Wochenbericht, 12. bis 18. Mai 2014

In dieser Ausgabe:

I. Allgemeiner Überblick
II. Türkei: Das Erdogan-Regime und der Hass auf Israel
III. Palästinensische Propaganda in der Presse: Was ist schon schlimm an der Hamas?
IV. Heinz Fischer und das Pippi-Langstrumpf-Prinzip
V. Iran: Verhandlungen stocken, Khamenei hetzt gegen Israel

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen insgesamt 302 Beiträge mit Bezügen zum Nahen Osten und zu Nordafrika:

Wochenbericht, 12. bis 18. Mai 2014

Das eindeutig dominierende Thema der Berichterstattung der Printmedien war das Grubenunglück in der Türkei, bei dem über 300 Bergleute ums Leben kamen. Dessen Dominanz wird aus der folgenden Grafik ersichtlich:

Wochenbericht, 12. bis 18. Mai 2014

In den wichtigsten Fernseh- und Radionachrichtensendungen des ORF wurden insgesamt 107 relevante Beiträge veröffentlicht, wobei auch hier neben dem Grubenunfall in der Türkei andere Themen kaum Platz fanden:

Wochenbericht, 12. bis 18. Mai 2014

II. Türkei: Das Erdogan-Regime und der Hass auf Israel

„Wenn wir der Türkei die kalte Schulter zeigen, haben wir einen Gottesstaat vor der Haustüre.“ Das meinte jedenfalls Neos-Chef Matthias Strolz in einem anlässlich der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament geführten Streitgespräch mit der Grünen-Vorsitzenden Eva Glawischnig. (Kleine Zeitung, 15. Mai 2014) Die Debatte um die bedenklichen Entwicklungen in der Türkei scheint eine der letzten Bastionen zu sein, in denen sich unreflektierte eurozentristische Machtfantasien noch so weitgehend unwidersprochen öffentlich vertreten lassen. Nicht die politische Agenda, die die Erdogan-Regierung umso brutaler und rücksichtsloser voranzutreiben scheint, je mehr Widerstand im eigenen Land dagegen laut wird, soll demnach dafür verantwortlich sein, dass die Türkei auf dem Weg zur islamistischen Diktatur schon einen beträchtlichen Teil der Strecke zurückgelegt hat, sondern diese sei vielmehr bloß eine Reaktion auf die ablehnende Haltung, mit der der Türkei vonseiten der Europäischen Union begegnet würde. Je offener diktatorisch Erdogan agiert, umso dringender sei es dieser verqueren Logik zufolge, den Verhandlungsprozess über einen EU-Beitritt der Türkei intensiviert fortzuführen.

Zu hoffen ist, dass die Reaktionen Erdogans und seiner Gefolgsleute auf den Grubenunfall von Soma wenigstens einigen Vertretern dieser Haltung die Augen öffnen und sie erkennen lassen, wie die Realität in der Türkei heute aussieht. Markus Bernath brachte es im Standard auf den Punkt: Während eine derartige Katastrophe anderswo die Gesellschaft zusammenrücken ließe, führt sie in der Türkei nur zu einer weiteren „bizarren Demonstration des Herrschaftsstils von Tayyip Erdogan. Alles Maß scheint ihm entglitten, jeder Sinn für Respekt im Umgang mit den Bürgern.“ (Standard, 17./18. Mai 2014)

Zuerst fiel dem Regierungschef nichts Besseres ein, als die Katastrophe herunterzuspielen, mit Bergwerksunglücken im England des 19. Jahrhunderts zu vergleichen und von einem „Arbeitsunfall“ zu sprechen, wie sie sich „überall auf der Welt ereignen“. (Standard, 16. Mai 2014) Auf die darauffolgenden Proteste reagierte er ganz so, wie es spätestens seit den Gezi-Protesten des vergangenen Jahres nicht anders zu erwarten war: In Soma wie an anderen Orten ließ er die Sicherheitskräfte von der Leine, die wieder einmal mit brutaler Gewalt protestierende Menschen niederknüppelten. „Die AKP-Regierung“, berichtete Christian Schüller im ORF, „duldet keine Kritik mehr, zumindest nicht in der Öffentlichkeit.“ (ZiB 24, 15. Mai 2014) Zwölf Anwälte, die nach Soma gekommen waren, um den Überlebenden des Unfalls und den Angehörigen der Toten juristisch beizustehen, wurden kurzerhand festgenommen. (ZiB, 17. Mai 2014)

