„Eigentlich ist die vierteljährliche Sitzung des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien ein Routinetermin. Die Botschafter der wichtigen Mitgliedstaaten hören sich an, was IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano berichtet – einen schriftlichen Bericht hat er dann bereits vorgelegt – und geben gegebenenfalls ihre Kommentare ab. Auch die Sonderberichte Amanos darüber, wie Iran seine Verpflichtungen aus dem Atomabkommen vom Juli 2015 einhält, lassen sich meistens so zusammenfassen: Alles im grünen Bereich. Wenn das beim Treffen vom Donnerstag dieser Woche an ein wenig anders sein wird, so hat das zwei Gründe.
Zum einen hat Iran in einem Detail die Grenzen überschritten, denen es sich mit dem Wiener Atomabkommen unterworfen hat. Amano berichtet darüber in seinem November-Report. Statt erlaubter 130 Tonnen Schweren Wassers hat Iran derzeit einen Bestand von 130,1 Tonnen. Eine Überschreitung um 100 Kilogramm für einen kurzen Zeitraum erscheint verhältnismäßig gering, und tatsächlich gibt es in Wien keine Stimmen, die Iran deswegen wieder auf dem Pfad zur Atombombe wähnen. Doch dürfte unter den Mitgliedern des Gouverneursrats stirnrunzelnd zur Kenntnis genommen werden, dass Iran hier offenkundig ein Spielchen treibt, um die Grenzen des Abkommens zu dehnen und zu testen, wie genau es die IAEA mit ihren Kontrollen nimmt.“ (Stephan Löwenstein/Andreas Ross: „Atomabkommen mit Iran. Trump und der verhasste Deal“)