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Wochenbericht, 16.9. bis 22.9.2013

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen insgesamt 336 Beiträge mit Nahost- oder Nordafrika-Bezügen:

Wochenbericht, 16.9. bis 22.9.2013

Folgenden Ländern wurde in der Berichterstattung am meisten Platz eingeräumt (wobei die Türkei hauptsächlich in Zusammenhang mit der Diskussion um SPÖ- bzw. ÖVP-Wahlplakate in türkischer Sprache erwähnt wurde):

Wochenberichte 2013 - 23Sep13 - Tab2

In den insgesamt 86 relevanten Beiträgen der wichtigsten Fernseh- und Radionachrichtensendungen des ORF wurden folgende fünf Länder am häufigsten genannt:

Wochenberichte 2013 - 23Sep13 - Tab3

II. Irans Rohani und westliche Wunschvorstellungen

Im Vorfeld der am 24. September beginnenden jährlichen Generaldebatte der UN-Generalversammlung startete der iranische Präsident Hassan Rohani eine neue Charmeoffensive. So sind nicht nur einige Treffen mit westlichen Staats- und Regierungschefs – darunter Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer (Kronen Zeitung, 21. Sep. 2013) – anberaumt, sondern Rohani gab auch dem amerikanischen Fernsehsender NBC ein Interview, in dem er dem Westen zu versichern trachtete, dass der Iran „unter keinen Umständen Massenvernichtungswaffen oder Atomwaffen an[strebe] – weder jetzt noch in Zukunft”. (Salzburger Nachrichten, 20. Sep. 2013) „Irans Präsident deutet eine Kehrtwende im Atomstreit an”, titelte die Kronen Zeitung und zitierte Rohani mit den – allerdings mit Fragezeichen versehenen – Worten: „Wir wollen einfach nur eine friedliche nukleare Technologie”. (Kronen Zeitung 20. Sep. 2013) Auch die ZIB 24 nahm auf Rohanis Interview Bezug und berichtete: „Irans Präsident Rohani will dem Westen die Angst vor iranischen Atomwaffen nehmen. Unter seiner Regierung würden niemals Atomwaffen entwickelt, sagte er laut dem US-Sender NBC.” (ZIB 24, 18. Sep. 2013)

Als Beleg dafür, dass diese Aussagen Rohanis trotz aller Skepsis einen wirklichen Wandel der iranischen Position darstellen würden, wurde auf den „neuen Kontext” verwiesen, in dem Rohanis Ankündigungen stünden: Denn auch wenn sein Vorgänger Ahmadinejad stets beteuert habe, dass er bloß die zivile Nutzung der Nukleartechnologie für den Iran anstrebe, so „unterstreicht [Rohani aber] seine Haltung mit weiteren versöhnlichen Zeichen und Worten.” (Ö1-Mittagsjournal, 19. Sep. 2013). Der Kurier wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Iran als Zeichen seines Eingehens auf die „internationalen Sorgen” den Chef seiner Atombehörde ausgetauscht habe und folgerte: „Wo bisher ideologische Hardliner jeden Verhandlungsfortschritt blockierten, sind jetzt Pragmatiker am Werk, die von einer ‚neuen Phase der guten Zusammenarbeit‘ reden”. (Kurier, 20. Sep. 2013) Während der Kurier bloß die Funktion anführt und den Namen verschweigt, nennt Gudrun Harrer diesen zwar, wenn sie schreibt, dass „der ehemalige Außenminister Ali Akbar Salehi … in seinen alten Job als Chef der Atomkommission zurückgekehrt” (Standard, 19. Sep. 2013) ist: Die Frage jedoch, warum just der Salehi, der einst Außenminister im Kabinett des ‚ideologischen Hardliners‘ Mahmoud Ahmadinejad war, plötzlich den Wechsel der iranischen Politik hin zu mehr Pragmatismus verkörpern soll, ließ auch Harrer unbeantwortet. Auch dass Salehi in seiner früheren Funktion als Leiter der iranischen Atomenergieorganisation, in die ‚er jetzt zurückgekehrt‘ ist, auf der Sanktionenliste der EU stand, welche die Proliferation von Atom- und Raketentechnik in den Iran verhindern soll und von der er nur wegen seiner diplomatischen Immunität als Außenminister gestrichen wurde, fand in keinem der Berichte und Kommentare Erwähnung.

