Mit einer Terrorgruppe Menschenrechte verteidigen?

Von Felix Balandat

Amnesty International (AI) wird von der Öffentlichkeit gehört und, so steht es auf der Homepage der weltweit wohl bekanntesten Menschenrechtsorganisation, „von Menschenrechtsverletzern gefürchtet“. Letzteres dürfte zumindest nicht immer zutreffen. Statt anzuprangern, suchte eine Berliner AI-Gruppe dieses Jahr nämlich die Kooperation: Mit der Repräsentantin der Hamas in Deutschland.

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Symbolbild. „Free Palestine“-Demonstration in Berlin 2014.

In den Berlin-Neuköllner Räumlichkeiten der Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland (PGD) hielt im Oktober die Gruppe Amnesty 1180 einen Vortrag zum Thema „Palästinensische Gefangenene in israelischen Gefängnissen“. Die Veranstaltung fand im Rahmen der 1. Palästinawoche der PGD statt. Die PGD gilt laut Verfassungsschutz als Repräsentantin der palästinensischen Terrororganisation Hamas in Deutschland.

Sie hat 2015 zusammen mit dem Hamas-nahen „Palestinian Return Centre“ (PRC) in Berlin dessen 13. Europakonferenz organisiert, an der 3.500 Menschen teilnahmen, und bei der der palästinensische Parlamentspräsident, Hamas-Mitglied Aziz Duwaim, per Video zugeschaltet war. Erst am Sonntag wollte die PGD eine Veranstaltung im Verlagsgebäude Neues Deutschland durchführen, die jedoch nach Protesten an einem anderen Ort stattfand.

Amnesty 1180 ist eine single issue-Gruppe, die laut eigener Aussage seit 1999 „zu Israel und Palästina“ arbeitet. „Wir kennen den gegenseitigen Hass der sich bekämpfenden Parteien, aber auch die Bemühungen der vielen Friedens- und Menschenrechtsaktivisten auf beiden Seiten“, schreibt die Organisation. Mit ihrer Aufklärungs- und Informationsarbeit wolle sie öffentlichen Druck auf Menschenrechtsverletzer aufbauen. Amnesty 1180 hat unter anderem eine Veranstaltung durchgeführt, an der die Israel-Boykottbewegung Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) sowie die antizionistischen Hardliner der Partei Die Linke, der Bundesarbeitskreis Gerechter Frieden in Nahost, beteiligt waren. Amnesty 1180 hat laut ihrer Homepage auch Unterschriften zum Thema Menschenrechtsverletzungen durch die Hamas im Gaza-Streifen gesammelt.

Im Fall der Veranstaltung mit der PGD sei der lokalen Amnesty-Gruppe der problematische Hintergrund der Organisation nicht klar gewesen, erklärt ein Sprecher von AI-Deutschland gegenüber Audiatur-Online auf Anfrage. Die zuständigen inhaltlichen Expertinnen und Experten im Sekretariat der deutschen Sektion von AI und in der ehrenamtlichen Koordinationsgruppe, denen die Veranstaltung nicht bekannt war, hätten von dieser Kooperation strikt abgeraten. „Eine Organisation mit ideologischer oder organisatorischer Nähe zur Hamas kann für Amnesty International kein Kooperationspartner sein“, so der Sprecher.

 

„Ein antizionistisches Muster“

„Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Amnesty 1180 nicht wusste, mit wem sie da kooperiert“, meint Daniel Wendt, Sprecher der Hochschulgruppe „Students for Peace in the Middle East“ (SPME) an der Universität Potsdam. SPME ist Amnesty 1180 bereits mit einer Veranstaltung in der brandenburgischen Landeshauptstadt aufgefallen. Dort präsentierte die Amnesty-Gruppe eine Ausstellung des Marburger Vereins Handala. Die Ausstellung befasst sich mit dem Thema Administrativhaft in Israel. Laut der Hochschulgruppe SPME sei es Handala bei der Vorstellung der Ausstellung weniger um die Administrativhaft an sich gegangen, sondern „vielmehr um die Deligitimierung Israels in seiner Existenz und um die Verharmlosung von Terror gegen den jüdischen Staat“. Amnesty 1180, die bei dieser Veranstaltung die Moderation übernahm, habe sich auf kritische Nachfrage hin von Terror verhamlosenden Positionen distanziert und versichert, dass sie sich nicht mit den Zielen von Handala e.V. identifiziere. Die Ausstellung Handalas hatte auch in anderen deutschen Städten für Kontroversen gesorgt.

„Aufgrund dieser Vorgeschichte hätte Amnesty 1180 – wenn sie es mit ihrer Distanzierung ernst meinte – eine Sensibilität für das Thema entwickeln müssen“, sagt SPME-Sprecher Wendt. „Kooperationen mit BDS, Handala, PGD: Es lässt sich bei Amnesty 1180 ein antizionistisches Muster erkennen“, so Wendt. „Das, was sich Amnesty International auf die Fahnen schreibt, steht in einem krassen Widerspruch zu dem, was diese Berliner Gruppe macht. Die Aktionen von 1180 sollten Amnesty International zu denken geben – und Konsequenzen nach sich ziehen“.

Die Frage, ob Amnesty 1180 Konsequenzen fürchten muss, ließ AI-Deutschland unbeantwortet. Organisationen wie NGO Monitor werfen AI vor, aufgrund von Doppelstandards eine institutionalisierte Voreingenommenheit gegenüber Israel zu haben und damit die Universalität der Menschenrechte zu missachten.

Artikel zuerst erschienen bei Audiatur Online.

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