„Burka, Niqab oder andere Formen der Verschleierung sind Symbole eines politischen Islam, der die Entrechtung der Frauen als gottgewollt sieht. Wo bleibt der Aufschrei der sich als links wähnenden Feministinnen? In der Hühnerzucht wurde die Käfighaltung abgeschafft – aber Frauen dürfen im dritten Jahrtausend noch immer in einem Textilkäfig mit Sichtbehinderung gehalten werden. Wo bleibt der Aufschrei der sich links wähnenden Feministinnen – egal, ob Sozialdemokratinnen, Kommunistinnen oder Grüne? Überwiegt die Angst davor, von den eigenen Genossen, Freunden, Kollegen des Aufspringens auf den Zug der Rechtspopulisten bezichtigt zu werden? Werden grundlegende Frauenrechte wieder einmal auf dem Altar des politischen Nebenwiderspruchs geopfert? (…)
Völlig inakzeptabel sind die Positionierungen mancher Frauen, wenn sie die Verschleierung gar als Freiheit sehen wollen. So wie Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, die meinte: ‚Wenn ich eine Burka tragen will, kann ich eine tragen – und aus.‘ Sie will und muss aber keine tragen, im Gegensatz zu den Musliminnen, die von ihren männlichen Vormündern als politische Litfasssäulen missbraucht werden, wenn sie deren Geisteshaltung durch ihre Zwangskleidung bekunden müssen. Nun könnte man Julia Herr zugutehalten, dass sie einer Generation angehört, für die viele Frauenrechte bereits eine Selbstverständlichkeit sind. Das berechtigt aber nicht zu solcher Ignoranz im Umgang mit dem Thema. Es geht nämlich nicht darum, ob Frau Herr eine Burka tragen will, sondern ob in Afghanistan und Pakistan noch immer Frauen und Mädchen, die die Burka ablegen, mit Säure die Gesichter verätzt werden. Und es geht darum, ob wir dieses politische Statement einer Burka im Europa des 21. Jahrhunderts tolerieren wollen.
Wenn Frauen ihre Haare, ihr Gesicht oder gar den ganzen Körper mit einen schwarzen Umhang verhüllen, so tun sie dies meist, weil sie sich in entwürdigender Weise einer männlichen Machtausübung unterwerfen (müssen). Diese Frauen erleiden tagtäglich, dass ihr Körper nicht für sie selbst da ist, sondern für andere, die über ebendiesen auch bestimmen können. Egal, ob Kopftuch, Niqab oder Burka – das sind keine Modeaccessoires, sondern politische und religiöse Symbole, für die Frauen als Trägerinnen herhalten. Alice Schwarzer schreibt: ‚Der Schleier ist keine Modemarke, sondern ein Vorposten der weltweiten Gewalt gegen Frauen.‘ Egal, wie diese Schleier heißen oder wie viel sie verhüllen, sie sind Symbole eines politischen Islam, der die Entrechtung von Frauen als gottgewollt betrachtet.“
(Karin Antlanger: „Im Textilkäfig mit Sichtbehinderung“)