Wie Michael Rubin darlegt, hat der Iran eine lange Geschichte an nicht eingehaltenen Versprechen, die allein zu dem Zweck gegeben wurden, Kritik aus dem Westen den Wind aus den Segeln zu nehmen und so die Möglichkeit zu erhalten, die eigenen Ziele mit geringerem Widerstand durchzusetzen: „Until Supreme Leader Khamenei publicly and unequivocally announces the suspension of Iran‘s illicit uranium enrichment, forfeiture of its more highly-enriched stockpiles, and an opening of all facilities, both declared and undeclared to inspectors, then Rowhani’s outreach must be interpreted as more a tactic for delay than sincere.” Es war der jetzt als „Reformpräsident” (Kronen Zeitung, 21. Sep. 2013) und Hoffnungsträger zelebrierte Rohani selbst, der in einem Interview ausführte, wie er 2003 in seiner Rolle als Atomunterhändler die Verhandlungen über eine Aussetzung der Urananreicherung nur geführt habe, um diese Anreicherung hinterrücks durchzusetzen. In diesem Zusammenhang sind auch die jetzigen Ankündigungen Rohanis zu sehen, die ja an der Forderung festhalten, dass es das unverbrüchliche Recht der Islamischen Republik Iran sei, Nukleartechnologie zu entwickeln und zu nutzen.

Was die iranische Führung allerdings erkannt hat, ist, dass brachiale Rhetorik à la Ahmadinejad den eigenen Zielen abträglich ist, weil sie diese der Weltöffentlichkeit zu offen vor Augen führt, und dass es deswegen einer Änderung der Taktik bedarf, um so die Diplomatie wieder in Gang zu bringen, die Lockerung der Sanktionen zu erreichen und zugleich das Atomprogramm voranzutreiben. Diese Strategie wird im Iran auch ganz offen diskutiert. Am 3. September erschien in Bahar, einer Zeitung, die der Elite um Rohani nahesteht, ein Leitartikel, der für „(e)ine vernünftige Initiative betreffend das Nuklearproblem” plädierte: Darin wurde ausgeführt, dass der Konfrontationskurs Ahmadinejads die internationale Gemeinschaft dazu gebracht habe, den Iran als gefährlich und bedrohlich wahrzunehmen. In diesem Kontext sei Irans Streben nach nuklearem Know-How von den großen Mächten mit Widerstand begegnet worden. Speziell die USA und Israel hätten dies genutzt, um die UNO dazu zu bringen, den Iran zu verurteilen und seine Wirtschaft durch Sanktionen zu schwächen. Aus diesem Grund, so fuhr der Leitartikel fort, sei es von vitalem Interesse, dass der Iran sein Image verbessere: „A state that is considered ‘trustworthy‘ and ‘accountable‘ is bound to be provided with some leeway. Iran can best achieve its nuclear aspirations not by making systematic concessions on the scope of its program but by altering the overall impression of its reliability as a state.”

An der Sache selbst hat sich also nichts geändert, lediglich der Ton, in dem die iranischen Positionen vorgetragen werden, hat sich entschärft. Vergleicht man die Hoffnungen, die in Rohani gesetzt werden mit den von ihm getätigten Aussagen und gesetzten Handlungen, so entsteht der Eindruck, dass ihm allein die Tatsache hoch angerechnet wird, dass er nicht Ahmadinejad ist. Der ihm entgegengebrachte Vertrauensvorschuss ist freilich bislang durch keinerlei konkrete Schritte gedeckt. Um aber an den Illusionen und den daraus resultierenden Hoffnungen festhalten zu können, werden all jene Aussagen des iranischen Präsidenten unter den Tisch fallen gelassen, die dem von ihm gemachten Bild widersprechen würden. So breit beispielsweise das Interview auch rezipiert wurde, dass Rohani dem Fernsehsender NBC letzte Woche gegeben hatte, die Ausführungen zu Israel und zum Holocaust, die er darin getätigt hatte, wurden in österreichischen Medien kein einziges Mal erwähnt. Rohanis Aussagen mögen sich in der Offenheit und Rabulistik von der Hetze Ahmadinejads unterscheiden, in der Sache hat sich jedoch nichts geändert. Auf den israelischen Premierminister Netanjahu angesprochen, bezeichnete Rohani Israel als „Usurpatoren- und Besatzerregierung”, die „Ungerechtigkeit über die Menschen” gebracht und den Nahen Osten in „Instabilität” gestürzt habe. Und von der NBC-Reporterin danach gefragt, ob er der Meinung Ahmadinejads zustimme, dass der Holocaust ein „Mythos” sei, meinte Rohani, er könne dazu nichts sagen – schließlich sei er Politiker und kein Historiker. Über den Gehalt solcher Aussagen, und den Versuch, Rohani als pragmatischen, der Ideologie abschwörenden Hoffnungsträger zu stilisieren, hat Dan Amira die treffenden Worte gefunden: „Rouhani doesn’t explicitly deny the Holocaust. But he refuses to acknowledge its existence, which isn’t much better. You do not need to be a historian to know that the Holocaust happened any more than you need to be a barber to believe in Rouhani’s beard.”

