Extremismus“, „Respekt und Toleranz“, „Religionsfreiheit, Pluralismus, Pressefreiheit“ (Ebd.); „Extremismen jeder Art“ solle vorgebeugt werden, „um kooperative Beziehungen über nationale und kulturelle Grenzen hinweg auf politischer Ebene zu fördern“. (Standard, 23./24. Feb. 2013)

Zweifel an dem Spektakel kommen allerdings, wenn man liest, wer sich in Wien sein Stelldichein geben wird: „Erwartet werden rund 1200 Teilnehmer. Neben einigen Staats- und Regierungschefs haben über 20 Außenminister ihr Kommen zugesagt“. (Ebd.) Zu den angekündigten Gästen gehören u. a. der türkische Premier Erdogan, der iranische Außenminister Salehi und der Emir von Katar. Na das kann ja was werden: Mit Erdogan, in dessen Regierungszeit Dutzende Journalisten mit fadenscheinigen Begründungen ins Gefängnis geworfen wurden, lässt sich sicher ausgezeichnet über Pressefreiheit debattieren. Mit dem Emir von Katar, der von Mali bis Syrien Djihadisten finanziert und ausrüstet, kann man sicher hervorragend über Religionsfreit, Pluralismus und Toleranz parlieren, und der iranische Außenminister Salehi ist mit Sicherheit bei all diesen Themen ein anregender Gesprächspartner. Es ist, als würde man aus aller Welt die Chefs der wichtigsten Mafiaorganisationen einfliegen, um sie über die Bekämpfung des organisierten Verbrechens diskutieren zu lassen.

IV. Palästinensische Gewalt vor Obamas Nahostreise

Von den Medien in Österreich weitgehend ignoriert, ist seit November letzten Jahres die Zahl palästinensischer Gewalttaten im Westjordanland und in Jerusalem sprunghaft angestiegen. Laut derTimes of Israel registrierten israelischen Sicherheitsbehörden allein im Dezember 111 Attacken, darunter etliche Molotowcocktail-Würfe, sechs Vorfälle mit Sprengkörpern, drei Granatwürfe, zwei Angriffe unter Verwendung von Schusswaffen und zwei Messerattacken. (Bemerkenswerterweise blieb es dagegen an der Grenze zum Gazastreifen ruhig; nur ein Geschoss wurde im Verlauf des ganzen Monats nach Israel abgeschossen. Seit dem Ende der israelischen Militäroperation „Säulen der Verteidigung“ haben die zuvor alltäglichen Attacken aus Gaza praktisch aufgehört – so viel zu der Behauptung, der israelische Militäreinsatz könne keinen Erfolg haben oder sei gar kontraproduktiv.)

Seit bekannt geworden ist, dass US-Präsident Barack Obama während einer Nahostreise im März auch nach Jerusalem und Ramallah kommen wird, hat sich die Sicherheitslage im Westjordanland noch einmal verschärft. Mit Sicherheit werden die Medien, sollten sie denn einmal über die ständigen gewalttätigen Zusammenstöße im Westjordanland berichten, wieder jede Menge Gründe finden, warum die Palästinenser praktisch gar nicht anders könnten, als in ihrer Verzweiflung über den von Israel verschuldeten Stillstand des Friedensprozesses zur Gewalt zu greifen. Die Realität sieht freilich anders aus: Wie Khaled Abu Toamehberichtet, deutet viel darauf hin, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) ganz bewusst auf eine Eskalation der Lage setzt, weil sie darauf hofft, dass dies Präsident Obama dazu bringen werde, Israel zu Zugeständnissen zu zwingen. „This is why the Palestinian Authority leadership has been encouraging its constituents lately to wage a ‘popular intifada’ against Israel, each time finding another excuse to initiate confrontations between Palestinians and Israel.”

Aktuell versuche die PA, das Thema der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen zum Anlass für Demonstrationen und Attacken auf israelische Soldaten zu instrumentalisieren. In den Wochen zuvor sollten israelische Siedlungen oder angebliche israelische Pläne zur Zerstörung der al-Aksa-Moschee in Jerusalem als Vorwand für Gewalttaten dienen. „The belief in the Palestinian Authority is that the violence on the ground will push Obama to exert pressure on the Israeli government to comply with the Palestinian conditions for resuming the peace process, namely a full cessation of settlement construction and the release of Palestinian prisoners from Israeli jails.”

Wie ähnliche Episoden in der Vergangenheit gezeigt haben, stehen die Chancen der PA nicht schlecht, mit ihrer Vorgangsweise Erfolg zu haben. Anstatt über die gegenwärtigen Vorgänge als bewusste Eskalation durch die palästinensische Führung zu berichten, werden die Medien ein weiteres Mal von „spontanen Gewaltausbrüchen“ sprechen, für die die unnachgiebigen Israelis die Verantwortung tragen – immerhin behaupten viele noch immer, der Terrorkrieg gegen Israel im September 2000 sei nicht etwa ausgebrochen, weil die PA unter Arafat ihn ganz gezielt vom Zaun gebrochen, sondern weil Ariel Sharon in provokanter Manier den Tempelberg besucht habe. Ob die inszenierte Gewaltwelle den erhofften Einfluss auf den amerikanischen Präsidenten haben wird, bleibt abzuwarten, doch vor dem Hintergrund des ohnehin gespannten Verhältnisses zwischen Israel und der Obama-Administration ist das leider nicht auszuschließen.

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