Polisario: ein terroristisches Standbein Teherans in der Westsahara

Die als marxistische nationale Befreiungsbwegung gegründet Polisario geriet ins Nahevehältnis zu Iran und Hisbollah
Als marxistische nationale Befreiungsbwegung gegründete Polisario geriet ins Nahevehältnis zu Iran und Hisbollah (© Imago Images / Chahine Sebiaa)

Die Biden-Administration wäre aus mehreren Gründen gut beraten, an Donald Trumps Entscheidung festzuhalten, die marokkanische Souveränität über die Westsahara anzuerkennen.

Joel C. Rosenberg

Mitte Februar schickte eine Gruppe von 27 Senatoren – Demokraten und Republikaner – einen Brief an US-Präsident Joe Biden, in dem sie ihn aufforderten, die von der Trump-Administration im Dezember beschlossene Anerkennung marokkanischer Souveränität über die Westsahara wieder rückgängig zu machen. Die Senatoren argumentierten:

„Die unvermittelte Entscheidung der vorherigen Regierung war kurzsichtig, untergrub Jahrzehnte konsistenter US-Politik und entfremdete eine bedeutende Anzahl afrikanischer Nationen. Wir fordern Sie respektvoll auf, diese fehlgeleitete Entscheidung rückgängig zu machen und die Vereinigten Staaten wieder mit dem Streben nach einem Referendum über die Selbstbestimmung des sahrauischen Volks der Westsahara zu beauftragen.“

Wie Axios-Korrespondent Barak Ravid berichtete, gibt es glücklicherweise jedoch „keine Anzeichen dafür, dass die Biden-Administration beabsichtigt, die durch die Trump-Administration vorgenommene Anerkennung der Westsahara als Teil Marokkos in nächster Zeit zurückzunehmen.“ Ravid berichtete jedoch, dass das Biden-Team Trumps Schritt derzeit überprüfen möchte.

Es ist zu, hoffen dass Biden dabei die Trump-Entscheidung bekräftigt. Wenn er sie rückgängig macht, wird er damit nämlich gleichzeitig

  • das iranische Regime ermutigen, das Marokko hasst und es untergraben will
  • einen von Amerikas ältesten und am wohlwollendsten arabischen Verbündeten in Gefahr bringen
  • und möglicherweise das jüngste Friedens- und Normalisierungsabkommen zwischen Marokko und Israel zunichtemachen.

Wachsende Bedrohung durch den Iran

Um zu verstehen, was wirklich vor sich geht, müssen wir zunächst das große Bild sehen. Und das beginnt damit, das Ausmaß der iranischen Aggression zu verstehen.

Inmitten des wachsenden medialen und diplomatischen Geredes über die mögliche Wiederaufnahme von Gesprächen zwischen den USA und dem Iran signalisiert Teheran, dass weder sein Atomprogramm noch die Entwicklung ballistischer Raketen noch seine regionalen Aggressionen zur Diskussion stehen. Im Gegenteil: der iranische Terrorismus und seine hegemonialen Bestrebungen befinden sich auf dem Vormarsch.

Am 4. Februar verurteilte ein belgisches Gericht einen ehemaligen iranischen Diplomaten der Teheraner Botschaft in Wien wegen versuchten Mordes und Terrorbeteiligung zu zwanzig Jahren Gefängnis. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass Asadallah Asadi, ein als Diplomat getarnter Agent der Revolutionsgarden (IRGC), die treibende Kraft hinter einem großen Terroranschlag war, der 2018 auf Exil-Iraner in Paris abzielen sollte.

Am 16. Februar verhaftete der äthiopische Geheimdienst 15 mit dem Iran verbundene Agenten, die angeblich Anschläge gegen die Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba geplant hatten. Sie sollen auch Informationen über die israelische und amerikanische Botschaft gesammelt haben.

Marokko im Fadenkreuz des Iran

Unter dem Radar der meisten internationalen Medien arbeiten der Iran und seine terroristische Stellvertretergruppe Hisbollah daran, ihre Reichweite zu vergrößern und ihren Griff auf eine in der Öffentlichkeit weniger präsente, wenn auch nicht weniger wichtige Region zu sichern: die Westsahara.

Wie All Arab News seinerzeit berichtete, verkündete Präsident Donald Trump am 10. Dezember, dass Washington das Königreich Marokko als rechtmäßigen Besitzer und Verwalter des Landes und der Menschen in der Westsahara anerkenne. Trump twitterte damals:

„Heute habe ich eine Proklamation unterzeichnet, die die marokkanische Souveränität über die Westsahara anerkennt. Marokkos ernsthafter, glaubwürdiger und realistischer Autonomievorschlag ist die einzige Basis für eine gerechte und dauerhafte Lösung für dauerhaften Frieden und Wohlstand!“

Gleichzeitig stimmte Marokko zu, volle diplomatische Beziehungen mit Israel aufzunehmen, und schloss damit das vierte arabisch-israelische Normalisierungsabkommen im letzten Quartal 2020. Viele arabische und muslimische Staaten begrüßten sowohl das Friedensabkommen als auch die US-Anerkennung von Marokkos Anspruch auf die Westsahara.