III. Tauwetter im Syrienkonflikt?

Wie MENA schon letzte Woche unter dem Titel: „Lösung, an die kaum jemand glaubt” analysierte, ist die Diskussion über den Bürgerkrieg in Syrien und eine mögliche Lösung des Konflikts über die syrischen Chemiewaffen in sich widersprüchlich. Die Kleine Zeitung etwa titelte: „Obama sieht Syrienplan als Lehrstück für Iran”, um dann in der Unterüberschrift sofort wieder zu relativieren und der Skepsis Ausdruck zu verleihen: „Zweifel, ob Syrien alle Chemiewaffen abgibt”. (Kleine Zeitung, 16. Sep. 2013) Auch das Morgenjournal zeigte sich nicht übermäßig optimistisch, als es angesichts der erneut aufflackernden Differenzen zwischen den USA und Russland bezüglich der in eine UN-Resolution aufzunehmenden Druckmittel ausführte: „[D]ie bisherige Einigung ist nur ein Text, mit offenbar zu vielen Möglichkeiten, ihn zu lesen”. (Ö1-Morgenjournal, 17. Sep. 2013) Während das syrische Regime diese Woche lang Zeit hatte, Informationen über sein Chemiewaffenprogramm bzw. -arsenal der UNO zu übergeben – eine Zeitspanne, die Assad dazu nutzte, von den USA die Finanzierung der Chemiewaffenvernichtung zu fordern (Mittagsjournal, 19.Sep. 2013; Standard, 20. Sep. 2013) -, kam Ende der Woche, zumindest medial, neue Bewegung in die Sache.

Ein Interview mit der britischen Zeitung The Guardian vom 19. September 2013 wurde von „der syrischen Regierung [genutzt], um gute Miene zu demonstrieren. … Vizepremier Qadri Jamil preschte vor”, um „eine Waffenruhe in Aussicht (zu stellen), sollte es zu Friedensgesprächen kommen”. (Kurier, 21. Sep. 2013) Auch wenn Jamil einen Rücktritt Assads kategorisch ausschloss (Presse, 21. Sep. 2013), wohl wissend, dass sich die Opposition niemals auf solch ein Angebot einlassen würde, sprach die ZIB davon, dass sich das Regime in Damaskus „[n]ach mehr als 2 Jahren Krieg und 100.00 Toten … plötzlich kompromissbereit” zeige. Doch wie schon anlässlich der Einigung über die Chemiewaffenzerstörung, folgte die diesen positiv gestimmten Ausführungen widersprechende Skepsis auf dem Fuß, wenn der Bericht fortfuhr: „Ein Versuch des Regimes von Assad zu retten, was zu retten ist? Oder doch nur eine taktische Finte?” (ZIB, 20. Sep. 2013) Laut Kurier „überraschte” Jamil mit der Aussage, niemand solle Angst davor haben, dass das Regime in seiner derzeitigen Form weitermacht‘” (Kurier, 21. Sep. 2013).

