Missing Link: Die deutsche Bundesanwaltschaft und die Diffamierung Israels in völkerrechtlichem Jargon

Von Florian Markl

Glaubt man der israelfeindlichen Propaganda, dann hat die israelische Marine am 31. Mai 2010 beim „illegalen“ Versuch, eine „Hilfsflotte“ auf dem Weg nach Gaza aufzuhalten, zahlreiche Straftaten und sogar „Kriegsverbrechen“ begangen. So sah es u. a. die deutsche „Linke“-Abgeordnete Inge Höger, die sich selbst an Bord der „Mavi Marmara“ befunden hatte, dem Leitschiff der Flotte, auf dem neun angeblich friedliche Aktivisten von israelischen Soldaten getötet worden waren. Im Dezember erhielt Höger Post von der deutschen Bundesanwaltschaft: Die von Höger und anderen eingebrachten Strafanzeigen gegen „unbekannte Verantwortliche der israelischen Streitkräfte“ wurden samt und sonders zurückgewiesen, die von Höger & Co. gegen den jüdischen Staat erhobenen Vorwürfe erwiesen sich als unbegründet und völlig haltlos. „Schäbig, zynisch, opportunistisch“ nennt Höger die achtseitige Erklärung der Bundesanwaltschaft – und das kommt alles andere als überraschend, beinhaltet diese doch eine gründliche Demontage genau jener in den Jargon von Völker- und Menschenrechten gekleideten Diffamierungen Israels, denen sich Höger und viele andere verschrieben haben.

„Das Aufbringen der Flotille mit Gewalt durch Betreten der Schiffe und Übernahme des Kommandos stellt keinen strafbaren Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder einzelne Zivilpersonen … dar“, beginnt die Bundesanwaltschaft ihre Erläuterungen. Das israelische Vorgehen habe nicht die „Schädigung von Einzelpersonen“ zum Ziel gehabt. Dass die israelische Marineoperation einen „abweichenden Verlauf“ genommen habe und Menschen zu Schaden gekommen seien, habe darauf beruht, „dass Passagiere und Besatzung den ersten israelischen Kommandos … Widerstand entgegenbrachten“; dieser „Widerstand“ sei, wie im so genannten Palmer-Bericht, einer UN-Untersuchung der Vorfälle, festgehalten wurde, in „‚erheblicher, organisierter und gewaltsamer Weise‘  fortgesetzt“ worden. Die Bundesanwaltschaft hielt damit fest, was von israelischer Seite stets vorgebracht wurde und auf entsprechenden Videoaufnahmen auch zu sehen ist: Die israelischen Soldaten wurden, sobald sie an Bord der Mavi Marmara gelangt waren, mit massiver und lebensbedrohlicher Gewalt attackiert – erst daraufhin kam es zum tödlichen Einsatz von Schusswaffen.

Das Aufbringen der Flottille habe darüber hinaus keinen „verbotenen Angriff auf zivile Objekte“ dargestellt, denn: „Die Schiffe der Flottille stellten nämlich unter den gegebenen Umständen militärische Ziele dar, die nach den Regeln des humanitären Völkerrechts angegriffen werden durften.“ Die Schiffe hätten von Anfang an das Ziel verfolgt, die von Israel verhängte Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen und ihre Fahrt auch nach mehrfachen Warnungen fortgesetzt. „Mit der Weigerung anzuhalten wurden die Schiffe zu einem zulässigen militärischen Ziel.“ Dass zivile Passagiere an Bord gewesen seien, habe daran nichts geändert.

Falsch sei im Übrigen auch der Vorwurf, Israel habe die Schiffe illegaler Weise bereits in internationalem Gewässer geentert. Denn „(a)llgemein anerkannt“ sei, dass „mit dem Aufbringen eines Blockadebrechers nicht zugewartet werden muss, bis dieser das Seegebiet, das unter Blockade steht, tatsächlich erreicht hat.“ Vielmehr erlaube das „Recht der Seeblockade auch einen Angriff auf hoher See“.

Die Bundesanwaltschaft enthielt sich einer Erörterung der Rechtmäßigkeit der Seeblockade, im von ihr erwähnten Palmer-Bericht wurde diese allerdings explizit als legitime Maßnahme zur Verteidigung der israelischen Bevölkerung vor Attacken aus dem Gazastreifen bezeichnet. Für die Bundesanwaltschaft zählte allein, dass die Seeblockade von Israel formell korrekt bekannt gemacht worden sei, die angegriffenen Schiffe von ihr Kenntnis hatten und sich trotzdem weigerten anzuhalten. „Jedes Schiff, das eine Blockade bewusst und gezielt bricht, ist unter dem Blickwinkel des humanitären Völkerrechts nicht mehr schutzwürdig.“ Indem die Flottille bewusst die Blockade brechen wollte, habe sie sich „aktiv gegen eine militärische Maßnahme“ gewendet, wurde damit „zum Beteiligten am Konfliktgeschehen“ und hätten die Schiffe den Status ziviler Objekte verloren.

Konnte die Bundesanwaltschaft am Aufbringen der Schiffe nichts Strafwürdiges erkennen, so galt das auch für die Art, wie deren Passagiere nach dem Entern und dem Ende der gewaltsamen Auseinandersetzungen behandelt worden seien. Die „angezeigte kurzzeitige Fesselung“ und der „erzwungene Aufenthalt an Deck“ würden nicht den Tatbestand der „grausamen und unmenschlichen Behandlung“ erfüllen. Weder könne das Verhalten der israelischen Soldaten Höger gegenüber als „entwürdigende oder erniedrigende Behandlung“ gesehen werden, noch die kurzzeitige Inhaftierung und anschließende Abschiebung Högers nach Deutschland als „rechtswidrige Gefangenhaltung“ und „Vertreibung oder zwangsweise Überführung“ betrachtet werden. Gemessen an den Vorgaben „des Völkergewohnheitsrechts waren weder Ihre Gefangenahme, noch die nachfolgende kurzzeitige Festhaltung rechtswidrig.“

Niemand, so kann über die Ausführungen der Bundesanwaltschaft hinaus festgestellt werden, wird behaupten, dass die Enterung der Mavi Marmara gut verlaufen wäre. Doch wurden dabei keineswegs die „Kriegsverbrechen“ und sonstigen Straftaten begangen, die Israel von Leuten wie Höger & Co. jedes Mal zum Vorwurf gemacht werden, wenn dieses sich gegen den Terror von Gruppierungen wie der Hamas zur Wehr setzt. Die ritualisierte Diffamierung Israels und versuchte Kriminalisierung seiner Selbstverteidigung wird im Englischen treffend als „Lawfare“ bezeichnet, als Fortsetzung des Krieges gegen den jüdischen Staat auf juristischem Terrain unter missbräuchlicher Berufung auf Menschen- und (humanitäres) Völkerrecht. Gerade in einer Zeit, in der die PLO mit ihrem Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof Lawfare auf eine neue Stufe heben will, ist der Bundesanwaltschaft dafür zu danken, die groteske Überzogenheit und Substanzlosigkeit dieser Art israelfeindlicher Agitation kenntlich gemacht zu haben.

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