Doch nicht genug damit, dass Polizei und Spezialeinheiten gegen Angehörige der Opfer vorgingen, als handelte es sich um politische Gewaltverbrecher: Fotos zeigten einen Berater Erdogans, wie er mehrfach auf einen von Polizisten am Boden festgehaltenen Mann eintritt. „Der Mann hat mich und den Premier beleidigt – hätte ich da ruhig bleiben sollen?“ (Salzburger Nachrichten, 16. Mai 2014), rechtfertigte Yusuf Yerkel sein Verhalten, das geradezu sinnbildlich für eine Regierung steht, deren Herrschaft immer mehr zum Polit-Hooliganismus von Schlägerbanden verkommt. Passend dazu tauchten kurz danach Berichte und Videoaufnahmen auf, in denen der „für seine Wutausbrüche mittlerweile bekannte“ (Kronen Zeitung, 17. Mai 2014) Premier selbst gegen einen Mann handgreiflich wurde und ihn beschimpfte. „‚Wenn du den Regierungschef ausbuhst, kriegst du eine Ohrfeige‘, soll Erdogan einem Mann ins Gesicht gesagt haben.“ (Standard, 19. Mai 2014) Im Unglücksort Soma herrscht mittlerweile ein Demonstrationsverbot; ein massives Aufgebot von Polizei und Spezialeinheiten soll jeden Protest schon im Keim ersticken. Der Zugang zur Kohlemine wird vom Militär bewacht. (Kronen Zeitung, 19. Mai 2014) Die Regierung, die sich zunächst noch voll hinter den Minenbetreiber gestellt hatte, vollzog mittlerweile einen teilweisen Kurswechsel und ließ 18 Mitarbeiter der Bergwerksgesellschaft festnehmen (Standard, 19. Mai 2014) – eine Maßnahme, die mehr nach politischer Willkürjustiz im Dienste der Imagepflege und der Suche nach Sündenböcken aussieht, als nach einem rechtsstaatlich korrekten Vorgehen.

Christian Hauenstein vertrat in der Kronen Zeitung die Ansicht, dass Erdogan jetzt drohe, „erstmals an Sympathien bei der ihm sonst treu ergebenen Landbevölkerung zu verlieren.“ Denn anders als während vergangener Krisen „lässt sich das Unglück im Bergwerk von Soma nicht als ‚ausländische Verschwörung‘ abtun.“ (Kronen Zeitung, 18. Mai 2014) Hauenstein hatte offenbar vergessen, was er selbst nur einen Tag zuvor über die oben angeführte Entgleisung Erdogans geschrieben hatte, bei der „offenbar auch sein Hass auf Israel durchgebrochen (ist), beschimpfte er den Mann doch lauthals als ‚israelische Brut‘.“ (Kronen Zeitung, 17. Mai 2014) Andere Medien übersetzten Erdogans Schimpfkanonade mit den Worten, der Mann sei eine „Ausgeburt Israels“. (Standard, 17./18. Mai 2014. Sowohl die Kleine Zeitung als auch der ORF verschwiegen übrigens diesen israelfeindlichen Ausbruch des türkischen Premiers, was im Falle des ORF umso bemerkenswerter ist, als er das Video von dem Vorfall sehr wohl zeigte. ZiB, 16. Mai 2014) Wie auch immer die bessere Übersetzung lautet, die Episode zeigte jedenfalls, wie tief verankert der Hass auf Israel bei Premier Erdogan sitzt – der bei einer UN-Konferenz in Wien im Jahr 2012 ja sogar so weit ging, das Streben der Juden nach einem eigenen Staat als „Verbrechen gegen die Menschheit“ zu bezeichnen.

