ÜBERRASCHENDE WENDE? LEIDER NEIN.

„Die Stärke der Islamisten“, so war im profil zu lesen, nachdem die islamistische Ennahda-Partei die ersten tunesischen Wahlen nach dem Sturz von Diktator Ben Ali gewonnen hatte, „muss nicht Anlass zur Sorge geben“, sondern zeige vielmehr, „dass die tunesische Demokratisierung voranschreitet.“ Alles in allem seien die tunesischen Islamisten „beeindruckend demokratisch“. (profil43/2011) Die ägyptischen Muslimbrüder, eine Organisation mit im wahrsten Sinne des Wortes totalitärem Anspruch, würden in Ägypten für „funktionierende demokratische Institutionen“ eintreten und agierten „clever, staatsmännisch und modern“. (profil 4/2012) Deshalb würde auch die Wahl eines Muslimbruders zum ägyptischen Präsidenten „keineswegs den Weg in die Theokratie“ bedeuten. Man müsse eben einsehen, dass „in der arabischen Welt kein Weg zur Demokratisierung am politischen Islam vorbeiführt.“ (profil 27/2012) Nach fast zwei Jahren voll des Lobes für politisierte Religion verwundert es umso mehr, im dieswöchigenprofil die kämpferische Forderung zu lesen: „Weg mit der Religion aus der Politik!“ Wie es zu dieser Kehrtwende kommen konnte? Ganz einfach: Diesmal ging es ausnahmsweise nicht um Islamisten, die in einem weiteren arabischen Land die Macht ergreifen, sondern um ein Buch, in dem, offenbar ganz nach dem Geschmack des profil, eine „desaströse Bilanz“ über Israel gezogen wird. Ob den profil-Journalisten überhaupt auffällt, auf welch absurde Art und Weise sie sich doppelter Standards bedienen, wenn sie den Vormarsch totalitärer islamistischer Gruppen als Fortschritt der Demokratie feiern, während sie gleichzeitig am einzigen, trotz aller widrigen Umstände unerschütterlich demokratischen Staat der Region eine angeblich „desaströse“ Mischung von Politik und Religion beklagen?

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