Systematische Verzerrungen, verschleiernde Begriffe

Als „Zwischenfälle“ und „Übergriffe“ bezeichnete der Online-Standard in einer von der Nachrichtenagentur Reuters übernommenen Meldung unlängst die seit Monaten andauernden Mordanschläge palästinensischer Terroristen auf israelische Juden. Die Versuche der Attentäter, Juden zu töten, wurden zu „Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern“ erklärt. Bereits der Untertitel der Meldung gab die Richtung vor: „Zwei Palästinenser bei drei Anschlägen erschossen“ war da zu lesen, so als hätten Israelis Anschläge auf Palästinenser unternommen – und nicht etwa umgekehrt. Der deutsche Journalist Alexander Wendt hat genug von derartigen Fehlleistungen seiner Kollegen:

„Liebe Medien, ich habe verstanden: es ist kein ein- oder zweimaliges Versehen schlecht bezahlter Zeilenschrubber, wenn Massaker an Zivilisten – vorausgesetzt, die Täter sind Anhänger der Religion, die keinen Terror hat beziehungsweise umgekehrt – wenn also eine Schlächterei an Zivilisten mithilfe von Schusswaffen Schießerei genannt wird. So, wie es auch nicht versehentlich, sondern systematisch über die Messerattentate in Israel heißt: Palästinenser nach Messerattentat getötet. … Über den Nürnberger Blumenhändler Enver Simsek etwa, der am 11. September 2000 von der NSU ermordet wurde, würde kein halbwegs nüchterner Journalist schreiben: Simsek kam bei einer Schießerei ums Leben. Denn in diesem Fall wäre der Job vermutlich stark gefährdet. Gegen die Umgehung von Begriffen wie islamistische Täter und Massaker hat dagegen kein Chefredakteur und kein Rundfunkratsmitglied etwas einzuwenden. Und über Israel, diese zentrale Obsession fast aller deutscher Redaktionsbürositzer, darf sowieso jeder schreiben, wie es in ihm denkt.“

Alexander Wendt: Systematisch verdrehende, verwischende und verschleiernder Begriffe

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