Verhandlungen mit dem Iran: Täglich grüßt das Murmeltier

Mehr als zehn Jahre verhandelt der Westen bereits mit dem Iran über dessen Atom(waffen)programm, herausgekommen ist dabei bislang nichts. Doch wer glaubt, dass man in Washington, London oder Berlin Lehren aus dieser langen Zeit gezogen hat, in der der Iran über seine nuklearen Aktivitäten systematisch log, sie verheimlichte und in Verhandlungen auf Zeit spielte, der wird dieser Tage wieder einmal eines Besseren belehrt: Nach wie vor ist man bereit, sich an der Nase herumführen zu lassen, wenn nur irgendwie der Eindruck erweckt werden kann, in den Verhandlungen mit dem Iran würden „Fortschritte“ erzielt.

So verbreiten die Medien heute die frohe Kunde von einem Abkommen zwischen der Internationalen Atomenergiebehörde und dem islamistischen Regime. „Fortschritt im Atomstreit: Teheran einigt sich mit IEAE“, ist in der Presse zu lesen. Der Iran, so laute die „nächste Erfolgsmeldung“, wolle „offenbar besser mit der Wiener Atomenergiebehörde kooperieren“ und habe „(d)urch die Einigung mit der IAEA … zunächst sein Image gestärkt.“ Über „Fortschritte bei Atomgesprächen“ weiß auch der Kurier zu berichten. Für die Kronen Zeitung ist die unterzeichnete Vereinbarung ein „(n)euer, ermutigender Schritt im Nuklearstreit mit Persien“. „Den Atomkontrolleuren verspricht Iran Einblick“, lautet die Überschrift in den Salzburger Nachrichten. Laut IAEA-Chef Amano ist die Vereinbarung ein „wichtiger Schritt vorwärts“. Für den Standard „zeigt die Einigung, dass der Iran trotz des verfehlten Durchbruchs in Genf am Wochenende weiter eine Lösung im Atomstreit sucht.“ Ein Beleg dafür sei, dass er einem „Inspektionsfahrplan“ zugestimmt habe, der auch Besichtigungen der Militäranlage Parchin beinhalte, wo westlichen Geheimdiensten zufolge Versuche zur Entwicklung von Atomsprengköpfen stattgefunden haben sollen.

Hier erhält der Jubel über den vermeintlichen „Fortschritt“ im Atomstreit aber bereits einen ersten Dämpfer. Der Standard setzt fort: „Allerdings wurde die Anlage großflächig gesäubert, was die Aufklärung früherer Aktivitäten erschwert.“ Das ist freilich nicht der einzige Haken. Die Vereinbarung zwischen dem Iran und der IAEA als Inspektionsfahrplan zu bezeichnen, verspreche mehr „als das Papier hält“, merkt die Presse an, „denn manches ist bewusst vage gehalten, vor allem in Bezug auf (die) mysteriöse Anlage in Parchin.“ Die hat den Iranern zufolge nichts mit dem Atomprogramm zu tun, weshalb internationale Inspektionen bisher immer abgelehnt wurden. Und auch jetzt beharrt der Iran noch darauf, dass „Dinge, die nicht direkt atomarer Natur sind“, erst in einer „späteren Phase“ zur Debatte stünden. Die Presse resümiert: „Das ist kein kategorisches ‚Nein‘ mehr – eine Zusage von Inspektionen in Parchin freilich auch noch nicht.“ Ähnliches gilt dem Kurier zufolge auch für Inspektionen des Schwerwasserreaktors in Arak: auch hier sei der Zeitpunkt noch offen.

Der „Fortschritt“, der von den Zeitungen bejubelt wurde, besteht also darin, dass eine Vereinbarung über Inspektionen umstrittener Anlagen getroffen wurde, deren Zeitpunkt jedoch noch in den Sternen steht. Wer sich dabei an den Film „Täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert fühlt, dürfte nicht ganz falsch liegen. Allerdings gibt es einen gewichtigen Unterschied: Die Hauptfigur des Films ist zwar in einer Endlosschleife gefangen, lernt aber wenigsten von Wiederholung zu Wiederholung dazu.

Der von den österreichischen Medien versprühte Optimismus ist reichlich fehl am Platze. Die Neuer Zürcher Zeitung weiß, warum: „Dafür, dass Iran zu einer Kehrtwende in seiner Atompolitik bereit ist, gibt es nicht die geringsten Anzeichen. Von der Professionalität und dem freundlichen Ton, die Irans Diplomatie seit Präsident Rohanis Wahl kennzeichnen, sollte man sich nicht blenden lassen. Die Gefahr ist real, dass Iran nur taktische Rückzieher macht und den Westen einmal mehr austrickst.“ Bei den Verhandlungen in Genf letzte Woche hätten allem Anschein nach nur die Franzosen aus den bisherigen Erfahrungen mit dem Iran die notwendigen Schlüsse gezogen und gefordert, „die angestrebte Zwischenlösung müsse auch einen Baustopp auf dem Reaktorgelände von Arak umfassen. Denn eine Teillösung im Bereich der Urananreicherung nützt nichts, wenn Iran in Arak ungehindert Plutonium produzieren kann – und damit einfach einen zweiten Weg zur Atombombe beschreitet.“

Für diese konsequente Haltung bekam Frankreich von den Medien die Rolle des Buhmanns verliehen, der einen Deal mit dem Iran verunmöglicht habe. Für den Standard war Frankreichs Haltung Grund genug, sich heute auf die Suche nach den Ursachen des französischen Iran-Kurses zu begeben, die „nicht nur außenpolitischer, sondern auch wirtschaftlicher und psychologischer Natur sind.“ Auf eine ähnliche Analyse der Gründe, warum ein großer Teil der westlichen Politik und der Medien im Hinblick auf den Iran Wunschdenken anstelle der Realität setzt und bereit zu sein scheint, sich ein weiteres Mal nach allen Regeln der Kunst vorführen zu lassen, wird man in österreichischen Medien wohl noch lange warten müssen.

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