Das türkische Außenministerium bestreitet mittlerweile, dass Erdogan den Mann als „israelische Ausgeburt“ beschimpft habe (Standard, 19. Mai 2014), ist aber ein wahrlich schlechter Zeuge, um Erdogan gegen den Vorwurf der Israelfeindlichkeit in Schutz zu nehmen. Schließlich war es kein anderer als Außenminister Davutoglu, der vor einer Woche bei der Eröffnung einer Konferenz Jerusalem – immerhin die einstige Hauptstadt des Königreichs Israel, in der es seit dem 19. Jahrhundert durchgängig eine jüdische Bevölkerungsmehrheit gibt – kurzerhand zu „palästinensischem Land“ erklärte und dazu aufrief, die Stadt wieder unter palästinensische Kontrolle zu stellen. Bei der gleichen Gelegenheit sprach er auch von der „Besetzung palästinensischen Landes seit 1948“ und spielte damit auf die israelische Staatsgründung an: Dem türkischen Außenminister zufolge ist somit ganz Israel „besetztes Land“, womit er der Existenz des jüdischen Staates jede Legitimität absprach.

Weder Erdogan mit seinem Wutausbruch gegen eine angebliche „israelische Ausgeburt“, noch Davutoglu mit seiner Geschichtsklitterung bezüglich Jerusalem und seiner Delegitimierung Israels laufen Gefahr, mit ihrem Hass auf Israel im eigenen Land auf sonderlich viel Gegenwind zu stoßen, agitieren sie doch schon seit Jahren gegen den jüdischen Staat und verstärken damit den in der Türkei ohnehin schon weit verbreiteten Antisemitismus: Laut einer gerade eben von der Anti Defamation League veröffentlichten Untersuchung sind geschlagene 69 Prozent der erwachsenen Türken als Antisemiten zu werten, 84 Prozent der Männer und 56 Prozent der Frauen. Die Türkei belegt damit weltweit den unrühmlichen 17. Platz in der Liste der am meisten antisemitischen Länder – gleichauf mit Griechenland und übertroffen nur noch von den Palästinensern und 15 arabischen Staaten.

III. Palästinensische Propaganda in der Presse: Was ist schon schlimm an der Hamas?

Am vergangenen Donnerstag hielt Hanan Ashrawi, Mitglied des PLO-Exekutivkomitees, auf Einladung des Bruno-Kreisky-Forums und der Diplomatischen Akademie in Wien einen Vortrag über das Scheitern der jüngsten israelisch-palästinensischen Verhandlungen, zwei Tage danach gab sie im Presse-Interview ein Paradebeispiel palästinensischer Propaganda zum Besten. (Presse, 17. Mai 2014)

Schuld am Scheitern der Verhandlungen seien, Wunder über Wunder, allein die Israelis. Obwohl es die PLO war, die zuerst mit ihren Anträgen zum Beitritt zu 15 internationalen Abkommen (wieder einmal) gegen ihre in den Oslo-Verträgen festgehaltenen Verpflichtungen verstieß, behauptete Ashwari: „Wir haben die Verhandlungen nicht verlassen. Israel hat die Gespräche abgebrochen.“ Auf den naheliegenden Einwand von Wieland Schneider, dass Israel die Gespräche beendet hat, nachdem die PLO die Schaffung einer Einheitsregierung mit der islamistischen Hamas angekündigt hatte, konterte Ashwari nur: „Das ist nur eine sehr schlechte Ausrede der Israelis.“

