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Schlechte Ausgangsbedingungen für einen kurdischen Staat im Irak

Schlechte Ausgangsbedingungen für einen kurdischen Staat im Irak„Der Präsident der Kurdischen Regionalregierung (KRG) Massoud Barzani hat bekanntgegeben, dass für den 25. September eine Volksabstimmung über ein mögliches unabhängiges Kurdistan angesetzt ist. Die meisten der in der Türkei, dem Iran, dem Irak und Syrien lebenden Kurden streben seit langem einen unabhängigen kurdischen Staat an. Sie bilden gegenwärtig weltweit die größte staatenlose Nation. Mit dem Traum von einem unabhängigen Staat verbunden ist die Hoffnung, strittige Territorien zu erhalten. Dazu gehören das westlich von Mosul gelegene Sindschargebirge, die Gegend um Khanaqin an der iranischen Grenze und die ölreiche Provinz Kirkuk im Südosten des Irak. Kurdische Peschmerga beteiligten sich an der von den USA mit den vorwiegend schiitischen irakischen Streitkräften koordinierten Befreiung Mosuls. Angeblich war der Preis für die kurdische Beteiligung an der Befreiung Mosuls die Zustimmung Bagdads und Washingtons zu einem unabhängigen kurdischen Staat unter Barzani. Doch scheint dessen Errichtung nicht unmittelbar bevorzustehen.

Ein unabhängiger kurdischer Staat im Irak wäre ein Binnenstaat und von der Türkei oder dem Iran abhängig, da er sich vom Irak abspalten würde und Syrien selbst zersplittert ist. Doch wird der Iran Barzanis Pläne kaum unterstützen, liefen sie doch auf die Errichtung eines unabhängigen kurdischen Staat unmittelbar neben der iranischen Provinz Kurdistan (auch als Ostkurdistan bekannt) hinaus. Zudem bedürfte es der Zustimmung des Westens und insbesondere der USA, um die Machtbarkeit, Tragfähigkeit und Überlebenschancen eines unabhängigen kurdischen Staats zu gewährleisten. (…) Barzanis Wahl des Zeitpunkts für die Volksabstimmung war zudem sensibel. Der Termin wurde am 7. Juni bekannt gegeben, just als die Golfkrise um Qatar begann. Zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Barzani besteht eine Art Lehnsherr-Vasall-Verhältnis, das sich angesichts des offenbar unüberbrückbaren Gegensatzes zwischen dem der Unterstützung des Terrorismus beschuldigten Katar und einer von den Saudis angeführten Koalition als problematisch erweisen könnte. Erdogan hat eindeutig für Katar Partei ergriffen. (…)

Aus geopolitischen Gründen kann sich Barzani von der Türkei nicht abwenden. Da Ankara die Forderung nach einem unabhängigen kurdischen Staat ohnehin nicht unterstützt, kann Barzani es sich schwerlich leisten, sich mit der Türkei gegen Saudi-Arabien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate zu stellen. Sich Teheran und Bagdad anzunähern, ergäbe ebenfalls wenig Sinn, während man sich vom Irak abzuspalten versucht. So wie Dinge im Moment stehen, würde die Volksabstimmung über einen möglichen unabhängigen kurdischen Staat – der schließlich, wenn nicht zur rechtlichen, so doch zur faktischen Aufteilung des Irak führen würde – dem ohnehin erheblichen Chaos im Nahen Osten und am Golf ein weiteres explosives Element hinzufügen. Sofern die Türkei sich nicht zu einer unwahrscheinlichen radikalen Änderung ihrer Position entschließt, wird ein unabhängiger kurdischer Staat kaum bestehen können, auch wenn die Volksabstimmung am 25. September positiv ausgeht.“ (Cengiz Çandar: „Kurdish independence in Iraq will take more than a referendum“)

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