Offensichtlich fühlte sich auch Jamil von der westlichen Berichterstattung missverstanden, relativierte er doch seine kolportierten Äußerungen umgehend: „Syriens Vizepremier Qadri Jamil hat indes eine ihm zugeschriebene Aussage dementiert, wonach das Regime im Fall einer Friedenskonferenz einen Waffenstillstand anstrebe. Er sieht sich im britischen Guardian falsch zitiert”. (Standard, 21./22. Sep. 1013). Das syrische Regime legte nach und ließ bekannt geben, dass es keine „Teilnahme von extremistischen Gruppen” bei den möglichen Genfer Friedensverhandlungen dulden werde – worunter aus seiner Sicht bekanntlich so gut wie die gesamte syrische Opposition fällt. Erst letzte Woche hatte Assad erneut bekräftigt, „dass er keinen Bürgerkrieg führe, sondern einen Kampf gegen Islamisten” (Ö1-Mittagsjournal, 19.09.2013). Im Hinblick auf „Friedensverhandlungen” in Genf heißt das wohl, das Regime ist bereit, an Verhandlungen teilzunehmen, um mit sich selbst und einigen Vertretern der internationalen Gemeinschaft den Verbleib von Präsident Assad im Amt zu regeln. Was genau daran nun der Beginn „konstruktive(r) Gespräche” oder gar einer „neuen Tauwetter-Überraschung” (Kronen Zeitung, 21. Sep. 2013) sein soll, steht in den Sternen.

In das vermeintliche „Tauwetter”-Szenario schaltete sich Ende der Woche der Iran ein. Präsident Hassan Rohani nutzte einen Artikel in der Washington Post, um zuerst den „brutale Gewalt verherrlichenden Unilateralismus” der USA für die chaotische und krisengeschüttelte Lage im Nahen Osten verantwortlich zu machen, und sodann den Iran als Verhandlungspartner im Syrienkonflikt ins Spiel zu bringen. Von einem „interessanten Angebot” und einer „bemerkenswerte(n) Stellungnahme” sprach in diesem Zusammenhang das Morgenjournal: Rohani trete dafür ein, eine Atmosphäre zu schaffen, „in der die Völker der Region selbst über ihr Schicksal entscheiden könnten”. (Ö1-Morgenjournal, 20. Sep. 2013)

Die syrischen Rebellen gaben jedenfalls umgehend zu verstehen, dass sie eine Vermittlerrolle des Iran unter gar keinen Umständen akzeptieren würden. Kein Wunder, wie auch die ZIB 13 zu vermelden wusste: „Der neue iranische Präsident Hassan Rohani will im Syrien-Konflikt vermitteln. Kleiner Schönheitsfehler: Der Iran ist ein Verbündeter des syrischen Regimes”. (ZIB 13, 20. Sep. 2013) In der Tat hat das iranische Regime seine Unterstützung für das Assad-Regime in den letzten Monaten sukzessive ausgebaut. Es war diese Hilfe, die Assads militärische Triumphe der letzten Zeit ermöglicht hat, während ihm die syrischen Rebellen davor mehrere Niederlagen zufügen konnten. So sind nicht nur Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden sowie der von Teheran aus befehligten Hisbollah-Miliz in Syrien im Einsatz, vielmehr werden auch Schiiten aus dem gesamten arabischen Raum im Iran für ihren Kampfeinsatz auf Seiten der syrischen Armee ausgebildet. Farnaz Fassihi, Jay Solomon und Sam Dagher kommen zu dem Schluss: „The training of thousands of fighters is an outgrowth of Iran’s decision last year to immerse itself in the Syrian civil war on behalf of its struggling ally, the Assad regime, in an effort to shift the balance of power in the Middle East.” Ein unlängst veröffentlichtes Video beweist, wie weit die militärische Unterstützung Assads durch das Regime in Teheran reicht. Demnach stellt der Iran nicht nur logistische und strategische Unterstützung, sondern hat kämpfende Einheiten im Land – bis hin zu Offizieren, die die Kommandogewalt über syrische Truppen innehaben. Angesichts dessen ist es nur als heuchlerisch zu bezeichnen, wenn Rohani in seinem Washington Post-Artikel davon spricht, dass es gelte, eine Atmosphäre zu schaffen, „where peoples of the region can decide their own fates. As part of this, I announce my government’s readiness to help facilitate dialogue between the Syrian government and the opposition.” Nur wer die iranische Realpolitik ignoriert, kann in solchen Aussagen ein ernsthaftes Angebot der Versöhnung und des „Tauwetters” erkennen und nicht etwa einen in diplomatische Worte gekleideten iranischen Machtanspruch. Die syrische Opposition, die sich weigert, Rohani als „Vermittler” zu akzeptieren, weiß das ganz genau – im Gegensatz zu hiesigen Journalisten, die aller geäußerten Skepsis zum Trotz jeden Strohhalm zu ergreifen scheinen, um ihrer Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass selbst mit den schlimmsten Diktatoren Dialog und Versöhnung eine Chance auf Erfolg haben könnten.

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