Das war freilich ein sehr schlechtes Ablenkungsmanöver Ashrawis, die den Lesern der Presse allen Ernstes weismachen wollte, es habe „nichts mit den Gesprächen (mit Israel) zu tun“, wenn die PLO auf Regierungsebene mit einer islamistischen Terrorgruppe kooperiert, die von eliminatorischem Antisemitismus getrieben wird, Verhandlungen mit Israel für Hochverrat an der palästinensischen Sache betrachtet und in einem Video zum Jahrestag der israelischen Unabhängigkeit den Juden gerade eben erst in einer umgetexteten Version der israelischen Nationalhymne die Alternative präsentierte, entweder schnellstens das Land zu verlassen oder massakriert zu werden:

Wochenbericht, 12. bis 18. Mai 2014

Auf Nachfragen nach der Hamas reagierte Ashrawi genervt: „Warum konzentriert man sich hier nur auf die Palästinenser. Es gibt auch in Israel sehr religiöse oder rechte Parteien wie die von Avigdor Lieberman oder Naftali Bennett in der Regierung. Und die wollen in Wahrheit keinen Palästinenser-Staat und keine Lösung. Warum ist dann nur die Hamas das Problem?“ Die Antwort darauf ist ganz einfach: Weil sowohl Lieberman als auch Bennett demokratische Politiker in einem Rechtsstaat sind und weder der eine noch der andere zum Massenmord an den Palästinensern aufruft. Im Gegensatz dazu beruft sich die Hamas in ihrer Charta auf die antisemitische Fälschung der Protokolle der Weisen von Zion und erklärt in Artikel 7 ihrer Grundsatzerklärung unter Berufung auf eine Erzählung aus dem Leben des Propheten Mohammed, wie sie mit den Juden umzugehen gedenke: „Die Stunde (der Auferstehung) wird nicht kommen, bis die Muslime gegen die Juden kämpfen. Die Muslime werden sie töten, bis sich der Jude hinter Stein und Baum verbirgt, und Stein und Baum dann sagen: ‚Oh Muslim, oh Diener Gottes! Da ist ein Jude hinter mit. Komm und töte ihn‘“. Es zeugt von der politischen wie moralischen Unredlichkeit Ashrawis, israelische Parteien mit derartig unmenschlicher Hetze auf eine Stufe zu stellen. Würde eine israelische Partei ähnlich Verachtenswertes über Palästinenser sagen, würde sie nicht in die Regierung geholt, sondern würde – wie einst die rassistische Kach-Partei – schlicht verboten und bekämpft werden.

Die Qualität von Ashrawis Argumentation wurde auch an dieser Passage deutlich: „Früher haben uns die Israelis vorgeworfen, dass die Palästinenser nicht geeint seien und es deshalb keinen Sinn ergebe, mit uns zu verhandeln, weil wir angeblich Ergebnisse gar nicht implementieren können. Jetzt wollen wir alles auf eine breite Basis stellen. Und jetzt sagen die Israelis wieder: Nein, das geht nicht.“ Auch hier ist die Sache recht einfach: Seit dem kurzen Krieg zwischen Fatah und Hamas 2007 sind die Palästinenser gespalten. Selbst wenn die PLO unter Abbas ein Abkommen unterzeichnet hätte, hätte sich die Hamas daran genauso wenig gebunden gefühlt wie an die so genannten Oslo-Verträge, die sie samt und sonders ablehnt. Die Einbindung der Hamas in eine Einheitsregierung würde an dieser grundsätzlichen Ablehnung jeglicher Verhandlungen mit Israel nur insoweit etwas ändern, als diese extremistische und zu keinerlei Frieden bereite Haltung eben fortan für die gemeinsame palästinensische Regierung gelten würde. Gab es vorher zumindest noch einen möglichen Partner, der wenigstens in Lippenbekenntnissen seine Bereitschaft zu Verhandlungen und einem Friedensprozess mit Israel erklärte, würde es in Zukunft nicht einmal das mehr geben.