Auch All Arab News begrüßte die Entwicklung und veröffentlichte einen Gastbeitrag, in dem erklärt wurde, warum Trump in Bezug auf die Westsahara den richtigen Schritt getan hat. Die Zeitung hielt zugleich auch fest, dass sich das iranische Regime nicht nur vehement gegen die Friedensabkommen mit Israel ausspricht, sondern darüber hinaus auch versucht, ein eigenes Standbein in der Westsahara aufzubauen.

„Wie Israel und die Golfstaaten fühlt sich auch Marokko durch das iranische Regime bedroht“, schrieb All Arab News am 17. Dezember und fuhr fort:

„Obwohl Marokko weit vom Zentrum der politischen Spannungen im Nahen Osten entfernt liegt, hat der Iran versucht, sowohl das Land als auch weitere pro-westliche Regierungen in Afrika zu destabilisieren. Dies ist Teil der aggressiven imperialen Ambitionen Teherans im Nahen Osten und darüber hinaus.

Die vom Iran unterstützte schiitische Terrororganisation Hisbollah hat Berichten zufolge die antimarokkanische Separatistenorganisation Polisario in der Westsahara unterstützt. Infolgedessen hat Marokko 2018 beschlossen, die Beziehungen zum Iran abzubrechen und sich damit in die gegen Teheran und die Hisbollah gerichtete Allianz der Golfstaaten und Israels einzugliedern.“

Iranische Aktivitäten in Nordafrika

Nur Wenige schenken den Aktivitäten Teherans in Nordafrika Aufmerksamkeit. Das sollten sie aber. Auch dort spielte ein als Diplomat getarnter iranischer IRGC-Agent eine entscheidende Rolle. Der Kulturattaché an der iranischen Botschaft in Algier, Amir Moussavi, war 2018 für die Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildung durch den Iran und die Hisbollah für die Polisario verantwortlich.

Ursprünglich als marxistische Rebellenbewegung mit dem Ziel gegründet, die Kontrolle über die Westsahara zu übernehmen, hat sich die Polisario in den letzten Jahrzehnten zu einer Terror und Instabilität fördernden Kraft in der Region entwickelt.

Das Streben des sahrauischen Volkes nach Selbstbestimmung, das die von Algerien unterstützte Polisario zu fördern vorgibt, hat sich für die Führer der Bewegung längst zu einem Instrument der Selbstbereicherung entwickelt. 2015 wurde in einem Bericht der EU-Betrugsbekämpfungseinheit OLAF die systematische Veruntreuung von humanitärer Hilfe aufgedeckt, die von der internationalen Gemeinschaft in die sahrauischen Flüchtlingslager in Tindouf (Algerien) geschickt worden war.

Fälle von Missbrauch, Vergewaltigung und Folter von sahrauischen Flüchtlingen wurden im Laufe der Jahre von zahlreichen NGOs und Menschenrechtsaktivisten kritisiert. Die grausame Praxis der Polisario, kleine Kinder zu Kindersoldaten zu machen (während sie ihre eigenen zum Studium ins Ausland schickt), war Gegenstand zahlreicher Untersuchungsberichte.

Angesichts dieses Profils ist es keine Überraschung, dass die Polisario sich bereitwillig von der Stellvertretertruppe des iranischen Regimes rekrutieren ließ. Die Polisario braucht die Hisbollah für die Ausbildung in terroristischen Aktivitäten – etwa die Tunnelkriegsführung –, während die Hisbollah die Polisario für die indirekte Koordination mit den algerischen Behörden braucht.

Die iranischen Bestrebungen in der Westsahara sollten jeden beunruhigen, der ein Interesse an regionaler Stabilität und Frieden hat. Mehr als alles andere sollte es diejenigen beunruhigen, die das Volk der Sahraui in Autonomie und Wohlstand leben sehen wollen – frei vom terroristischen Griff der Polisario.

Nur Unwissenheit über die Menschenrechtsverletzungen der Polisario und ihre Verbindungen zum Iran und zur Hisbollah (und zunehmend auch zu anderen islamistischen Terrorgruppen) kann den Widerstand gegen die US-Anerkennung marokkanischer Souveränität über diese Region erklären. Amerikas alter und wichtiger strategischer Verbündeter, Marokko, hat zusammen mit zahlreichen US-Administrationen einen politischen Weg zur Autonomie der Sahrauis ausgearbeitet.

Was zwischen der Hölle, die die Sahrauis derzeit durchleben, und der Freiheit und Würde, die sie erfahren könnten, steht, sind die destabilisierenden Kräfte des radikalen Islam – vor allem des IRGC und der Hisbollah –, die ein Interesse daran haben, den Konflikt in der Westsahara aufrechtzuerhalten.

In Anbetracht all dessen ist das letzte, was US-Präsident Biden tun sollte, Trumps Entscheidung rückgängig zu machen, die marokkanische Souveränität über die Westsahara anzuerkennen. Das würde nicht nur die Mullahs in Teheran ermutigen, sondern auch einen befreundeten arabischen Verbündeten untergraben.

Ein solcher Rückzug würde möglicherweise nicht nur Marokko dazu bringen, sein Normalisierungsabkommen mit Israel aufzukündigen, sondern im Vorfeld zukünftiger US-Verhandlungen über ein Atomabkommen auch ein gefährliches Signal an die Ayatollahs senden.

Der Artikel „Tehran is trying to establish a terror foothold in the Western Sahara ist zuerst beim All Arab News erschienen. Übersetzung von Alexander Gruber.

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