Man muss Ashrawi zugutehalten, dass sie in einem Punkt die Wahrheit gesagt hat. Auf die Frage, ob die Palästinenser nun weitere Schritte auf der internationalen Ebene unternehmen und weiteren Vertragswerken beitreten werden, antwortete sie ganz offen: „Wir werden das sowieso tun. Auch wenn die Gespräche zum Erfolg führen.“ Im Klartext: Selbst wenn die Palästinenser mit Israel verhandeln, werden sie weiter ihre vertraglichen Verpflichtungen brechen, keine einseitigen Schritte zur Veränderung des Status quo zu unternehmen.

Es gibt den alten Witz von jemandem, der wegen Mordes vor Gericht steht, und dessen Verteidigungsstrategie lautet: ‚Erstens habe ich niemanden ermordet, und wenn doch, hatte ich gute Gründe dafür.‘ Genauso argumentierte Ashrawi, die die gesamte Schuld für das Scheitern der Verhandlungen den Israelis anlastet, gleichzeitig aber jene Schritte und Maßnahmen der Palästinenser verteidigt, von denen jeder wusste, dass sie den Prozess zum Platzen bringen würden. Ihre Argumentation lautete also sinngemäß: ‚Wir haben die Gespräche nicht abgebrochen. Wir haben nur das getan, was mit Sicherheit zum Abbruch führen würde.‘

IV. Heinz Fischer und das Pippi-Langstrumpf-Prinzip

Dass Argumentationen wie jene Ashrawis trotz ihrer offenkundigen Schwächen durchaus auf fruchtbaren Boden fallen, zeigte Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer, der unmittelbar nach der Ankündigung der Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung unter Einbindung der Hamas Israel kritisierte und meinte, der Gesprächsstopp sei „wenig überzeugend“. Seine Ausführungen klangen, als hätte Ashrawi sie für ihn verfasst: „Wenn man immer gesagt hat, dass die Glaubwürdigkeit der Anerkennung Israels und die Glaubwürdigkeit einer Friedenslösung davon abhängt, dass sie nicht nur von der PLO getragen wird, sondern für alle Palästinenser Gültigkeit haben muss, dann ist die Einbindung der Hamas in eine PLO-geführte Regierung meines Erachtens ein Schritt in die richtige Richtung und nicht ein Grund Verhandlungen zu sistieren.“ Von jemandem, der hierzulande vielfach als kluger politischer Kopf gesehen wird, hätte man erwarten können, den Fehler in dieser Argumentation zu erkennen: Dass es mit der Hamas weder eine Anerkennung Israels, noch eine Friedenslösung geben wird, ist nicht so schwer zu verstehen, wenn man nur bereit ist, die Realität nicht ausschließlich durch ideologische Scheuklappen zu betrachten.

Bei Heinz Fischer mehren sich in letzter Zeit allerdings die Anzeichen dafür, dass er von der Realität schlicht überfordert ist. Wie die Gruppe Stop the Bomb kritisierte, fand er überhaupt nichts dabei, an einem Tag Conchita Wursts Sieg beim Song Contest mit den Worten zu bejubeln: „Das ist nicht nur ein Sieg für Österreich, sondern vor allem für Vielfalt und Toleranz in Europa. Dass sie ihren Sieg all jenen widmete, die an eine Zukunft in Frieden und Freiheit glauben, macht ihn doppelt wertvoll“, um sich nur wenige Tage später mit Javad Zarif zu treffen, dem Außenminister des iranischen Regimes, in dem Homosexuelle regelmäßig zum Tode verurteilt und an Baukränen aufgehängt werden. Und er macht auch überhaupt keinen Hehl daraus, dass er – als erstes westliches Staatsoberhaupt seit geraumer Zeit – am liebsten sofort zu einem Staatsbesuch nach Teheran reisen würde. Einen Widerspruch zwischen dem Feiern von Toleranz und Verschiedenheit auf der einen Seite, und dem Umgarnen eines Regimes, das für das genaue Gegenteil dessen steht, vermag Fischer anscheinend nicht zu erkennen.

Einen deutlichen Hinweis auf den zunehmenden Realitätsverlust Fischers bot schließlich ein Interview mit dem Kurier, in dem er auf die zunehmende Zahl von antisemitischen Zwischenfällen und Attacken auf NS-Gedenkstätten angesprochen wurde, und darauf antwortete: „Ich sage aus voller Überzeugung, dass Antisemitismus in Österreich nicht zunimmt. Ich lasse mir diese Überzeugung durch einzelne Schmierereien, die ich schärfstens verurteile, nicht rauben. … Antisemitismus ist in Österreich ein auf wenige Unverbesserliche reduziertes Problem.“ (Kurier, 18. Mai 2014)

Dazu sollte man wissen, dass die empirische Antisemitismus-Forschung in Österreich seit Jahrzehnten immer wieder auf einen relativ konstanten Anteil von 30 Prozent Antisemiten in der österreichischen Bevölkerung kommt. Ein Ergebnis, dass gerade eben wieder von der bereits erwähnten ADL-Untersuchung bestätigt wird, die 28 Prozent der Österreicher als Antisemiten einstuft, 37 der Männer und 20 Prozent der Frauen. Antisemitismus als ein Problem zu bezeichnen, das „auf wenige Unverbesserliche“ beschränkt sei, wenn antisemitische Ressentiments von knapp einem Drittel der Bevölkerung geteilt werden, zeugt somit von der Unfähigkeit oder dem Unwillen, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Fischer aber kümmert sich nicht um die Wirklichkeit, sondern bastelt sich eine eigene, in der Antisemitismus kein Problem ist, und beharrt darauf, sich diese „Überzeugung“ nicht „rauben“ zu lassen. Diese Haltung ist als das Pippi-Langstrumpf-Prinzip bekannt: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Als Kinderliteratur mag das als verlockend störrische Abwehr einer unfreundlichen Welt einen gewissen Reiz ausüben; an der Spitze eines Staates ist eine solche Haltung aber äußerst bedenklich.

V. Iran: Verhandlungen stocken, Khamenei hetzt gegen Israel

In Wien wurde wieder einmal zwischen den P5+1 und dem Iran über das iranische Atom(waffen)programm verhandelt. Selbst nach über zehn Jahren, in denen dieses Thema die Schlagzeilen beherrscht, stößt man in der medialen Berichterstattung noch immer auf geradezu erstaunliche Inkompetenz. So erfuhr man letzten Mittwoch im Ö1-Abendjournal, worum es bei den Gesprächen gehen soll: „Dauerhaft verhindern will der Westen, dass der Iran aus Uran waffenfähiges Plutonium herstellen kann.“ (Ö1-Abendjournal, 14. Mai 2014). Den gleichen Unsinn hatte der Standard bereits Anfang des Jahres behauptet, als er berichtete, der Iran habe „die Anreicherung von Uran zu waffenfähigem Plutonium gestoppt“. (Standard, 21. Jan. 2014) Ginge es wirklich darum, wäre der ganze Konflikt hinfällig: Dass Uran nicht zu Plutonium angereichert werden kann, dafür hat die Natur gesorgt.

Unbeachtet von österreichischen Medien machte der oberste geistliche Führer des Iran, Ali Khamenei, auf Twitter wieder einmal seinem Hass auf Israel Luft. Statt wie Ende Februar den Europäern zu erklären, dass all ihre Problem nur auf die bösen Juden, Verzeihung, Zionisten zurückzuführen seien, oder wie im März den Holocaust zu leugnen, erklärte er dieses Mal Israel zu einer „gefälschten Nation“, die von den „arroganten“ westlichen Mächten geschaffen worden sei, um die islamische Welt zu unterdrücken, und beschimpfte die israelische Regierung als die „bösesten Terroristen“ der Welt. Dabei hatte man gedacht, wenigstens damit würde er sich auskennen…

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